OGH 27.08.2013, 14Os109/13f
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bandarra als Schriftführer in der Strafsache gegen Roland M***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Roland M***** und Herlinde W***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 25 Hv 64/13b-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Innsbruck verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Innsbruck übermittelt.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Roland M***** (zu 1 und 2) und Herlinde W***** (zu 1) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG, Erstgenannter auch nach Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 3 dieser Bestimmung schuldig erkannt.
Danach haben sie von bis in Wien und Innsbruck in einer Vielzahl von Angriffen vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG), Roland M***** in einer deren 25-faches übersteigenden Menge dem abgesondert verfolgten Thomas Mo***** gegen Entgelt überlassen, wobei Roland M***** gewerbsmäßig handelte und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war, und zwar
1. Roland M***** und Herlinde W***** im einverständlichen Zusammenwirken zumindest 335 Kapseln Substitol-Retard 200 mg mit einem Wirkstoffgehalt von je 150 mg Morphin (insgesamt 50,20 Gramm reines Morphin) und
2. Roland M***** alleine zumindest weitere 1.857 Kapseln Substitol-Retard 200 mg mit einem Wirkstoffgehalt von je 150 mg Morphin (insgesamt 278,55 Gramm reines Morphin).
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von Roland M***** aus den Gründen der Z 9 lit a und 10, von Herlinde W***** aus jenen der Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Roland M*****:
Der Ansatz der Rechtsrüge (Z 9 lit a), der Wirkstoff, den „das Medikament Substitol Retard der Firma Mundipharma enthält“, sei „nicht Morphin, sondern Morphinsulfatpentahydrat“, geht nicht von den anderslautenden Urteilsannahmen eines - der jeweils enthaltenen Menge Morphinsulfatpentahydrat entsprechenden - Wirkstoffgehalts von 150 Gramm reinem Morphin pro Kapsel (US 6) aus und verfehlt solcherart den (auf der Sachverhaltsebene) gerade in der Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit.
Davon abgesehen räumt die Beschwerde ohnehin ein, dass es sich auch bei Morphinsulfatpentahydrat um ein Salz des Morphins handelt (vgl dazu § 1 Abs 1 iVm Anhang I.1.b und c der Suchtgiftverordnung, wonach auch Salze [einschließlich der möglichen Salze der Ester, Äther und Molekülverbindungen sowie Salze der Isomere] Suchtgifte sind). Weshalb die Überlassung dieser Substanz an andere dennoch bloß deshalb nicht nach §§ 27 ff SMG strafbar sein sollte, weil Morphinsulfatpentahydrat nicht explizit in Anhang 1 der SGV erwähnt wird (vgl aber § 2 SGV), legt sie nicht dar.
Dass es bei der - hier in Rede stehenden - Weitergabe eines in Österreich als Medikament zugelassenen Präparats über die zur subjektiven Tatseite (auch in Betreff des mehrfachen Überschreitens der Grenzmenge [§ 28b SMG]) getroffenen Feststellungen (US 7 f) hinausgehender Konstatierungen dazu bedurft hätte, dass „ein Medikamentenabusus der potentiellen Konsumenten, denen die urteilsgegenständlichen Tabletten zukommen sollten, im die Grenzmenge übersteigenden Ausmaß in den Tätervorsatz aufgenommen war“ (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10; vgl dazu § 28b SMG, § 1 SGV), wird gleichermaßen ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz bloß behauptet (RIS-Justiz RS0116565; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).
Nichts anderes gilt für das Vorbringen der Subsumtionsrüge (Z 10), die nicht zu erklären vermag, weshalb es - trotz des festgestellten Vorsatzes in Bezug auf den durch das kontinuierliche Überlassen von Suchtgift eingetretenen Additionseffekt (US 7) - für die Subsumtion nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG erforderlich sein sollte, dass sich die Absicht auf das wiederkehrende Überlassen jeweils (also im Einzelfall) die Grenzmenge übersteigender Suchtgiftquanten richtet, und keine nachvollziehbaren Argumente für ihren ersichtlich vertretenen Rechtsstandpunkt enthält, Gewerbsmäßigkeit im Sinn des § 28a Abs 2 Z 1 SMG käme ab einem Überschreiten der Grenzmenge des § 28b SMG um mehr als das 15-fache (§ 28a Abs 2 Z 3 SMG) generell nur dann in Frage, wenn durch jede einzelne Tathandlung die einfache Grenzmenge überschritten wird (vgl RIS-Justiz RS0124018, RS0117463, RS0112225 [T11] und RS0114843 [T5]).
