VfGH vom 12.03.2003, B2233/00
Sammlungsnummer
16826
Leitsatz
Keine Verletzung im Gleichheitsrecht und im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Zuschlagsentscheidung wegen Verletzung des Bestbieterprinzips infolge Nichtbekanntgabe der Gewichtung der Zuschlagskriterien sowie durch die Abweisung weiterer Feststellungsanträge; keine Vorlagepflicht an EuGH zur Vorabentscheidung
Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Bund ist schuldig, der mitbeteiligten Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 1.962,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit Bescheid vom stellte das Bundesvergabeamt über Antrag eines im Vergabeverfahren betreffend "Wärmeversorgung der Schwarzenberg-Kaserne (Ausgliederung des Heizbetriebes aus dem Bereich der Bundesverwaltung)" nicht zum Zuge gekommenen Bieters gemäß § 113 Abs 3 iVm § 115 Abs 1 und § 29 Abs 4 Bundesvergabegesetz (BVergG) 1997 fest, dass wegen Nichtbekanntgabe der Gewichtung der Zuschlagskriterien zueinander in der Ausschreibung und der daraus resultierenden Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde (Spruchpunkt 1). Die weiteren Anträge auf Feststellung, dass
"(1) wegen der Nichtbekanntgabe der Zuschlagsentscheidung vor Zuschlagserteilung, (2) wegen der Nichtmitteilung der Gründe, die der Zuschlagsentscheidung zugrunde liegen, sowie (3) wegen der - bei Heranziehung des vom Auftraggeber angewendeten Systems der gleichgewichtigen Behandlung der in der Bekanntmachung angeführten Vergabekriterien - fehlerhaften Beurteilung der Angebote der Bieter und der daraus resultierenden Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde,"
wurden abgewiesen (Spruchpunkt 2).
Ebenfalls abgewiesen wurde der vom Auftraggeber gestellte Antrag auf Feststellung, dass der nicht zum Zuge gekommene Bieter auch bei Einhaltung der Bestimmungen des BVergG 1997 und der hiezu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte (Spruchpunkt 3).
1.2. Begründend führte das BVA im Wesentlichen aus:
"... Hinsichtlich des Vorbringens, dass die gegenständliche Ausschreibung kein entsprechendes, die Nachvollziehbarkeit der Bestbieterermittlung garantierendes Zuschlagssystem vorsieht, ist nun im Ermittlungsverfahren zweifelsfrei hervorgekommen, dass die in der 'Öffentlichen Erkundung des Bewerberkreises' angeführten Kriterien [d.w. Wirtschaftlichkeit (Wärmepreis, Miete), Umweltgerechtheit der Leistungen, Anlagenoptimierung, Erfahrung beim Betrieb von Heizkraftwerken und Leistungsfähigkeit des Unternehmens] in keiner Phase des Vergabeverfahrens gegenüber den Bietern gewichtet oder auf sonstige Weise in eine nachvollziehbare Beziehung gesetzt wurden. Losgelöst von Fragen, inwiefern die verwendeten Kriterien überhaupt als zulässig anzusehen sind, war es somit den einzelnen Bietern entgegen der gefestigten Spruchpraxis der Vergabekontrolleinrichtungen des Bundes nicht möglich, vorweg zu erkennen, wie ihre Angebote bewertet werden. Die gegenständliche Ausschreibung widerspricht somit zum einen dem in § 29 Abs 4 BVergG festgeschriebenen Gedanken, auf seiten des Auftraggebers objektive Willkür auszuschalten [Hinweise auf Entscheidungen des BVA und der B-VKK], zum anderen steht sie im Widerspruch zu den klaren Vorgaben des EuGH, wonach das dem Auftraggeber zustehende Beurteilungsermessen nach objektiven Gesichtspunkten zu handhaben ist und kein willkürliches Auswahlelement enthalten darf ( Gebroeders Beentjes gegen Königreich der Niederlande, Rs C-31/87, Rz 37). Ein derartiger Widerspruch zu innerstaatlichen und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben stellt einen zwingenden Grund dar, auf Grund dessen eine Ausschreibung gemäß § 55 Abs 1 BVergG zu widerrufen ist ...
