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VfGH vom 24.09.2014, B223/2012

VfGH vom 24.09.2014, B223/2012

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Nichtaufnahme der Arzneispezialität Nivestim in den grünen Bereich des Erstattungskodex mangels Wirtschaftlichkeit; vertretbare Annahme der Wirkstoffgleichheit des Biosimilars Nivestim und des Referenzarzneimittels Neupogen

Spruch

I. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

II. Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Die beschwerdeführende Partei beantragte am die Aufnahme der Arzneispezialitäten "Nivestim 30 Mio E/0,5ml Injektions/Infusionslösung" und "Nivestim 48 Mio E/0,5ml Injektions/Infusionslösung" in den grünen Bereich des Erstattungskodex. Dabei stufte sie die Arzneispezialität als "wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt" ohne zusätzlichen therapeutischen Nutzen iSd § 23 Abs 2 Z 1 iVm § 24 Abs 2 Z 1 der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex (im Folgenden: VO-EKO) zu einer bereits im Erstattungskodex befindlichen Arzneispezialität ein.

Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (im Folgenden: Hauptverband) forderte die beschwerdeführende Partei am gestützt auf § 20 Abs 1 VO EKO zunächst auf, ausständige Dokumente binnen 14 Tagen nachzureichen. Am teilte der Hauptverband der beschwerdeführenden Partei sodann die vorläufige Feststellung mit, dass die Möglichkeit einer vom Antrag abweichenden Entscheidung bestehe. Die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (im Folgenden: HEK) empfahl am , die Arzneispezialität "Nivestim" nicht in den grünen Bereich des Erstattungskodex aufzunehmen.

Daraufhin wies der Hauptverband mit der (als Bescheid zu qualifizierenden) Entscheidung vom den Antrag der beschwerdeführenden Partei ab und verfügte die Streichung aus dem (roten Bereich des) Erstattungskodex. Begründend führte er aus, "Nivestim" sei ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt (§351c Abs 10 Z 1 ASVG) eines im Erstattungskodex befindlichen Referenzarzneimittels ("Neupogen"), das bereits zwei wirkstoffgleiche Nachfolgeprodukte ("Ratiograstim" und "Zarzio") habe. Damit sei "Nivestim" in beiden Wirkstoffstärken das dritte Nachfolgeprodukt (iSd Eintritts in den grünen Bereich des Erstattungskodex) zu dem im grünen Bereich angeführten Erstanbieter "Neupogen". Sowohl der Erstanbieter "Neupogen" als auch der erste ("Ratiograstim") und zweite Nachfolger ("Zarzio") seien als "frei verschreibbar" im grünen Bereich des Erstattungskodex angeführt.

Die für die Aufnahme in den Erstattungskodex erforderliche Wirtschaftlichkeit von "Nivestim" als drittem Nachfolgeprodukt sei gemäß § 25 Abs 2 Z 1 VO EKO iVm § 1 Abs 1 der Ökonomischen Beurteilungskriterien der HEK nur dann gegeben, wenn der Preis um mindestens 10% unter dem des im grünen Bereich angeführten zweiten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ("Zarzio") liege. Den derzeit günstigsten Fabriks /Depotabgabepreis weise allerdings "Ratiograstim" auf, weshalb bei der Berechnung von dieser Arzneispezialität auszugehen sei. Der Preisunterschied zwischen dem ersten Nachfolgeprodukt, das am günstigsten sei, und dem zweiten Nachfolgeprodukt sei gering. Selbst wenn das teurere Produkt herangezogen würde, wäre die Wirtschaftlichkeit mit dem beantragten (näher dargestellten) Preis jedoch nicht gegeben. Zudem seien auch die weiteren Anforderungen gemäß § 25 Abs 3 Z 1 VO EKO nicht erfüllt.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde an die Unabhängige Heilmittelkommission. Diese wies die Beschwerde mit der nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Entscheidung als unbegründet ab. Dabei traf die Unabhängige Heilmittelkommission zunächst nähere Feststellungen zu dem Wirkstoff von "Nivestim" ("Filgrastim") und teilte im Ergebnis die Auffassung des Hauptverbandes, dass es sich bei "Nivestim" um ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt iSd § 351c Abs 10 Z 1 ASVG handle, das auf Grund der Ergebnisse der gesundheitsökonomischen Evaluation gemäß § 25 Abs 2 Z 1 VO EKO nicht in den Erstattungskodex aufzunehmen sei.

3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und eine Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet wird. Die beschwerdeführende Partei bringt darin insbesondere vor, dass die Unabhängige Heilmittelkommission das Arzneimittel "Nivestim" zu Unrecht als wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt iS der Vorschrift des § 351c Abs 10 Z 1 ASVG und nicht als sogenanntes Analogpräparat ("Me too"-Präparat) gemäß § 351c Abs 9 ASVG mit gleicher oder ähnlicher therapeutischer Wirkung eingestuft habe, weshalb die Vorschrift des § 351c Abs 10 Z 1 ASVG insoweit denkunmöglich angewendet worden sei. Richtigerweise hätte die Unabhängige Heilmittelkommission basierend auf der Einstufung nach § 351c Abs 9 ASVG Preisverhandlungen mit der beschwerdeführenden Partei aufnehmen müssen.

