OGH vom 30.05.2012, 15Os63/12x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richterin Mag. Weiß als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Oktay A***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, AZ 28 HR 37/12h des Landesgerichts Feldkirch, über die Grundrechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom , AZ 7 Bs 185/12g, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Oktay A***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Feldkirch führt zu AZ 6 St 10/09i ein „Maßnahmenverfahren nach § 65 Abs 5 StGB“ zur Unterbringung des Oktay A***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB.
Der österreichische Staatsbürger Oktay A***** wurde mit Urteil des ersten Schwurgerichts Sivas/Türkei vom zu AZ 2009/177, Urteilsnummer 2010/65, „schuldig“ erkannt, am in Yildizeli/Sivas/Türkei im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit („paranoide Schizophrenie“) drei Menschen getötet und zwei weitere zu töten versucht zu haben (ON 27). Er wurde in die Sicherheitsverwahrung eingewiesen, aus der er mit Urteil des ersten Schwurgerichts Sivas vom unter der Auflage entlassen wurde, sich über einen Zeitraum von zehn Jahren hindurch in dreimonatigen Abständen in einer umfassenden Gesundheitseinrichtung, die seinem Wohnsitz am nahegelegensten ist, einer Kontrollbehandlung zu unterziehen. Danach kehrte er nach Österreich zurück.
Mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom (ON 36) wurde über Oktay A***** gemäß § 429 Abs 4 StPO die vorläufige Anhaltung aus dem „Haftgrund nach § 173 Abs 6 StPO und wegen Fremdgefährdung“ verhängt.
Der dagegen vom Betroffenen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom (ON 48) nicht Folge und setzte die vorläufige Anhaltung aus denselben Gründen wie das Erstgericht fort.
Dagegen wendet sich die Grundrechtsbeschwerde des Betroffenen, die das Fehlen einer Rechtsgrundlage für das inländische Verfahren behauptet.
Rechtliche Beurteilung
Ihr Vorbringen scheitert schon am Mangel der (horizontalen) Erschöpfung des Instanzenzugs, wurde dies doch in der Beschwerde gegen die Verhängung der vorläufigen Anhaltung nicht thematisiert (RIS Justiz RS0114487).
Die Argumentation, die unter Berufung auf § 65 Abs 2 StGB behauptet, Oktay A***** würde durch das inländische Verfahren ungünstiger gestellt als nach den Gesetzen des Tatorts, ist aber auch inhaltlich nicht berechtigt. Sie übersieht nämlich, dass § 65 Abs 2 StGB auf die Verhängung einer Strafe abstellt, während § 65 Abs 5 StGB dezidiert die Anordnung zulässiger und notwendiger vorbeugender Maßnahmen gegen einen Österreicher wegen einer im Ausland begangenen strafbaren Handlung auch dann vorsieht, wenn die Gerichtsbarkeit über die Tat bereits von einem anderen Staat ausgeübt worden ist ( Fabrizy StGB 10 § 65 Rz 10; ders StPO 11 § 441 Rz 1; Höpfel/Kathrein in WK 2 § 65 Rz 18; Leukauf/Steininger StGB 3 § 65 Rz 24 f; Murschetz , WK StPO § 441 Rz 2 aE).
Es liegt auch kein Verstoß gegen die Bestimmungen der MRK vor, hindert doch die hier einschlägige Regelung des Art 4 des 7. ZPMRK nicht, dass eine Person in verschiedenen Staaten vor Gericht gestellt oder bestraft wird ( Fabrizy StPO 11 MRK Art 4 7. ZPMRK Rz 3; Grabenwarter/Pabel , EMRK 5 § 24 Rz 147).
Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2012:0150OS00063.12X.0530.000