... Das übrige Begehren der Antragstellerin war ... abzuweisen, da die diesbezüglichen angefochtenen Entscheidungen des Auftraggebers jedenfalls nicht dazu führten, dass der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. Eine Zuschlagserteilung an den Bestbieter wurde vielmehr bereits - wie soeben ausgeführt - durch die Gestaltung der Ausschreibung, die eine Bestbieterermittlung gänzlich verunmöglichte, vereitelt. Im übrigen ist anzumerken, dass nach Ansicht des Senats im gegenständlichen Verhandlungsverfahren eine Behebung des Ausschreibungsmangels durch Bekanntgabe eines entsprechenden Zuschlagssystems und Gewährung einer darauf basierenden, letzten Angebotslegung verhältnismäßig leicht möglich gewesen wäre.
... [D]ie Frage nach den Chancen der Antragstellerin im
konkreten Vergabeverfahren ... lässt sich ... bei der
gegenständlichen Konstellation nicht klären, da im nachhinein nicht abzusehen ist, für welches zulässige Bewertungssystem sich der Auftraggeber unter Wahrnehmung des ihm im Rahmen der rechtlichen Vorgaben zukommenden Gestaltungsspielraums entschieden hätte. Aufgrund der Unmöglichkeit einer diesbezüglichen Beweisführung war demnach der betreffende Feststellungsantrag des Auftraggebers ... abzuweisen ..."
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde des Auftraggebers an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
3.1. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.
3.2. Der nicht zum Zuge gekommene, vor dem BVA aber erfolgreiche Bieter erstattete eine Äußerung, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrte.
II. Über die Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:
1. Der bekämpfte Bescheid wurde vom BVA, einer nach den Organisationsvorschriften des BVergG 1997 als eine nach Art 133 Z 4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde, erlassen. Seine Entscheidungen unterliegen nach § 99 Abs 1 letzter Satz BVergG 1997 nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug ist also erschöpft.
Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen (insbesondere auch hinsichtlich der Spruchpunkte 2 und 3 angesichts des davon untrennbaren, den Auftraggeber jedenfalls beschwerenden Spruchpunktes
1) vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vor, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt u.a. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem außer Acht lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987).
2.1. Dass die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen, insbesondere § 29 Abs 4 BVergG 1997, im Widerspruch zum Gleichheitsgebot stünden, wurde im Verfahren nicht behauptet. Auch der Verfassungsgerichtshof hegt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalls keine derartigen Bedenken.
2.2. Dass das BVA gesetzlos vorgegangen sei, begründet die beschwerdeführende Partei damit, dass das BVA dem § 29 Abs 4 BVergG 1997 einen Sinn unterlege, der dessen Wortlaut überschreite:
Quantitative Gewichtungskriterien seien nach Auffassung des BVA zwingend festzulegen und den Bietern bekannt zu machen. Zudem werde bei dieser Auslegung der vom Bundesvergabegesetz systemimmanent gewollte Unterschied zwischen offenem Verfahren und Verhandlungsverfahren vollkommen außer Acht gelassen.
Willkür indiziert nach Auffassung des beschwerdeführenden Bundes auch die in der Begründung des angefochtenen Bescheides (S. 16) zum Ausdruck gelangende Auffassung des BVA, dass "die Behebung des Ausschreibungsmangels (Nichtbekanntgabe der Gewichtung) durch Bekanntgabe eines entsprechenden Zuschlagssystems und Gewährung einer darauf basierenden, letzten Angebotslegung verhältnismäßig leicht möglich gewesen wäre", weil mit einer derartigen Vorgangsweise eine Berichtigung der Bekanntmachung und der Ausschreibungsunterlagen verbunden gewesen wäre, die gemäß der zwingenden Bestimmung des § 39 BVergG 1997 nur während der Angebotsfrist zulässig sei. Die vom BVA geforderte Vorgehensweise hätte somit einen Verstoß gegen die Bestimmungen des BVergG bedeutet.