4. Die Unabhängige Heilmittelkommission legte die Verwaltungsakten vor. Der Hauptverband erstattete eine Äußerung, in der er der Auffassung der beschwerdeführenden Partei entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Rechtslage

5. Die im Beschwerdefall in Betracht zu ziehenden Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG, BGBl 189/1955, in der hier maßgeblichen Fassung lauten auszugsweise wie folgt:

1.1. Gemäß § 31 Abs 3 Z 12 ASVG gehört zu den Aufgaben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger:

"12. die Herausgabe eines Erstattungskodex der Sozialversicherung für die Abgabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers im niedergelassenen Bereich; in dieses Verzeichnis sind jene für Österreich zugelassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten aufzunehmen, die nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten und Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung (§133 Abs 2) annehmen lassen. Die Arzneispezialitäten sind nach dem anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (ATC-Code) zu ordnen. Sie sind im Erstattungskodex jeweils einem der folgenden Bereiche zuzuordnen:

a) Roter Bereich (red box): Dieser Bereich beinhaltet zeitlich befristet jene Arzneispezialitäten, die erstmalig am österreichischen Markt lieferbar sind und für deren Aufnahme in den Erstattungskodex ein Antrag nach § 351c Abs 1 gestellt wurde. Sie unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinie nach § 31 Abs 5 Z 13. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.

b) Gelber Bereich (yellow box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, die einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten und Patientinnen aufweisen und die aus medizinischen oder gesundheitsökonomischen Gründen nicht in den grünen Bereich aufgenommen werden. Arzneispezialitäten dieses Bereiches unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinie nach § 31 Abs 5 Z 13. Bezieht sich die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesen Bereich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient(inn)en, Mengenbegrenzung oder Darreichungsform), kann die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes durch eine nachfolgende Kontrolle der Einhaltung der bestimmten Verwendung ersetzt werden. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches höchstens der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.

c) Grüner Bereich (green box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger auf Grund ärztlicher Verschreibung medizinisch und gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist. Die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesem Bereich kann sich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient(inn)en oder Darreichungsform) beziehen.

d) Die Stoffe für magistrale Zubereitungen gelten als Teil des grünen Bereiches, es sei denn, sie werden auf Grund einer Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausdrücklich im gelben Bereich angeführt.

Arzneispezialitäten und Stoffe für magistrale Zubereitungen können nur dann als Leistung der Krankenbehandlung auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers abgegeben werden, wenn sie im Erstattungskodex angeführt sind (§350). In begründeten Einzelfällen ist die Erstattungsfähigkeit auch dann gegeben, wenn die Arzneispezialität nicht im Erstattungskodex angeführt ist, aber die Behandlung aus zwingenden therapeutische Gründen notwendig ist und damit die Verschreibung in diesen Einzelfällen nicht mit Arzneispezialitäten aus dem Erstattungskodex durchgeführt werden kann. Diese unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes. Die nähere Organisation und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Hauptverband in der Verordnung nach § 351g. Er hat dazu als beratendes Gremium eine Heilmittel-Evaluierungs-Kommission einzurichten."

1.2. Die §§351c ff. ASVG lauten auszugsweise:

"Erstattungskodex

Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex

§351c. (1) Das vertriebsberechtigte Unternehmen beantragt beim Hauptverband die Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder den grünen Bereich des Erstattungskodex. Mit Einlangen des Antrages, mit dem zumindest die Zulassungsnummer und ein Preis bekannt gegeben wird und dem eine Bestätigung der Lieferfähigkeit und eine Bestätigung über die Dauer der Patentlaufzeit angeschlossen ist, wird die Arzneispezialität zeitlich befristet in den roten Bereich aufgenommen. Stellt der Hauptverband innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) nach Einlangen des Antrages fest, dass die Arzneispezialität nicht in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex aufzunehmen ist, so ist sie aus dem roten Bereich des Erstattungskodex zu streichen. Der Hauptverband hat die Änderungen des Erstattungskodex monatlich im Internet kundzumachen.

(2) – (8) […]

(9) Sonderbestimmungen für den grünen Bereich (green box) des Erstattungskodex:

1. Eine Arzneispezialität wird dann in den grünen Bereich aufgenommen, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung eine gleiche oder ähnliche therapeutische Wirkung im Vergleich zu bereits im grünen Bereich vorhandenen Arzneispezialitäten festgestellt hat, und ein ausreichend großer Preisunterschied zu diesen Produkten vereinbart werden kann.

2. Wird für die beantragte Arzneispezialität ein höherer Preis, als der für die in diesem Bereich angeführten Vergleichspräparate geltende Preis angestrebt, so muss die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung einen therapeutischen Mehrwert im Vergleich zu Arzneispezialitäten im grünen Bereich feststellen.

(10) Liegt für eine Arzneispezialität ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt (Generikum) vor, so gilt zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit Folgendes:

1. Der Hauptverband hat mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts eine Preisreduktion von 30 % zu vereinbaren, womit die Arzneispezialität weiter im Erstattungskodex bleibt. Für die Aufnahme des Generikums in den Erstattungskodex vereinbart der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen einen Preis, der um 25,7 % unter dem abgesenkten Preis des Originalprodukts liegt. Alle weiteren Generika werden vom Hauptverband in den Erstattungskodex aufgenommen, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum ersten Generikum besteht. Sobald durch ein Generikum eine dritte Preisreduktion erfolgt ist, kann der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts eine neuerliche Preisreduktion vereinbaren. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen.

2. Der Hauptverband kann bei ausgewählten Indikationsgruppen zur Förderung der Verfügbarkeit eines Generikums abweichende Regelungen zur Anwendung bringen.

3. Ist abzusehen, dass bei einer Arzneispezialität trotz rechtlicher Möglichkeit in Österreich kein Generikum vorliegen wird und der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen ab diesem Zeitpunkt keine Preisreduktion vereinbaren kann, so kann der Hauptverband ein Jahr davor den Wirkstoff oder die Wirkstoffklasse auf Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausschreiben.

Entscheidung des Hauptverbandes

§351d. (1) Der Hauptverband hat über den Antrag auf Aufnahme in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) ab Antragstellung auf Grundlage der Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission zu entscheiden. Der Fristenlauf wird gehemmt, wenn die vom vertriebsberechtigten Unternehmen vorzulegenden Unterlagen (zB Studien, Gutachten usw.) nicht, nicht vollständig oder nicht in der aktuellen Fassung vorgelegt werden. Bei der Entscheidung über die Aufnahme in den Erstattungskodex sind für alle Arzneispezialitäten dieselben Prüfmaßstäbe anzulegen.

(2) Der Hauptverband hat seine Entscheidung nur dann zu begründen, wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird. Der Antragsteller ist über die Möglichkeit der Beschwerde an die Unabhängige Heilmittelkommission sowie über die Rechtsmittelfristen nach § 351i Abs 3 zu belehren.

