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OGH vom 27.03.2007, 11Os142/06a

OGH vom 27.03.2007, 11Os142/06a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Egger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Eugen S***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 36 Hv 126/06s-157, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, des Vertreters der Finanzämter Kufstein und Schwaz als Finanzstrafbehörde I. Instanz Mag. Grauß-Auer, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Eder zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil - das im Übrigen unberührt bleibt - im Freispruch des Angeklagten Eugen S***** (auch) von den dem bereits am in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch B. iVm A.2.3.1. und A.2.3.2. des Urteiles des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 22 Hv 173/02v-128, zu Grunde liegenden Taten sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Eugen S***** wird für die ihm aufgrund des zitierten Urteiles zur Last liegenden Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung als Beteiligter nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit a FinStrG nach § 33 Abs 5 FinStrG zu einer Geldstrafe von 10.000 (zehntausend) Euro, für den Fall deren Uneinbringlichkeit zu 20 (zwanzig) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Damit sind nicht die Folgen einer gerichtlichen Verurteilung, sondern jene einer Ahndung durch die Finanzstrafbehörde verbunden. Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Franz H***** und Eugen S***** wurden mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 22 Hv 173/02v-128, „des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1, Abs 2 lit a FinStrG, Franz H***** auch nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG" schuldig erkannt.

Danach haben - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung -

A. Franz H***** im Zuständigkeitsbereich der Finanzämter Kufstein und Schwaz vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Abgabenverkürzungen herbeigeführt und somit Abgabenhinterziehungen bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar:


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1.
...
2.
durch Hinterziehung von Umsatz- und Ertragssteuern mittels nicht verbuchter Betriebseinnahmen, fingierter oder überhöhter Rechnungen und Gutschriften

2.1. ...

2.2. ...

2.3. als Geschäftsführer der ST***** GmbH durch Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen aus überhöhten Rechnungen und Unterlassung der Versteuerung von Gutschriften jeweils der T***** GmbH, und zwar:

2.3.1. im Februar 1997 durch Vortäuschen eines Lastkraftwagenkaufes und Geltendmachung eines ungerechtfertigten Vorsteuerabzuges in Höhe von 24.200,05 Euro sowie durch Nichterfassung der Rechnungsstornierung und Verbergen des dahinter stehenden Darlehens;

2.3.2. im Juli 1997 durch Vortäuschen des Kaufes von Fahrzeugen von der T***** GmbH und Geltendmachung eines ungerechtfertigten Vorsteuerabzuges in Höhe von 4.651,06 Euro;

2.3.3. ...

B. „Eugen S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Franz H***** in den Jahren 1992, 1993 und 1997 (richtig nur: 1992 und 1997) vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Abgabenverkürzungen herbeigeführt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, indem er in den unter A.2.1.2. (Rechnung vom , 149.706,04 Euro und Rechnung vom , 150.069,40 Euro), A.2.3.1. und A.2.3.2. (24.200,05 Euro und 4.651,06 Euro) angeführten Fällen Rechnungen der T***** GmbH über Lieferungen fingierte, wobei diesen entweder überhaupt keine Lieferungen zu Grunde lagen oder nur ein Teil der fakturierten Fahrzeuge geliefert wurde, Schaden 328.626,55 Euro."

Mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom , GZ 11 Os 115/05d-9, wurde die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H***** zurückgewiesen, sodass sein Schuldspruch in Rechtskraft erwuchs. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** wurde teilweise Folge gegeben, der die Rechnungen vom (strafbestimmender Wertbetrag 149.706,04 Euro) und vom (strafbestimmender Wertbetrag 150.069,40 Euro) betreffende Teil des Schuldspruchpunktes B. sowie der Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Im Übrigen wurde die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** zurückgewiesen. Demnach erwuchs der Schuldspruch des Genannten zu B., soweit dieser (richtig:) einen Tatbeitrag nach § 11 dritter Fall FinStrG zu Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung (nur) nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (vgl S 7 in 11 Os 115/05d-9) zu den unter A.2.3.1. und A.2.3.2. angeführten strafbaren Handlungen des Franz H***** (mit strafbestimmenden Wertbeträgen von 24.200,05 Euro und 4.651,06 Euro) betrifft, in Rechtskraft.

Mit dem nun angefochtenen Urteil wurde Eugen S***** im zweiten Rechtsgang von der Anklage der Staatsanwaltschaft Innsbruck (ON 77) zur Gänze (samt einem verfehlten, aber unschädlichen Freispruch von der rechtlichen Kategorie, vgl Fabrizy StPO9 § 259 Rz 16) gemäß § 214 Abs 1 FinStrG freigesprochen und festgehalten, dass „gemäß § 390 Abs 1 StPO der Bund die Verfahrenskosten trägt".

Zu den von der Aufhebung betroffenen Fakten stellten die Tatrichter fest, dass ein auf Abgabenhinterziehung gerichteter Vorsatz des Eugen S***** durch Ausstellen der Rechnungen vom und vom nicht erweislich sei (US 5).