Schließlich erachtet sich der beschwerdeführende Bund deshalb in seinem Gleichheitsrecht verletzt, weil das BVA sich zur Begründung seiner stattgebenden Entscheidung auf eine Spruchpraxis berufe, die der Auftraggeber zum Zeitpunkt der Ausschreibung (noch) nicht kennen konnte.
2.3. § 29 Abs 4 BVergG 1997 sieht - dem Richtlinientext folgend (vgl. Art 36 DienstleistungsRL, Art 26 LieferkoordinierungsRL und Art 30 BaukoordinierungsRL) - vor, dass die Zuschlagskriterien "grundsätzlich in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung" in den Ausschreibungsunterlagen oder in der Bekanntmachung anzuführen sind. Im Zusammenhang damit bestimmt § 53 BVergG 1997, dass der Zuschlag dem günstigsten Angebot gemäß den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien zu erteilen ist (Bestbieterprinzip).
Der Verfassungsgerichtshof kann dem BVA unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegentreten, wenn es aus diesen Bestimmungen im Zusammenhalt mit den Erläuterungen zu § 22 Abs 4 BVergG idF BGBl. 776/1996 (i.e. § 29 Abs 4 BVergG 1997), RV 323 BlgNR 20. GP, und unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung des EuGH ableitet, dass nicht bloß die im Gesetzestext ausdrücklich geforderte Bekanntgabe der Reihung der Zuschlagskriterien, sondern auch deren Gewichtung, also die Angabe ihrer relativen Bedeutung zueinander, für eine eindeutige und nachprüfbare Zuschlagserteilung erforderlich sind. Die Notwendigkeit einer Gewichtung der Zuschlagskriterien folgt letztlich auch aus den vergaberechtlichen Geboten der Transparenz und der Objektivität, weil einerseits die Bewerber um einen Auftrag anhand der verlautbarten Kriterien ihre Akquisitionschance beurteilen können sollen und andererseits eine Nachvollziehbarkeit der Ermittlung des technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebotes möglich sein muss.
Dass eine Gewichtung im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen wäre, wird selbst vom Auftraggeber nicht behauptet. Sein Einwand, dass eine solche die im Verhandlungsverfahren bestehende Möglichkeit "über den gesamten Auftragsinhalt zu verhandeln" einschränke, verkennt, dass sich diese Verhandlungsfreiheit auf den Inhalt des Leistungsvertrages, nicht aber auf die Vergabekriterien bezieht (vgl. König, Vergaberecht in der Praxis, 55).
Der Verfassungsgerichtshof hat im Übrigen nicht zu untersuchen, ob der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht und die von der belangten Behörde gewählte Gesetzesauslegung richtig ist, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10.565/1985, 12.697/1991): Keinesfalls leidet die Begründung des angefochtenen Bescheides geradezu an einer - als Indiz für Willkür in Betracht zu ziehenden (VfSlg. 7962/1976, 9169/1981) - Denkunmöglichkeit, und zwar weder in sachverhaltsmäßiger noch in rechtlicher Hinsicht. Dies gilt insbesondere auch für die vom BVA - im Übrigen bloß obiter - getroffene Aussage zur Behebbarkeit des von ihm festgestellten Ausschreibungsmangels.
Soweit die beschwerdeführende Partei rügt, dass sich die belangte Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung auf eine erst nach der verfahrensgegenständlichen Ausschreibung herausgebildete ständige Spruchpraxis beruft, tut sie auch damit keine Verletzung des Gleichheitsgebotes, geschweige denn einen anderen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler des BVA dar.
Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz hat sohin nicht stattgefunden.