(3) Ist ein Verfahren abgeschlossen, so ist der Hauptverband zur Entscheidung über einen neuerlichen Antrag hinsichtlich ein und derselben Arzneispezialität erst dann verpflichtet, wenn das vertriebsberechtigte Unternehmen dem Hauptverband das Vorliegen wesentlicher neuer Erkenntnisse nachweist."

"Streichung aus dem Erstattungskodex

§351f. (1) Der Hauptverband hat den Erstattungskodex regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob die angeführten Arzneispezialitäten den Prüfmaßstäben nach den §§31 Abs 3 Z 12 und 351c entsprechen. Er hat eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen, in einen anderen Bereich zu übernehmen oder die Anführung auf bestimmte Verwendungen einzuschränken, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme nicht oder nur mehr für bestimmte Verwendungen erfüllt sind, insbesondere weil neue pharmakologische oder medizinisch-therapeutische oder gesundheitsökonomische Umstände eingetreten sind. Der Hauptverband hat vor der Entscheidung, eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen oder in einen anderen Bereich zu übernehmen, dem vertriebsberechtigten Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 30 Tagen zu geben. Das vertriebsberechtigte Unternehmen legt dem Hauptverband auf Verlangen binnen 60 Tagen jene Unterlagen vor, die geeignet sind, die Zweifel aus pharmakologischer oder medizinisch-therapeutischer oder gesundheitsökonomischer Sicht auszuräumen. Allfällige Kosten für die Erstellung diesbezüglicher Gutachten oder Studien trägt das vertriebsberechtigte Unternehmen.

(2) Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen hat jede Aufhebung der Zulassung einer Arzneispezialität dem Hauptverband mitzuteilen. Die Arzneispezialität ist unverzüglich aus dem Erstattungskodex zu streichen.

Verordnungsermächtigung, Werbeverbot

§351g. (1) Die nähere Organisation zur Aufnahme einer Arzneispezialität und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Hauptverband durch Verordnung, die der Genehmigung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bedarf. Vor Genehmigung hat eine Anhörung der Wirtschaftskammer Österreich zu erfolgen. Diese Verfahrensordnung hat insbesondere Zahl, Qualität und Form der vorzulegenden Unterlagen festzulegen und Regeln darüber zu enthalten, in welchen Fällen weiterführende Studien notwendig sind. Die Verordnung ist vom Hauptverband im Internet kundzumachen.

(2) In der Verordnung nach Abs 1 wird das Verfahren der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission geregelt. Dieser Kommission sind alle Anträge auf Aufnahme (einschließlich aller Änderungen) einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex vorzulegen. Diese Kommission ist auch anzuhören, wenn der Hauptverband von sich aus eine Veränderung im Erstattungskodex beabsichtigt. Die Kommission hat dem Hauptverband insbesondere zu empfehlen,

1. ob und für welche Indikationen und Gruppen von Patienten und Patientinnen ein wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch bewertet werden kann, damit die Arzneispezialität in den gelben Bereich aufgenommen werden oder dort verbleiben kann,

2. ob und welcher therapeutische Mehrwert (Zusatznutzen für Patienten und Patientinnen) einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch bewertet werden kann, damit die Arzneispezialität in den grünen Bereich aufgenommen werden oder dort verbleiben kann,

3. ob im Sinne einer sicheren und wirtschaftlichen Versorgung der Patienten und Patientinnen ein Vergabeverfahren für Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen eingeleitet werden sollte, um günstigere Bedingungen für die Heilmittelerstattung zu erreichen (zB wenn das Preisband zu breit oder keine Nachfolge durch ein Generikum möglich ist) und

4. bei welchen medizinischen Bedürfnissen und epidemiologischen Notwendigkeiten die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger angewendet werden sollte.

Die Empfehlungen der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission haben den Kriterien der Wissenschaft, der Transparenz und der gesundheitsökonomischen Bewertungen zu entsprechen.

(3) Der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission gehören zehn Vertreter der Sozialversicherung, drei unabhängige Vertreter der Wissenschaft aus einschlägigen Fachrichtungen (Pharmakologen und Mediziner von Universitätsinstituten), je zwei Vertreter der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer und der Österreichischen Ärztekammer sowie ein Vertreter der Österreichischen Apothekerkammer an. Weiters gehört der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission eine Vertreterin/ein Vertreter der Bundesländer an, mit der/dem Empfehlungen, ob neue Arzneispezialitäten intra- und/oder extramural verabreicht werden können, abzustimmen sind, ohne dass sich die Mehrheitsverhältnisse in der Kommission dadurch ändern.

(4) Der Hauptverband hat durch Verordnung pauschalierte Kostenersätze für die Kosten der Verfahren nach den §§351c Abs 1 und 351e festzusetzen. Die Höhe der pauschalierten Kostenersätze hat sich nach den Kosten eines durchschnittlichen Verfahrens zu richten, wobei jedenfalls zwischen Verfahren zur Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex und Verfahren zur Änderung der Verschreibbarkeit oder zur Preiserhöhung der im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten zu unterscheiden ist. Die Antragsteller/Antragstellerinnen haben die Kostenersätze gleichzeitig mit der Antragstellung an den Hauptverband zu entrichten, anderenfalls der Antrag als unvollständig gilt. Die Verordnung ist im Internet zu veröffentlichen.

(5) Für die im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten, insbesondere für rezeptfreie Produkte, ist jegliche Werbung, die für die Verbraucher/innen bestimmt ist, zu unterlassen; ausgenommen von diesem Werbeverbot sind rezeptfreie Arzneispezialitäten, die vom Hauptverband von sich aus (§351c Abs 5) gegen den Willen des vertriebsberechtigten Unternehmens in den Erstattungskodex aufgenommen wurden.

Einrichtung und Zusammensetzung der Unabhängigen Heilmittelkommission

§351h. (1) Zur Überprüfung der Entscheidungen des Hauptverbandes über die Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex ist beim Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen eine Unabhängige Heilmittelkommission einzurichten.