Mit der Forderung nach Zugrundelegung der „für die anderen quartären Salze des Morphins geltenden Grenzmenge von 20 Gramm“ orientiert sich die Rüge (Z 10) ein weiteres Mal prozessordnungswidrig nicht an den Urteilsannahmen zur Menge des durch die Weitergabe der Kapseln in Verkehr gesetzten reinen Morphins (US 6).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Herlinde W*****:
Entgegen dem der Sache nach erhobenen Einwand offenbar unzureichender Begründung (nominell Z 5 und 5a, der Sache nach Z 5 vierter Fall) haben die Tatrichter die Urteilsannahmen zum Wirkstoffgehalt nicht auf die „Behauptung der ermittelnden Behörde“, sondern auf den (gerichtsnotorischen und bereits in der Anklageschrift aufgezeigten [ON 23 f S 4]; vgl dazu Lendl, WK-StPO § 258 Rz 44; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 463; Kirchbacher, WK-StPO § 281 Rz 34; RIS-Justiz RS0119094) Umstand gestützt, dass eine Kapsel des Präparats nach den Herstellerangaben 150 mg reines Morphin enthält (US 13). Einer diesbezüglichen Beweisaufnahme oder weitergehenden Begründung bedurfte es daher nicht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 463; RIS-Justiz RS0098570).
Zur mit dem Vorbringen des Roland M***** inhaltsgleichen Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist die Beschwerdeführerin auf die obigen Ausführungen zu verweisen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch von einer nicht geltend gemachten, den Angeklagten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit (§§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall, 285e erster Satz, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt, determiniert nämlich das Einziehungserkenntnis in Bezug auf die „sichergestellten Suchtmittel und Suchtmittelutensilien“ (US 4) den Gegenstand der Einziehung nicht (vgl für viele: 13 Os 67/11v, 12 Os 160/11p), womit es hinsichtlich der nicht näher bezeichneten „Suchtmittelutensilien“ (vgl auch US 15 iVm ON 38) auch an Urteilsannahmen zur Beurteilung der von § 26 Abs 1 StGB (§ 19a StGB wurde - von der Staatsanwaltschaft unbekämpft - als Grundlage nicht herangezogen; vgl zur Rechtsnatur der Konfiskation als Strafe: Fuchs/Tipold in WK² StGB § 19a Rz 17) als Voraussetzung einer solchen Maßnahme genannten besonderen Beschaffenheit der Gegenstände fehlt (RIS-Justiz RS0121298).
Diese Nichtigkeit war vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen aufzugreifen, weil sich die Berufung der Angeklagten bloß gegen den Strafausspruch richtet. Dem Berufungsgericht ist in einem solchen Fall zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung einer die vorbeugende Maßnahme betreffenden Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO zugunsten der Angeklagten nicht möglich (vgl für viele: 13 Os 32/12y; Ratz, WK-StPO § 294 Rz 10 und § 295 Rz 7 und 14).
In Anbetracht der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Bezirksgerichts Innsbruck für die demgemäß vorbehaltene (§ 443 Abs 2 StPO), gesondert zu treffende Entscheidung über den Antrag auf Einziehung (§§ 445 Abs 3, 445a StPO) war mit Verweisung an dieses Gericht vorzugehen (§ 288 Abs 2 Z 3 letzter Satz StPO; vgl RIS-Justiz RS0100318, RS0100271; Tipold, WK-StPO § 443 Rz 98 ff).
Der Kostenausspruch, der sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Strafrecht |
Schlagworte | Strafrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2013:0140OS00109.13F.0827.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAD-90885