3. Ebenso wenig hat das Verfahren ergeben, dass der Bund in dem weiters von ihm geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden wäre:
3.1.1. Eine derartige Verletzung wird in der Beschwerde zunächst darin gesehen, dass das BVA zum einen trotz Vorliegens einer vor der Bundes-Vergabekontrollkommission erzielten gütlichen Einigung und zum anderen trotz des (behaupteten) Umstandes, dass das Angebot des rechtsschutzsuchenden Bieters auszuscheiden gewesen wäre, also trotz der diesem angeblich fehlenden Antragslegitimation, in der Sache selbst entschieden habe.
3.1.2. Nach der ständigen Rechtsprechung wird das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde u.a. dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt.
Gemäß § 115 Abs 1 BVergG 1997 kann ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, die Nachprüfung einer Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Ein solcher Antrag ist "bis zur Zuschlagsentscheidung" (§113 Abs 2) gemäß § 115 Abs 2 Z 2 BVergG 1997 jedoch unzulässig,
"wenn in derselben Sache in einem Schlichtungsverfahren eine gütliche Einigung erzielt worden ist, es sei denn der Unternehmer macht glaubhaft, daß der Auftraggeber sich nicht an das Ergebnis der gütlichen Einigung hält oder gehalten hat".
Demgegenüber sieht § 115 Abs 4 BVergG 1997 für Fälle wie den vorliegenden, also für Anträge auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens nach Zuschlagserteilung (§113 Abs 3 BVergG 1997) lediglich vor, dass diese innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis des Zuschlags zu stellen sind.
Angesichts dieser Rechtslage vermag der Verfassungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde, wonach eine allfällige gütliche Einigung in derselben Sache kein Antragshindernis für ein Verfahren nach Zuschlagserteilung darstellt, nicht als rechtswidrig zu erkennen (vgl. auch /0041, zur Rechtslage nach dem NÖ VergabeG, das eine derartige Einschränkung nicht kennt).
Gleiches gilt hinsichtlich der Frage der Antragslegitimation des nicht zum Zuge gekommenen Bieters:
Das BVA begründet das Vorliegen der Legitimation im Wesentlichen damit, dass dann, wenn der Ausschreibung ein Mangel anhafte, der gemäß § 55 Abs 1 BVergG 1997 zwingend den Widerruf der Ausschreibung zur Folge hätte, einem Bieter - losgelöst von der Frage, ob sein Angebot auszuscheiden ist - insofern ein Schaden drohe, als er sich bei Unterlassen des gebotenen Widerrufs an einer neuen, "sanierten" Ausschreibung nicht mehr beteiligen könnte. Darüber hinaus teilte das BVA auch nicht die Auffassung des Auftraggebers, dass sämtliche Angebote des rechtsschutzsuchenden Bieters an einem Mangel gelitten hätten, der zwingend zu deren Ausscheiden führen hätte müssen.
Da die beschwerdeführende Partei im gegebenen Zusammenhang dem BVA abermals Gesetzlosigkeit wegen der von diesem gewählten Auslegung des § 29 Abs 4 BVergG 1997 vorwirft, genügt es auf die obigen (Pkt. II.2.3.) Ausführungen zu verweisen.
3.2.1. Der beschwerdeführende Bund erachtet sich im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter schließlich auch dadurch verletzt, dass es das BVA unterlassen habe, dem EuGH eine vorlagepflichtige Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Vorausschickend, dass "schon aus dem Grundsatz des freien und lauteren Wettbewerbs für alle Bewerber und Bieter die Pflicht [erfließt], Vorbehalte gegen die Ausschreibungsunterlagen und Ausschreibungsbedingungen bei sonstigem Verlust des Rechtes zur Ergreifung rechtzeitig bekanntzugeben bzw. anzumelden", führt er dazu aus:
"Der Gesetzgeber hat eine solche Verpflichtung mit Präklusionswirkung in das Bundesvergabegesetz nicht ausdrücklich aufgenommen. Er hat aber, ausgenommen den Fall der Schlichtung, durch § 113 Abs 2 Bundesvergabegesetz Instrumentarien (einstweilige Verfügung, Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen) vorgesehen, die den Bietern die Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer Vorbehalte gewähren. In Verbindung mit dem Grundsatz des freien und lauteren Wettbewerbs ist daher auch die Pflicht der Bieter bzw. Bewerber abzuleiten, von diesen Instrumentarien rechtzeitig, d.h. jedenfalls ab Kenntnis bzw. ab Erkennen einer möglichen Rechtswidrigkeit, Gebrauch zu machen.