(2) Die Unabhängige Heilmittelkommission besteht aus einem Richter (einer Richterin) des Obersten Gerichtshofes oder eines Oberlandesgerichtes als Vorsitzendem (als Vorsitzender) und sieben BeisitzerInnen. Die Mitglieder werden jeweils für eine Amtsdauer von fünf Jahren bestellt. Sachverhalte, die ein Naheverhältnis zur Sozial- oder Privatversicherung oder zu Pharmaunternehmen begründen könnten, sind vor der Bestellung sowie nach ihrem Eintreten gegenüber dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen und den nach Abs 3 vorschlagsberechtigten Stellen offen zu legen. Wer befangen ist, hat sich im konkreten Verfahren jeglicher Tätigkeit zu enthalten.

(3) Der (die) Vorsitzende der Unabhängigen Heilmittelkommission wird vom Bundesminister für Justiz bestellt. Als Beisitzer(innen) gehören der Unabhängigen Heilmittelkommission jeweils ein(e) von den nachfolgenden Organisationen vorgeschlagene(r) Vertreter(in) an:

1. Österreichische Pharmakologische Gesellschaft,

2. Österreichische Ärztekammer,

3. Österreichische Apothekerkammer,

4. Wirtschaftskammer Österreich,

5. Gesundheit Österreich GmbH,

6. Bundesarbeitskammer,

7. Hauptverband.

Die Beisitzer(innen) sowie jeweils ein(e) Stellvertreter(in) werden von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bestellt und haben über die erforderlichen Zeitressourcen zur Ausübung ihres Amtes zu verfügen.

(4) Für den (die) Vorsitzende(n) und die BeisitzerInnen sind gleichzeitig mit ihrer Bestellung und auf dieselbe Weise Stellvertreter(innen) zu bestellen. Der (die) jeweilige Stellvertreter(in) hat das Mitglied der Unabhängigen Heilmittelkommission, zu dessen Vertretung er (sie) bestellt wurde, zu vertreten, wenn dieses an der Ausübung seiner Funktion in der Unabhängigen Heilmittelkommission verhindert ist.

(5) Die Mitglieder der Unabhängigen Heilmittelkommission und ihre Stellvertreter(innen) sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und weisungsfrei; sie sind zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet. Entscheidungen der Unabhängigen Heilmittelkommission unterliegen weder der Aufhebung noch der Änderung im Verwaltungsweg. Der Bundesminister für Gesundheit hat das Recht, sich über alle Gegenstände der Geschäftsführung zu unterrichten.

(6) Ein Mitglied der Unabhängigen Heilmittelkommission ist vom bestellenden Bundesminister seines Amtes zu entheben, wenn die Bestellungsvoraussetzungen nach Abs 2 nicht mehr vorliegen oder wenn das Mitglied

1. dies beantragt oder

2. seine Pflichten nicht erfüllt oder nicht in der Lage ist, seine Pflichten zu erfüllen.

Aufgaben der Unabhängigen Heilmittelkommission

§351i. (1) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet

1. über Beschwerden des Antragstellers,

a) dessen Antrag auf Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex (teilweise) abgelehnt wurde oder

b) über dessen Antrag nicht fristgerecht (§351d Abs 1) entschieden wurde;

2. über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens, dessen Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen werden soll.

(2) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet auch über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens gegen Entscheidungen des Hauptverbandes, mit denen Forderungen nach einer Änderung der Verschreibbarkeit oder nach einer Preiserhöhung von Arzneispezialitäten abgelehnt wurden, oder wenn über diese Forderungen nicht fristgerecht (§351d Abs 1) entschieden wurde.

(3) – (5) [...]

(6) Die Unabhängige Heilmittelkommission ist beschlussfähig, wenn der (die) Vorsitzende und mindestens vier andere Mitglieder anwesend sind. Sie trifft ihre Entscheidungen mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des (der) Vorsitzenden oder seines (ihres) Stellvertreters (ihrer/seiner Stellvertreterin) den Ausschlag."

6. Die §§23 bis 25 der vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erlassenen Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach § 351g ASVG (VO EKO), Verlautbarung 47/2004 idF 106/2008, lauten auszugsweise wie folgt:

"Pharmakologische Evaluation

§23. (1) Ziel der pharmakologischen Evaluation ist:

1. Die Zuordnung und Bewertung der beantragten Arzneispezialität aus pharmakologischer Sicht im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen,

2. Die Festlegung der therapeutischen Alternativen und deren Dosierung als Grundlage für die medizinisch-therapeutische Evaluation. Soweit zweckmäßig sind dabei therapeutische Alternativen mit der gleichen oder praktisch gleichen Darreichungsform auf Basis der vierten Ebene des ATC-Codes festzulegen.

(2) Der Innovationsgrad der beantragten Arzneispezialität ist dabei wie folgt festzulegen:

1. Die beantragte Arzneispezialität hat den gleichen Wirkstoff, die gleiche Wirkstoffstärke und die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform wie bereits eine oder mehrere im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten (wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt).

2. Die beantragte Arzneispezialität hat den gleichen Wirkstoff, die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform wie bereits eine oder mehrere im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten, jedoch eine neue Wirkstoffstärke.

3. Die beantragte Arzneispezialität hat eine neue Kombination von Wirkstoffen, die bereits im Erstattungskodex angeführt sind.

4. Bei der beantragten Arzneispezialität handelt es sich um eine neue Darreichungsform eines im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffes oder einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffkombination.

5. Die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffgruppe mit einheitlich definiertem Wirkprinzip.

6. Die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff mit einem neuen Wirkprinzip zur Behandlung einer Erkrankung, zu deren Behandlung bereits Arzneispezialitäten im Erstattungskodex angeführt sind.

7. Mit der beantragten Arzneispezialität ist die erstmalige medikamentöse Behandlung einer Erkrankung möglich, welche bisher nichtmedikamentös behandelt wurde.

