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OGH vom 24.01.2017, 10Ob84/16z

OGH vom 24.01.2017, 10Ob84/16z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Schramm als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Gesellschaft mbH in Liquidation, *****, vertreten durch Mag. Franz Kienast, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 560.000 EUR sA (Revisionsinteresse 187.000 EUR), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 41/16p-71, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 25 Cg 37/12z-60, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Kaufvertrag vom kaufte die beklagte Partei von einer anderen Gesellschaft eine Liegenschaft in Wien. Im Kaufvertrag wurde festgehalten, dass die Verkäuferin bereits einen Antrag auf Baugenehmigung zur Errichtung einer Wohnhausanlage auf der Liegenschaft gestellt habe und die Käuferin dieses Wohnbauprojekt übernehme.

Die beklagte Partei schloss mit der klagenden Partei am einen Vertrag über die Erbringung von Bauträgerleistungen (Blg/A), der folgende Honorarvereinbarung enthält:

„Projektkosten: Als Projektkosten für die Leistungen der [klagenden Partei] im Zusammenhang mit der Projektentwicklung und der weiteren Projektbetreuung wird ein Honorar von EUR 700.000,--, aliquot aufgeteilt auf das Bauträger- und Anlageprojekt vereinbart. Zahlung 1/3 bei Baubewilligung, 1/3 bei Rohbaufertigstellung, 1/3 bei Gesamtfertigstellung und Übergabe bzw Abverkauf der Wohnungen.“

Die Parteien trafen keine Vereinbarung für den Fall des Scheiterns des Projekts bzw dass Baugenehmigungen nicht rechtskräftig erteilt würden. Im Jahr 2011 erlangte die klagende Partei Kenntnis davon, dass das Bauprojekt von der beklagten Partei nicht weitergeführt wird.

Die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung betreffend die von der klagenden Partei geschuldeten Leistungen ist nicht präzise definiert. Bezogen auf die vereinbarten Gesamtleistungen der klagenden Partei hat diese rund 55,6 % der geschuldeten Leistung erbracht. Die beklagte Partei leistete eine Zahlung von 280.000 EUR (brutto) an die klagende Partei. Es kann nicht festgestellt werden, dass die klagende Partei ihre Leistungen – entgegen den mit der beklagten Partei getroffenen Vereinbarungen – mangelhaft erbracht hätte.

Soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz stellte das Erstgericht die Klageforderung von 560.000 EUR sA als mit 187.000 EUR zu Recht bestehend und die eingewendeten Gegenforderungen als nicht zu Recht bestehend fest. Die beklagte Partei wurde daher verpflichtet, der klagenden Partei 187.000 EUR sA zu zahlen, während das Mehrbegehren von 373.000 EUR sA abgewiesen wurde.

Der klagenden Partei stehe ein Honorar (nur) für die tatsächlich und mangelfrei erbrachten Leistungen zu. Da die klagende Partei rund 55,6 % der geschuldeten Leistungen (mangelfrei) erbracht habe, ergebe sich unter Anrechnung der bereits geleisteten Zahlung von 280.000 EUR (brutto) ein noch offener Betrag von 187.000 EUR brutto. Die Gegenforderungen der beklagten Partei seien unberechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es bestätigte das Ersturteil im Umfang des Zuspruchs von 187.000 EUR sA als Teilurteil und ließ die Revision im Hinblick auf die Einzelfallabhängigkeit der Entscheidung nicht zu. Hinsichtlich der Abweisung von 373.000 EUR sA hob es das Ersturteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde nicht zugelassen.

Das Berufungsgericht sah die Berufung wegen Nichtigkeit als nicht ausgeführt an, verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, sah die Tatsachenrüge als unberechtigt an und qualifizierte die Rechtsrüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt bzw als nicht begründet.

Gegen den Zuspruch von 187.000 EUR richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei, in der sie als Revisionsgründe Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung benennt und die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.

Als erhebliche Rechtsfrage bezeichnet die beklagte Partei die Frage, ob auf den von der klagenden Partei geltend gemachten Entgeltanspruch die Bestimmungen über den Werkvertrag (insbesondere § 1168 Abs 1 ABGB) oder etwa jene über den Bevollmächtigungsvertrag nach den §§ 1002 ff ABGB anzuwenden seien. Klärungsbedürftig sei auch das Verhältnis von dispositivem Recht und ergänzender Vertragsauslegung bei „gemischten“ Verträgen. Zur Frage der Beweislast hinsichtlich des Versäumens von Erwerbsgelegenheiten stelle die Entscheidung des Berufungsgerichts eine „Überraschungsentscheidung“ dar. Zur Anwendbarkeit und Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO sei das Berufungsgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen. Auch zur Frage, wie der Sachverständige zu seinen Befundgrundlagen gelange, fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung (in der mehr oder minder ungeprüften Übernahme der Ergebnisse des Sachverständigen durch das Erstgericht und der unzureichenden Begründung für diese Vorgangsweise liege auch eine Nichtigkeit des Verfahrens gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage dargestellt.