Im gegenständlichen Vergabeverfahren ... hatte [die Antragstellerin] vor dem Zeitpunkt der Einbringung des Nachprüfungsantrages ausreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, diese ihr gesetzlich zur Verfügung stehenden Instrumentarien zu nutzen.
Das Bundesvergabeamt hat im angefochtenen Bescheid diesen, vom Gesetzgeber implizit vorgesehenen Grundsatz des freien und lauteren Wettbewerbes nicht berücksichtigt.
... Im Vergaberecht gilt der Grundsatz des freien und lauteren Wettbewerbes, was aus den einschlägigen europarechtlichen Richtlinien abzuleiten ist (vgl. Fruhmann, Bundesvergabegesetz (1999), 38).
Das Bundesvergabeamt hätte bei der Anwendung des
Bundesvergabegesetzes unter Zugrundelegung des Sachverhaltes und der
vergaberechtlichen Grundsätze, insbesondere im Hinblick auf den
'freien und lauteren Wettbewerb' sowie hinsichtlich der Auslegung des
§29 Abs 4 ... in Verbindung mit § 53 Bundesvergabegesetz bei
Berücksichtigung der Auftragsart und der Art des Vergabeverfahrens
Bedenken hinsichtlich der Richtlinienkonformität haben müssen. Da das
Bundesvergabeamt als vorlagepflichtige Behörde ... eine solche
vorlagepflichtige Frage dem Europäischen Gerichtshof nicht zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, hat es das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt."
3.2.2. Dem beschwerdeführenden Bund ist zwar zuzustimmen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 14.390/1995, 14.889/1997, 15.507/1999) der Bescheid einer Verwaltungsbehörde u.a. dann das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, wenn - wie zum damaligen Zeitpunkt das BVA - die bescheiderlassende Behörde als Gericht im Sinne des Art 234 Abs 3 EG eingerichtet ist und es verabsäumt, eine entscheidungsrelevante Frage der Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Ein solcher Fehler ist dem BVA bei Erlassung des angefochtenen Bescheides indes nicht unterlaufen: Der Verfassungsgerichtshof findet weder im Primärrecht noch in den einschlägigen Richtlinien, insbesondere der Rechtsmittel-RL, ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass der österreichische Gesetzgeber den Bietern in gemeinschaftsrechtswidriger Weise die Möglichkeit belassen haben könnte, die ihnen zur Verfügung gestellten Rechtsschutzinstrumentarien erst gegen Ende oder nach Abschluss eines Vergabeverfahrens zu (be)nützen. Insbesondere kann der vom Bund herangezogene Grundsatz des freien Wettbewerbs zwischen Bietern nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass der Gesetzgeber des BVergG 1997 auf Präklusionsfristen, welche letztlich den Auftraggeber schützen, weitgehend verzichtet hat. Dagegen kann auch das , Universale-Bau AG, nicht ins Treffen geführt werden, weil der EuGH darin zwar gesetzliche Ausschlussfristen für die Nachprüfung einer Entscheidung des Auftraggebers als richtlinienkonform bezeichnet, sich aber angesichts des Themas dieses Vorabentscheidungsersuchens nicht mit der Frage zu befassen hatte, ob und in welcher Weise Präklusionsfristen für eine Verwirklichung der Ziele der Richtlinie erforderlich sind.
4. Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, dass der Bund durch den angefochtenen Bescheid in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden ist, war die Beschwerde abzuweisen.
5. Der Kostenzuspruch an die mitbeteiligte Partei, der vor dem BVA erfolgreichen Gesellschaft, beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 327,-- enthalten.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.