8. Mit der beantragten Arzneispezialität ist die erstmalige Behandlung einer Erkrankung möglich.

Medizinisch-therapeutische Evaluation

§24. (1) Ziel der medizinisch-therapeutischen Evaluation ist:

1. Die Festlegung und Quantifizierung der Gruppen von Patienten/Patientinnen, die für die Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität in Frage kommt,

2. Die Festlegung und Quantifizierung des Nutzens für Patienten/Patientinnen durch die Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen (§23 Abs 1),

3. Die Überprüfung und Festlegung der Validität der medizinisch-therapeutischen Angaben bei vorgelegten pharmakoökonomischen Studien.

(2) Die beantragte Arzneispezialität ist dabei im Rahmen einer Gesamtbetrachtung einer der folgenden Gruppen zuzuordnen:

1. Die beantragte Arzneispezialität hat keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten (§23 Abs 1), weil es sich um ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt gemäß § 23 Abs 2 Z 1 handelt.

2. Die beantragte Arzneispezialität ist eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten (§23 Abs 1).

3. Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für eine Untergruppe von Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs 1).

4. Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs 1).

5. Die beantragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für eine Untergruppe von Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs 1).

6. Die beantragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs 1).

(3) Bei der medizinisch-therapeutischen Evaluation ist auf die interne und externe Validität der Evidenz, welche den therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen belegen soll, Bedacht zu nehmen. [...]

Gesundheitsökonomische Evaluation

§25. (1) Ziel der gesundheitsökonomischen Evaluation ist die Beurteilung der beantragten Arzneispezialität im Hinblick auf eine ökonomische Krankenbehandlung im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen. Diese Evaluation basiert auf dem Ergebnis der medizinisch-therapeutischen Evaluation (§24). Dabei ist zu berücksichtigen, ob das Kosten-/Nutzenverhältnis der beantragten Arzneispezialität in Österreich gesundheitsökonomisch nachvollziehbar und vertretbar ist. Bei der Evaluation des Kosten-/Nutzenverhältnisses sind die direkten Kosten der Pflichtleistungen der Sozialversicherungsträger der Krankenbehandlung (Ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe), der Anstaltspflege (auf Basis der LKF-Punkte) sowie der medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation auf Basis der tatsächlich verrechneten Preise anzusetzen, allfällige Kostenbeteiligungen der Patienten/Patientinnen (insbesondere Selbstbehalte, Rezeptgebühr oder Behandlungsbeitrag) sind außer Ansatz zu lassen.

(2) Für die Aufnahme in den Grünen Bereich des Erstattungskodex ist wie folgt von der Wirtschaftlichkeit auszugehen:

1. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 1 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Voraussetzungen nach § 351c Abs 10 Z 1 ASVG iVm § 609 Abs 20 ASVG gegeben sind. Maßgeblich für die Feststellung der Reihenfolge ist der Zeitpunkt der Aufnahme in den Grünen Bereich; dabei sind die Anträge nach Möglichkeit in der Reihenfolge ihrer Vollständigkeit zu erledigen.

a) Die Wirtschaftlichkeit des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist somit gegeben, wenn der Preis im Jahr 2004 um mindestens 44,0 %, im Jahr 2005 um mindestens 46,0 %, ab dem Jahr 2006 um mindestens 48,0 % unter dem Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes liegt. Die Wirtschaftlichkeit des zweiten und jedes weiteren wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist somit gegeben, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum jeweils zuletzt aufgenommenen Nachfolgeprodukt gegeben ist.

b) Die Wirtschaftlichkeit des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes ist dann gegeben, wenn der Preis spätestens drei Monate nach der Aufnahme des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes um mindestens 30,0 % gesenkt wird. Spätestens drei Monate nach Aufnahme des dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes, ist der Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes neuerlich zu senken, damit die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen.

c) Gemäß § 351c Abs 10 Z 2 ASVG kann der Hauptverband zur Förderung der Verfügbarkeit von wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukten auf Empfehlung der HEK für bestimmte Wirkstoffe abweichende Regelungen anwenden, um das finanzielle Gleichgewicht der sozialen Krankenversicherungsträger zu gewährleisten.

2. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 2 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität ausreichend unter den vergleichbaren Behandlungskosten mit dem im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs 9 Z 1 ASVG).

3. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 3 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität im geringen Ausmaß über den vergleichbaren Behandlungskosten mit der im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs 9 Z 2 ASVG).

4. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 4 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität angemessen über den vergleichbaren Behandlungskosten mit der im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs 9 Z 2 ASVG).

5. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 5 und 6 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist, insbesondere im Hinblick auf das zu erwartende Kosten/Nutzenverhältnis für die definierte Gruppe von Patienten/Patientinnen (§351c Abs 9 Z 2 ASVG). Dies ist vom antragstellenden Unternehmen anhand einer pharmakoökonomischen Studie nachzuweisen. Der Hauptverband kann bei Offensichtlichkeit auf die Vorlage der pharmakoökonomischen Studie durch das antragstellende Unternehmen vorläufig verzichten.

(3) Weiters gelten für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit für die Aufnahme in den Grünen Bereich folgende zusätzliche Voraussetzungen:

1. Wird die Aufnahme von Arzneispezialitäten mit gleichem(n) Wirkstoff(en) und gleicher (praktisch gleicher) Darreichungsform, jedoch mehreren Wirkstoffstärken in den Grünen Bereich des Erstattungskodex gleichzeitig beantragt, ist in allen Fallgruppen nach Abs 2 von der Wirtschaftlichkeit nur dann auszugehen, wenn mit dem Preis für annähernd gleiche Packungen (Packungsgröße) unabhängig von der Wirkstoffstärke im wesentlichen gleiche Behandlungskosten erreicht werden. Ausgangspunkt bildet die Wirkstoffstärke, die gemäß Fachinformation, klinischen Studien oder auf Grund der Erfahrungen in der Praxis für eine Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität hauptsächlich angewendet wird ('Schlüsselstärke'). In vom antragstellenden Unternehmen zu begründenden Einzelfällen kann im Einvernehmen mit dem Hauptverband folgender Ansatz herangezogen werden: Die Preise werden im Verhältnis zur Dosierungsstärke abgestuft, wobei für die doppelte Wirkstoffstärke grundsätzlich ein um maximal 67 % höherer Preis akzeptiert werden kann.

