OGH vom 21.03.2017, 11Os142/16s

OGH vom 21.03.2017, 11Os142/16s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen R***** M***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom , GZ 631 Hv 8/16x-58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Angeklagten enthaltenden Urteil wurde R***** M***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (I./), des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II./) und des Vergehens der sexuellen Belästigung und öffentlicher geschlechtlicher Handlungen nach § 218 Abs 1a StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er am in S*****

I./ P***** K*****, geboren am , außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er ihn erfasste, zu sich zog, ihn festhielt und mit seinem erigierten Penis oberhalb der Kleidung beischlafsartige, reibende Bewegungen im Bereich dessen Gesäßes vornahm;

II./ durch die zu I./ bezeichnete Tathandlung außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen;

III./ S***** K***** durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzt, indem er ihr gezielt an das Gesäß fasste.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider konnte der Antrag auf „Durchführung eines Lokalaugenscheines zum Beweis dafür, dass sich die Geschehnisse so abgespielt haben, wie es der Angeklagte angegeben hat und aufgrund der örtlichen Verhältnisse und der zeitlichen Möglichkeiten der Wegstrecken sich das Geschehen nicht so abspielen konnte, wie es von den Zeugen K***** angegeben wurde“ (ON 57 S 43) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden. Er führte – auch mit dem Verweis auf die Angaben des Zeugen Patrick W***** (ON 57 S 43 iVm S 34) – nicht aus, weshalb eine Besichtigung der (unstrittigen) Tatörtlichkeit Rückschlüsse auf die Vornahme der dem Angeklagten zur Last gelegten Tathandlungen in der dafür zur Verfügung stehenden Zeitspanne zuließe (vgl vielmehr ON 29 S 17, ON 35 S 5). Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang relevierte Frage der Wahrnehmbarkeit des Tatgeschehens für Dritte betrifft keinen für die Klärung der Schuldfrage erheblichen Umstand (vgl im Übrigen US 10 f).

Der „zum Beweis dafür, dass die Aussagen der Frau K***** nicht glaubwürdig sind“, gestellte Antrag auf Vernehmung des Zeugen Norbert W*****, welcher den „Ex-Mann“ dieser Zeugin und die Umstände für deren Trennung kenne und Informationen habe, dass diese „in anderem Zusammenhang schon öfter irgendwelche Geschichten erzählt“ habe (ON 57 S 42), nannte – unter dem Aspekt einer grundsätzlich zulässigen (RIS-Justiz RS0028345, RS0098429) Beweisführung zur Erschütterung der Glaubwürdigkeit der Genannten – keine konkreten Anhaltspunkte, aus welchem Grund der Zeuge das Beweisthema erhellen könnte und verfiel als auf bloße Erkundung gerichtet zu Recht der Abweisung (RIS-Justiz RS0099453, RS0099189, RS0118123 [T1, T 2], RS0097230 [T3]).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) haben sich die Tatrichter mit den – vor Kriminalpolizei und Gericht getätigten – Aussagen der Zeugen S***** und P***** K***** eingehend auseinandergesetzt (US 7 ff), wobei das Erstgericht – dem Gebot gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO; RIS-Justiz RS0106642) folgend – nicht gehalten war, diese Angaben in all ihren Details gesondert zu erörtern.

Indem sich der Beschwerdeführer darauf beschränkt, den von den Tatrichtern daraus gezogenen Schlussfolgerungen – ua spekulierend, dass es sich bei dem von P***** K***** gespürten „harten Gegenstand“ nicht zwingend um den erigierten Penis des Angeklagten handeln musste (US 8), sondern allenfalls um ein Mobiltelefon, einen Schlüssel oder den Hüftknochen, sowie unter Hinweis auf jeweils besonders hervorgehobene Passagen der Angaben dieser Zeugen (US 8 bis 11) – eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüberzustellen, bekämpft er bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die Beweiswürdigung des Schöffengerichts. Die Kritik am Gebrauch bestimmter Wendungen wie „extrem sexualisiertes Verhalten“ ist im Übrigen nicht Gegenstand der Mängelrüge. Mit den Fragen allfälliger Hilferufe des P***** K***** und der Wahrnehmung (bzw der Wahrnehmbarkeit) der Tathandlungen durch Dritte werden keine entscheidenden Tatsachen angesprochen.

Soweit die Mängelrüge im Zusammenhang mit der Begründung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite „relevante Feststellungen und Zeugenaussagen zu der Alkoholisierung und dem Gemüt des Angeklagten“ als übergangen erachtet (Z 5 zweiter Fall), legt sie nicht dar, aus welchem Grund die Annahmen zum Alkoholkonsum des Beschwerdeführers (US 7; vgl auch US 12) in einem erörterungspflichtigen Widerspruch zu den kritisierten Feststellungen stehen sollten und übersieht, dass subjektive Eindrücke von Zeugen nicht in den Bereich ihres (im Rahmen der Beweiswürdigung zu erörternden) gerichtlichen Zeugnisses fallen (§ 154 Abs 1 StPO; RIS-Justiz RS0097573, RS0097545; Kirchbacher, WK-StPO § 247 Rz 5 mwN; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 352). Insgesamt beschränkt sich auch dieses Vorbringen auf einen in dieser Form unzulässigen Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Nichts anderes gilt für die vom Beschwerdeführer als „nicht entsprechend [ge]würdigt“ erachteten Angaben des Zeugen Patrick W*****, aus welchen er wiederum bloß für sich günstigere Schlussfolgerungen zur „zeitlichen und örtlichen Möglichkeit“ der Tatbegehung (US 10 f; vgl US 15 f; RIS-Justiz RS0099455) ableitet.

Die (ohne jede Begründung) das Vorliegen eines „Feststellungsmangels“ behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich nicht an den erstgerichtlichen Konstatierungen (US 4 bis 7) und verfehlt damit den gesetzlichen Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes. Im Übrigen legt der Beschwerdeführer nicht dar, welche (über die vorliegenden hinausgehenden) Sachverhaltsannahmen zu treffen gewesen wären.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00142.16S.0321.000

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