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OGH vom 22.12.2004, 8Ob125/04x

OGH vom 22.12.2004, 8Ob125/04x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Stadtgemeinde M*****, vertreten durch Philipp & Partner, Rechtsanwälte und Strafverteidiger OEG in Mattersburg, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei E***** reg. Gen.m.b.H., ***** vertreten durch Dr. Wilhelm Häusler, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die beklagten Parteien 1. Dr. Paul T*****, Arzt, 2. Dr. Khalid B*****, Arzt, 3. Dr. Mohamed A*****, Arzt, alle ***** alle vertreten durch Hajek & Boss & Wagner Rechtsanwälte OEG in Eisenstadt, wegen 12.761,49 EUR sA; 9.974,74 EUR sA; 9.063,32 EUR sA und Räumung (Rekursinteresse 9.063,32 EUR sA), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgericht vom , GZ 13 R 52/04a-24, womit über Berufung des Drittbeklagten das Teilurteil des Bezirksgerichtes Mattersburg vom , GZ 1 C 2/03t-18, im Umfang der dem Drittbeklagten auferlegten Zahlungsverpflichtung in Höhe von 9.063,32 EUR sA aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. In der Sache selbst wird dahin erkannt, dass hinsichtlich des Drittbeklagten das erstgerichtliche Teilurteil wiederhergestellt wird.

Der Drittbeklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.220,54 EUR bestimmten Kosten des Berufungs- und des Rekursverfahrens (darin enthalten 203,42 EUR USt) und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei die mit 971,04 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 161,84 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei bestellte der Nebenintervenientin mit Baurechtsvertrag vom ein in weiterer Folge verbüchertes Baurecht an der Liegenschaft mit der Grundstücksadresse W***** in ***** M*****.

Mit Nutzungsvertrag vom 12. 7./23. 7./ wurde der Klägerin von der Nebenintervenientin die Nutzung der (von der Nebenintervenientin errichteten) Ordinationsräume im "Ärztezentrum" überlassen. Die klagende Partei verpflichtete sich, an die Nebenintervenientin den auf das Ärztezentrum entfallenden Baukostenbeitrag (Eigenkostenanteil) in der Höhe von 1,5 Mio S zu bezahlen.

Mit Mietvertrag vom vermietete die klagende Partei unter anderem an den Drittbeklagten Räumlichkeiten im "Ärztezentrum". Die Höhe der Mieten wird unter Zugrundelegung des Gesamtentgelts ermittelt, das die klagende Partei gemäß § 2 des Nutzungsvertrages der Nebenintervenientin für die Nutzung des gesamten "Ärztezentrums" zu entrichten hat. Dieses Gesamtentgelt wird entsprechend dem Nutzungsverhältnis der drei Mieter auf das Mietobjekt umgelegt. Die Mieten ändern sich im selben Verhältnis und zu jenen Zeitpunkten, zu denen sich die zwischen der Klägerin und der Nebenintervenientin vereinbarte Nutzungsgebühr ändert. Die Betriebskosten werden von den Beklagten jährlich vorausgezahlt.

Im Jahr 1991 erfolgte eine schriftliche Erhöhung des Mietzinses durch die klagende Partei. In einem Gespräch deutete der damalige Bürgermeister den Beklagten an, dass sie die bisherigen Zahlungen fortsetzen sollten. Daran hielten sich die Beklagten.

Die Vorschreibungen der Nebenintervenientin an die klagende Partei erfolgten in Übereinstimmung mit § 32 WFG 1968. Den Beklagten wurde von der klagenden Partei ein ihrer Nutzungsfläche entsprechender Teil in Rechnung gestellt.

Gegenstand des Rekursverfahrens ist ausschließlich das von der klagenden Partei gegenüber dem Drittbeklagten erhobene Begehren auf Zahlung von Mietzinsdifferenzen für die Zeiträume ab Mai 2002 bis einschließlich September 2003 in der im Rekursverfahren rechnerisch unbestrittenen Höhe von 9.063,32 EUR sA. Die Klägerin brachte zusammengefasst vor, dass sie dem Drittbeklagten gemäß Punkt V des mit ihm geschlossenen Mietvertrages jenes (nach Nutzfläche anteilige) Gesamtentgelt vorschreibe, das sie ihrerseits gemäß § 2 des Nutzungsvertrages an die Nebenintervenientin für die Nutzung des gesamten Ärztezentrums zu entrichten habe. Dem Drittbeklagten sei auch die von der Nebenintervenientin vorgenommene Aufschlüsselung des von der klagenden Partei zu entrichtenden und dem Drittbeklagten weiterverrechneten Nutzungsentgelts weitergeleitet worden.