2. Der Preis der beantragten Arzneispezialität muss in allen Fallgruppen nach Abs 2 unter dem EU-Durchschnittspreis liegen.

(4) – (6) [...]"

7. § 1 Abs 1 der von der HEK erlassenen Ökonomischen Beurteilungskriterien lautet wie folgt:

"§1. (1) Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 1 VO EKO ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Voraussetzungen nach § 351c Abs 10 Z 1 ASVG iVm § 609 Abs 20 ASVG gegeben sind. Maßgeblich für die Feststellung der Reihenfolge ist der Zeitpunkt der Aufnahme in den Grünen Bereich.

1. Die Wirtschaftlichkeit des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist somit gegeben, wenn der Preis im Jahr 2004 um mindestens 44,0 %, im Jahr 2005 um mindestens 46,0 %, ab dem Jahr 2006 um mindestens 48,0 % unter dem Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes liegt. Die Wirtschaftlichkeit des zweiten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist gegeben, wenn der Preis um mindestens 15,0 % unter dem Preis des im Grünen Bereich angeführten ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes liegt. Die Wirtschaftlichkeit des dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist gegeben, wenn der Preis um mindestens 10,0 % unter dem Preis des im Grünen Bereich angeführten zweiten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes liegt. Die Wirtschaftlichkeit jedes weiteren wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist gegeben, wenn der Preis um mindestens 0,10 € unter dem Preis des günstigsten im Grünen Bereich angeführten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes gegeben ist. Falls diese Preissenkung zu keiner Änderung des Kassenverkaufspreises gemäß Österreichischer Arzneitaxe führt, ist das Ausmaß der Preissenkung entsprechend zu erhöhen.

2. Die Wirtschaftlichkeit des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes ist dann gegeben, wenn der Preis spätestens drei Monate nach der Aufnahme des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes um mindestens 30,0 % gesenkt wird. Spätestens drei Monate nach Aufnahme des dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes, ist der Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes, des im Grünen Bereich angeführten ersten Nachfolgeproduktes und des im Grünen Bereich angeführten zweiten Nachfolgeproduktes mindestens auf den Preis des dritten im Grünen Bereich angeführten Nachfolgeprodukt zu senken, damit die Wirtschaftlichkeit gegeben ist.

3. Zur Förderung der Verfügbarkeit von wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukten für bestimmte Wirkstoffe kann folgende abweichende Regelung angewendet werden, um das finanzielle Gleichgewicht der sozialen Krankenversicherungsträger zu gewährleisten: Der Kassenumsatz des zweitvorangegangen Kalenderjahres des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes übersteigt nicht 50.000,-- € (auf Basis des Preises ohne Umsatzsteuer). In diesem Fall ist für das erste wirkstoffgleiche Nachfolgeprodukt eine Preissenkung in zwei Stufen zulässig, wobei die Preissenkung der 1. Stufe und der 2. Stufe mindestens jeweils die Hälfte der für die Wirtschaftlichkeit notwendigen Preissenkung beträgt, so dass der Preis des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes mit der 2. Stufe mindestens 48,0 % unter dem Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes liegt. Die 1. Stufe der Preissenkung ist zum Zeitpunkt der Aufnahme in den Grünen Bereich, die 2. Stufe der Preissenkung spätestens sechs Monate nach Aufnahme in den Grünen Bereich durchzuführen.

4. Wird zwischen dem Hauptverband und einem vertriebsberechtigten Unternehmen vor Aufnahme des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes eine Preissenkung für ein Originalprodukt vereinbart, so kann einvernehmlich festgelegt werden, dass die Preisreduktion auf die Preissenkung gemäß Z 2 (bzw. § 25 Abs 2 z 1 litb VO EKO und § 351c Abs 10 lit 1 ASVG) angerechnet wird. Die Wirtschaftlichkeit des Originalproduktes ist nach Aufnahme des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes aber jedenfalls nur dann gegeben, wenn der Preis des Originalproduktes spätestens 3 Monate nach Aufnahme des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes um mindestens 30 % unter dem ursprünglichen Preis liegt. Die Wirtschaftlichkeit des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist in diesen Fällen abweichend von den Angaben der Z 1 und § 25 Abs 2 Z 1 lita VO EKO dann gegeben, wenn der Preis um mindestens 48 % (im Jahr 2005 46 %) unter dem ursprünglichen Preis des Originalproduktes und 25,7 % (im Jahr 2005 22,9 %) unter dem vollständig abgesenkten Preis des Originalproduktes liegt. Den vertriebsberechtigten Unternehmen steht es frei sich beim Hauptverband zu erkundigen, welcher Preis für ein erstes wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt maximal gefordert werden darf, damit die Wirtschaftlichkeit im Sinne des § 25 Abs 1 VO EKO gegeben ist."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Die beschwerdeführende Partei wirft zunächst selbst die Frage der Zulässigkeit ihrer Beschwerde auf, und zwar mit der Begründung, dass die Entscheidung der belangten Behörde bei ihrer mündlichen Verkündung ohne Spruch und Begründung protokolliert und daher nicht ordnungsgemäß erlassen worden sei. Dieses Beschwerdevorbringen kann schon deshalb auf sich beruhen, weil sich die Beschwerde gegen die der mündlichen Verkündung nachfolgend zugestellte schriftliche Ausfertigung dieser Entscheidung richtet, die mit der Zustellung dieser Ausfertigung jedenfalls ordnungsgemäß erlassen worden ist. Daher muss nicht untersucht werden, ob die Entscheidung schon vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung mündlich wirksam erlassen worden war (vgl. dazu u.a.), denn selbst ein allfälliger Mangel des Zustandekommens der mündlich verkündeten Entscheidung hätte keine Auswirkung auf die rechtliche Wirksamkeit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung. Eine Abweichung des Inhalts der schriftlich erlassenen von jenem einer wirksam mündlich verkündeten Entscheidung behauptet die beschwerdeführende Partei nicht.