Zu dem im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Eugen S***** wegen Tatbeitrages zu den zu A.2.3.1. und A.2.3.2. des Urteils vom , GZ 22 Hv 173/02v-128, beschriebenen Abgabenverkürzungen des Franz H***** (strafbestimmender Wertbetrag von zusammen 28.851,11 Euro) vertraten die Tatrichter die Ansicht, dass lediglich ein in die Zuständigkeit der Finanzstrafbehörde fallendes Finanzvergehen vorliege (US 9) und daher - bei ausdrücklich nicht angenommener Zuständigkeit nach § 53 Abs 4 FinStrG - ein Freispruch nach § 214 FinStrG zu erfolgen habe (US 10).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 7, 9 lit a und 11 StPO gestützte, nach entsprechender Urteilsaufhebung inhaltlich ausschließlich den Ausspruch einer Strafe hinsichtlich des bereits in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruches des Eugen S***** anstrebende Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Der Erledigung dieses Rechtsmittels sei grundsätzlich vorausgeschickt: Erwächst ein Urteil mit einem Schuldspruch wegen Finanzvergehen mit einem die gerichtliche Zuständigkeitsgrenze nicht erreichenden Wertbetrag (§ 53 Abs 1, Abs 2 FinStrG) in Teilrechtskraft, ist bei nachfolgendem Nichterreichen dieser Grenze durch einen Schuldspruch im folgenden Rechtsgang (§ 21 Abs 1 FinStrG) und Fehlen anderer die gerichtliche Zuständigkeit begründender Umstände (§ 53 Abs 3, Abs 4 FinStrG - s dazu gleich unten) hinsichtlich des erstgenannten Schuldspruches trotzdem gemäß § 214 FinStrG vorzugehen, weil in einem solchen nicht weiter spezifizierten Fall res iudicata bloß auflösend bedingt für das Erreichen dieser Zuständigkeitsvoraussetzung des Finanzstrafrechtes gilt (Ratz, WK-StPO § 289 Rz 8).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verweist - wie bereits die Generalprokuratur ausführte - im Gegenstand allerdings zutreffend auf den rechtlichen Zusammenhang zwischen den vorsätzlichen Beitragshandlungen des Eugen S***** und den im Schuldspruch des Franz H***** beschriebenen Taten. Diese objektive Konnexität zieht die (weitere) gerichtliche Zuständigkeit für die Straffestsetzung hinsichtlich des im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruches des Eugen S***** nach sich. Denn nach § 53 Abs 4 erster Satz FinStrG ist das Finanzstrafverfahren gegen jeden vorsätzlich an der Tat Beteiligten vor Gericht durchzuführen, wenn beim unmittelbaren Täter - vorliegend Franz H***** - die gerichtliche Zuständigkeit gegeben ist. Für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung kommt es - entgegen den Ausführungen des Angeklagten in der Gegenäußerung zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 162) - nicht auf die prozessuale Stellung als im selben Verfahren Beschuldigter und mit demselben Urteil Verurteilter an, sondern nur auf das materiellrechtliche Verhältnis (als unmittelbarer Täter und Beteiligter), das durch eine getrennte Führung oder einen getrennten Abschluss der Strafverfahren nicht verloren geht (SSt 50/68; RIS-Justiz RS0086892, RS0087196). Aufgrund der gemäß § 53 Abs 4 FinStrG gegebenen Gerichtszuständigkeit war der Freispruch des Eugen S***** im bekämpften Umfang (Beteiligung an den Urteilsfakten A.2.3.1. und A.2.3.2.) verfehlt und daher - samt der überflüssigen Kostenentscheidung - in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde aufzuheben.

Ein Eingehen auf das weitere Rechtsmittelvorbringen erübrigt sich somit.

Bei der dadurch notwendigen Strafbemessung für den verbleibenden Schuldspruch des Urteiles des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 22 Hv 173/02v-128, nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit a FinStrG (vgl zur Richtigstellung Ratz, WK-StPO § 281 Rz 622 ff) mit einem strafbestimmenden Wertbetrag von 28.851,11 Euro (Fakten B. iVm A.2.3.1. und 2.3.2.) war mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel des 60-jährigen Angeklagten und das lange Zurückliegen der Taten, erschwerend die Tatwiederholung. Eine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer nach Art und Gewicht des § 34 Abs 2 StGB lag (noch) nicht vor. Die aus dem Spruch ersichtliche Geldstrafe entspricht - unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten - dem Tatschuldgehalt der wohlüberlegten und einer Vorsicht kaum zugänglichen Delinquenz. Deshalb und auch aus generalpräventiven Gründen vermochte der Oberste Gerichtshof (teil-)bedingter Nachsicht der Vollstreckung der Unrechtsfolge nicht näher zu treten.

Der Folgenausspruch beruht auf § 53 Abs 4 zweiter Satz FinStrG, die Kostenentscheidung auf § 390a Abs 1 StPO.