1. Vorweg ist klarzustellen, dass allein der bestätigende Teil der Entscheidung des Berufungsgerichts den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet. Darin geht es um das Entgelt für die von der klagenden Partei tatsächlich bereits erbrachten Leistungen. Insoweit spielt es keine Rolle, ob auf den hier zu beurteilenden Entgeltanspruch die Bestimmungen des ABGB über den Werkvertrag oder jene über den Bevollmächtigungsvertrag anzuwenden sind.

Die klagende Partei hätte selbst dann, wenn die Bestimmungen über den Bevollmächtigungsvertrag herangezogen werden, gemäß § 1020 ABGB sowohl bei Widerruf durch den Machtgeber als auch bei Verhinderung durch einen Zufall Anspruch auch auf einen der Bemühung angemessenen Teil der (vereinbarten) Belohnung. Nach den Regeln über den Werkvertrag kann der Unternehmer bei teilweiser Vereitelung jedenfalls jenen Teil des vereinbarten Entgelts verlangen, der auf die bereits geleistete Arbeit entfällt (§ 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB; zuletzt 1 Ob 81/06b; RIS-Justiz RS0021919). Soweit sich die beklagte Partei auf eine Mangelhaftigkeit der Leistungen der klagenden Partei beruft, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

2. Der behauptete Verstoß gegen die §§ 182, 182a ZPO betrifft lediglich den Teil des Klagebegehrens, den das Erstgericht abgewiesen hat und hinsichtlich dessen das Berufungsgericht das Ersturteil aufgehoben hat. Ein untrennbarer Zusammenhang des gegenständlichen Teilurteils mit dem Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss (8 Ob 87/14y = RIS-Justiz RS0040804 [T4]) liegt nicht vor.

3. Mit ihrer Rüge einer Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO bzw eines Begründungsmangels wendet sich die beklagte Partei, soweit sie damit die Befunderhebung durch den Sachverständigen moniert, in unzulässiger Weise gegen die im Revisionsverfahren nicht mehr anfechtbaren Tatsachenfeststellungen samt Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0069246 [T1, T 2] uva). Zum Tatsachenbereich gehört auch die Frage, ob ein eingeholtes Sachverständigengutachten schlüssig und nachvollziehbar ist und die von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen rechtfertigt (RIS-Justiz RS0043320 [T12, T 21]). Diese Rechtsmittelbeschränkung kann nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RIS-Justiz RS0043371 [T28], RS0043150 [T8] ua).

Im Übrigen hat die beklagte Partei ihre unter diesem Revisionsgrund gegen das erstinstanzliche Verfahren vorgebrachten Einwände (wenn auch kürzer und teilweise anders formuliert) inhaltlich bereits in ihrer im Berufungsverfahren erhobenen Mängelrüge geltend gemacht. Das Berufungsgericht ist darauf (primär im Rahmen der Behandlung der Beweisrüge) inhaltlich eingegangen und hat die Einwände abgelehnt, weshalb diese Gründe – unabhängig davon, ob sie als Nichtigkeit oder Mangelhaftigkeit des Verfahrens qualifiziert werden – im Revisionsverfahren nicht neuerlich mit Erfolg geltend gemacht werden können (siehe etwa RIS-Justiz RS0042963 zur Mangelhaftigkeit und RS0042981 zur Nichtigkeit). Dieser Grundsatz kann ebenfalls nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Rüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben (RIS-Justiz RS0042963 [T58] zur Mangelhaftigkeit sowie ähnlich RS0042981 [T5, T 7 und T 14] zur Nichtigkeit).

4. Die Behauptung der beklagten Partei, im Berufungsurteil fehle eine Begründung, warum dem Ergebnis des ersten Gutachtens und nicht jenem des Ergänzungsgutachtens zu folgen sei, trifft nicht zu. Das Berufungsgericht ist im Rahmen seiner Ausführungen zu § 273 ZPO auch auf die vermeinte Diskrepanz zwischen diesen beiden Gutachten eingegangen und hat darlegt, warum diese bei näherer Betrachtung nicht vorliegt.

5. Die Entscheidung des Gerichts darüber, ob es § 273 ZPO anwenden darf, ist eine rein verfahrensrechtliche Entscheidung und daher mit Mängelrüge zu bekämpfen (RIS-Justiz RS0040282, RS0040364 [T7]), wogegen das Ergebnis einer nach § 273 ZPO erfolgten Betragsfestsetzung als revisible rechtliche Beurteilung zu qualifizieren ist (RIS-Justiz RS0111576, RS0040341).

Soweit das Berufungsgericht die Anwendbarkeit des § 273 ZPO billigte (die Ausführungen des Erstgerichts können in diesem Sinn verstanden werden), ist eine Überprüfung im Revisionsverfahren nicht mehr möglich (RIS-Justiz RS0040282 [T8]).

Die Betragsfestsetzung nach § 273 ZPO und ihre ausführliche Begründung durch das Berufungsgericht ist nicht zu beanstanden. Eine auch im Einzelfall aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts (RIS-Justiz RS0121220, RS0007104 [T2]) liegt jedenfalls nicht vor. Auch ein Sachverständigengutachten kann die Grundlage für eine Ermessensentscheidung nach § 273 ZPO liefern (RIS-Justiz RS0040440 [T1]).

6. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision der beklagten Partei zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0100OB00084.16Z.0124.000

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