1.2. Da auch andere Verfahrenshindernisse nicht hervorgekommen sind, ist die Beschwerde zulässig.

2. In der Sache

2.1. Soweit die Beschwerde die Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über die HEK wegen Unbestimmtheit der gesetzlichen Grundlagen behauptet, vermag der Verfassungsgerichtshof diese Bedenken nicht nachzuvollziehen: Abgesehen davon, dass die HEK ein beratendes Gremium des Hauptverbandes ohne Behördenfunktion ist (vgl. VfSlg 19.631/2012), legt § 351g Abs 3 ASVG unmissverständlich fest, aus welchen Institutionen bzw. wissenschaftlichen Fachrichtungen Vertreter in welcher Zahl der HEK angehören. Auch wenn diese Kommission in Abhängigkeit vom tatsächlichen Sachverstand ihrer Mitglieder die "unterschiedlichsten Ausprägungen erfahren kann", wie die beschwerdeführende Partei meint, so macht allein dieser Umstand die Norm nicht unbestimmt.

2.2. Soweit die beschwerdeführende Partei ferner behauptet, das Verfahren zur Verordnungserlassung sei gleichheitswidrig geregelt, weil das Gesetz in § 351g Abs 1 zweiter Satz ASVG zwar die Anhörung der Wirtschaftskammer, nicht aber der Bundesarbeitskammer anordne, so ist ihr zu entgegnen, dass für die Erlassung von Regelungen über die Aufnahme von Medikamenten in den Erstattungskodex nicht ein Ausgleich zwischen Interessen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer erforderlich ist. Es ist schon deshalb nicht gleichheitswidrig, wenn die genannte Gesetzesbestimmung die Anhörung der Bundesarbeitskammer in diesem Verfahren nicht vorsieht. Da die auf die vorstehende Argumentation gegründete Behauptung der Gesetzwidrigkeit der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach § 351g ASVG auf der (nach dem Gesagten unzutreffenden) Prämisse der Verfassungswidrigkeit ihrer gesetzlichen Grundlage beruht, ist auf sie nicht weiter einzugehen.

2.3. Im Mittelpunkt der Beschwerde steht – gerügt als denkunmögliche Gesetzesanwendung des § 351c Abs 10 Z 1 ASVG, die der Verfassungsgerichtshof als Behauptung einer gehäuften Verkennung der Rechtslage und damit einer Verletzung des Gleichheitssatzes versteht – die Frage, ob die belangte Behörde das zur Aufnahme in den grünen Bereich des Erstattungskodex beantragte Arzneimittel "Nivestim 30 Mio E/0,5ml Injektions/Infusionslösung" bzw. "Nivestim 48 Mio E/0,5ml Injektions/Infusionslösung" zu Recht als "wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt" iSd § 351c Abs 10 Z 1 ASVG nach dem Original-Arzneimittel "Neupogen" eingestuft hat und daraus abgeleitet auf der Ebene der medizinisch-ökonomischen Evaluation die entsprechenden – negativen – Schlussfolgerungen ziehen durfte.

2.3.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Unabhängige Heilmittelkommission der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.

Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Unabhängige Heilmittelkommission diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Unabhängige Heilmittelkommission Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

2.3.1.1. Nach den Feststellungen der angefochtenen Entscheidung ist "Nivestim" ein sogenanntes Biosimilar zu "Neupogen". Bei dem in beiden Arzneien enthaltenen Wirkstoff "Filgrastim" handelt es sich nach diesen Feststellungen um ein biotechnologisch hergestelltes "G-CSF" (Granulocyte-Colony Stimulating Factor), entsprechend einem körpereigenen Peptidhormon, das als Cytokin unter anderem bei Entzündungen vom Körper ausgeschüttet wird und die Bildung von Granulozyten (eine bestimmte Art von Leukozyten) im Knochenmark anregt und damit deren Zahl im Blut vermehrt. Die Herstellung von "Filgrastim" erfolgt in Kulturen von "Escherichia Coli", einem Bakterium, das im menschlichen und tierischen Darm vorkommt.

2.3.1.2. "Nivestim" ist das vierte Filgrastim-Produkt im Erstattungskodex. Da es sich bei "Filgrastim" um einen in einem biotechnologischen Verfahren hergestellten protein-basierten Wirkstoff handelt, wird "Filgrastim" als sogenanntes Biologikum bezeichnet. Für wirkstoffgleiche Nachfolgeprodukte von Biologika (genannt: "Biosimilars") müssen im Rahmen der Zulassungsverfahren neben der für Generika üblichen Bioäquivalenzprüfung zum Nachweis der pharmakokinetischen Äquivalenz auch klinische Studien zur Gleichwertigkeit der pharmakodynamischen bzw. therapeutischen Effekte vorgelegt werden (vgl. § 10 Abs 8 Arzneimittelgesetz – AMG). Der internationale Freiname "Filgrastim" wird für rekombinant hergestellte humane G-CSF nur vergeben, wenn dieser ebenso wie jener für das Originalpräparat "Neupogen" in Kulturen von Escherichia Coli hergestellt wird. Präparationen aus anderen Produktionsverfahren erhalten andere internationale Freinamen und stimmen mit "Filgrastim" nur auf der vierten Ebene des ATC-Codes überein, nicht aber auch – wie "Nivestim" – auf der fünften Ebene.

Diese Feststellungen der belangten Behörde zieht die beschwerdeführende Partei nicht in Zweifel.

2.3.2. Der Begriff des wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukts iS des § 351c Abs 10 Z 1 ASVG umfasst zwar jenen des Generikums, er erschöpft sich darin aber nicht vollständig (vgl. zB VfSlg 19.714/2012). Daher geht die formale Argumentation der Beschwerde, die sich ausschließlich mit den arzneimittelrechtlichen Unterschieden zwischen einem Generikum und einem Biosimilar befasst und auf der Prämisse beruht, dass von § 351c Abs 10 Z 1 ASVG nur Generika im arzneimittelrechtlichen Sinne erfasst werden, am hier zu lösenden Problem vorbei.

2.3.3. Den von der beschwerdeführenden Partei für ihren Standpunkt ins Treffen geführten Bestimmungen des § 10 Abs 8 AMG und des § 10 Abs 4 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel idF der Richtlinie 2004/27/EG liegt – wie deren Wortlaut zeigt – entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht die Auffassung zugrunde, dass Biosimilars und wirkstoffgleiche Nachfolgeprodukte notwendigerweise und immer etwas Verschiedenes sein müssen.

2.3.4. Die belangte Behörde durfte daher in vertretbarer Weise davon ausgehen, dass es für die Einstufung nach den gesetzlichen Aufnahmekriterien des Erstattungskodex auf das Vorliegen des gleichen Wirkstoffs, dessen Bioäquivalenz (bzw. deren Biosimilarität) und auf die Gleichartigkeit der therapeutischen Effekte ankommt (deren Vorliegen die beschwerdeführende Partei auch in der Beschwerde nicht bestreitet), nicht aber auch darauf, ob es sich in jeder Hinsicht um ein Generikum im technischen Sinne handelt: Denn nach dem Zweck der Norm des § 351c Abs 10 ASVG soll sich lediglich jener wirtschaftliche Vorteil, der sich aus dem Wegfall der Entwicklungskosten ergibt und der es nach Ablauf des Patentschutzes auch anderen als dem Vertreiber des Referenzarzneimittels ermöglicht, den betreffenden Wirkstoff wesentlich kostengünstiger herzustellen, auch auf den Preis auswirken, zu welchem ein solcherart wirkstoffgleiches Arzneimittel nach Aufnahme in den Erstattungskodex auf Kosten eines Sozialversicherungsträgers abgegeben werden darf. Ein solcher Vorteil tritt bei der Erzeugung "wirkstoffgleicher Nachfolgeprodukte" unabhängig davon ein, ob es sich um ein Generikum im technischen Sinne, um ein völlig baugleiches Nachfolgeprodukt des Patentinhabers oder um ein (allenfalls auch nur ausnahmsweise) wirkstoffgleiches Biosimilar handelt.

2.3.5. Im vorliegenden Fall hat die beschwerdeführende Partei bei der Antragstellung eine Einstufung gemäß § 23 Abs 2 Z 1 VO EKO vorgenommen und damit selbst das Vorliegen eines "wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukts" vorgebracht. Die von der beschwerdeführenden Partei nicht in Zweifel gezogene behördliche Feststellung der Übereinstimmung des in "Nivestim" enthaltenen Wirkstoffes "Filgrastim" mit jenem im Originalprodukt auf der fünften Ebene des ATC-Codes (vgl. dazu Seyfried , § 351c, in: Sonntag (Hrsg.), ASVG 5 , 2014, Rz 48) stützt – entgegen dem Beschwerdevorbringen – zumindest die Feststellung des Vorliegens der Wirkstoffgleichheit ( Seyfried , § 351c, in: Sonntag (Hrsg.), ASVG 5 , 2014, Rz 49 f.; auch Schmoll , Noch einmal: Biosimilars im österreichischen Arzneimittel- und Arzneimittelerstattungsrecht, RdM 2010/124, 140 f. [145] räumt bei ansonsten kritischer Haltung ein, dass dieser Schluss "eine gewisse Berechtigung" habe; aA, aber generalisierend, Ofner , Biosimilars sind nicht "gleich", sondern nur "ähnlich", RdM 2013/12, 27). Letztlich entscheidend für die Anwendbarkeit von § 351c Abs 10 ASVG im vorliegenden Fall ist die gleiche therapeutische Wirksamkeit und damit die Austauschbarkeit der Mittel ( Rebhahn, § 351c, in: Mosler/Müller/Pfeil (Hrsg.), SV-Komm, 44. Lfg., Rz 80). Da das Vorliegen der Bioäquivalenz unstrittig ist, ist es vor dem Hintergrund des Normzwecks des § 351c Abs 10 ASVG nicht denkunmöglich, wenn die Unabhängige Heilmittelkommission § 351c Abs 10 Z 1 ASVG auf das Biosimilar "Nivestim" angewendet hat.

2.3.6. Allfällige Unterschiede, die im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren zwischen Biosimilars und sonstigen wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukten gemacht werden (vgl. dazu Schmoll , aaO, 140), stehen der Denkmöglichkeit der Annahmen der belangten Behörde nicht entgegen, da es nach den erstattungsrechtlichen Bestimmungen bei der (definitionsgemäßen) gleichen Wirksamkeit und Darreichungsform, aber gleichzeitigem Fehlen eines zusätzlichen therapeutischen Nutzens des Nachfolgeprodukts im Verhältnis zum Referenzarzneimittel entscheidend darauf ankommt, ob sich aus der Aufnahme in den Erstattungskodex ökonomische Vorteile für das Sozialversicherungssystem ergeben. Diese erforderlichen ökonomischen Vorteile sind zwar nicht im Falle eines vom Referenzprodukt abweichenden Wirkstoffes mit (annähernd) identer therapeutischer Wirkung, wohl aber im Fall eines "wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukts" auf Grund vergleichbarer wirtschaftlicher Begleitumstände, die auf Durchschnittsannahmen des Gesetzgebers beruhen, in § 351c Abs 10 ASVG weitgehend standardisiert geregelt.

Unter der vertretbaren Annahme der Behörden, dass "Nivestim" keinen vom Referenzprodukt abweichenden Wirkstoff aufweist, ist es auch nicht denkunmöglich, wenn die belangte Behörde nicht vom Vorliegen eines sogenannten "Me too"-Medikaments (vgl. Rebhahn , § 351c, in: Mosler/Müller/Pfeil (Hrsg.), SV-Komm, 44. Lfg., Rz 65) oder eines Analogpräparates im Sinne des § 351c Abs 9 Z 1 ASVG ausgegangen ist.

3. Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen sohin nicht vor. Ob die angefochtene Entscheidung in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde – wie hier – gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag richtet, die gemäß dem (im vorliegenden Fall weiterhin anzuwendenden) Art 133 Z 4 B VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung nicht mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden kann (zB VfSlg 9541/1982 mwN).

IV. Ergebnis

8. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Partei in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

9. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

10. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:B223.2012