Der Vertrag zwischen der Klägerin und der Nebenintervenientin sei deshalb geschlossen worden, um das Ärztezentrum möglichst kostengünstig und steuerschonend realisieren zu können und auf die Fachkenntnisse der Nebenintervenientin als Baugenossenschaft zurückgreifen zu können.

Der Drittbeklagte, der überdies einen Zwischenantrag auf Feststellung dahin stellte, dass er Hauptmieter und die Nebenintervenientin Vermieterin der von ihm gemieteten Räumlichkeiten sei, wendet ein, dass die klagende Partei aufgrund des Nutzungsvertrages mit der Nebenintervenientin berechtigt sei, die Ordinationsräume an Ärzte zu vermieten. Die Vermietung dürfe nur im Rahmen der Bestimmungen des WFG 1968 (insbesondere hinsichtlich der Mietzinsbildung) erfolgen. Bei Errichtung des Ärztezentrums habe die Absicht bestanden , dass die Nebenintervenientin das Ärztezentrum nicht selbst nutzen werde. Der vor dem Inkrafttreten des MRG geschlossene Nutzungsvertrag sei ausschließlich zur gewinnbringenden Verwertung der Ordinationsräume geschlossen worden sei. Der Drittbeklagte sei daher Hauptmieter der bauberechtigten Nebenintervenientin, weil eine "Schein- und Umgehungsmiete" vorliege. Die Bestimmungen des MG hinsichtlich der Mietzinsbildung fänden keine Anwendung. Ob die Mietzinsvorschreibungen dem § 32 "WBFG" (gemeint: WFG) 1968 entsprächen, sei nicht zu entnehmen. Sei jedoch die klagende Partei als Vermieterin anzusehen, sei eine freie Mietzinsvereinbarung im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages nicht zulässig gewesen. Es sei daher grundsätzlich die Höhe des vom Drittbeklagten "nach dem Gesetz" zu zahlenden Mietzinses festzustellen.

Die klagende Partei und die auf Seiten der klagenden Partei beigetretene Nebenintervenientin replizierten, dass die Nebenintervenientin von der klagenden Partei lediglich ein kostendeckendes Nutzungsentgelt begehre. Dieses Nutzungsentgelt verrechne die klagende Partei ihrerseits dem Drittbeklagten weiter. Das Vorbringen, die Nutzungsverträge seien ausschließlich zur gewinnbringenden Verwertung der Ordinationsräume geschlossen worden, sei daher unrichtig.

Das Erstgericht verpflichtete den Drittbeklagten (die ebenfalls mittels Teilurteils erfolgten Klagestattgebungen hinsichtlich des Erst- und des Zweitbeklagten blieben unbekämpft) zur Zahlung von 9.063,32 EUR sA und behielt die Kostenentscheidung dem Endurteil vor.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass der Drittbeklagte Untermieter der klagenden Partei sei. Die Mietverträge seien nicht nur zur Untervermietung und insbesondere nicht zur Umgehung der einem Hauptmieter nach MRG zustehenden Rechte geschlossen worden. Die Beurteilung der Zulässigkeit des vereinbarten Untermietzinses habe nach § 14 MG zu erfolgen. Die Vorschreibungen der Nebenintervenientin an die klagende Partei seien in Übereinstimmung mit § 32 WFG 1968 vorgenommen worden. Sämtlichen Beklagten sei ein ihrer Nutzfläche entsprechender Anteil in Rechnung gestellt worden. Die von den Beklagten zu bezahlenden Mietzinse entsprächen daher den gesetzlichen Vorschriften.

Über Berufung des Drittbeklagten hob das Berufungsgericht das Teilurteil des Erstgerichtes im Umfang der gegenüber dem Drittbeklagten geschaffenen Zahlungsverpflichtung von 9.063,32 EUR auf und trug dem Erstgericht diesbezüglich eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf, wobei es aussprach, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Obwohl das Erstgericht über den Zwischenfeststellungsantrag des Drittbeklagten in seinem Teilurteil nicht entschied, gab das Berufungsgericht " der Berufung (des Drittbeklagten) insofern nicht Folge, als das Erstgericht den vom Drittbeklagten gestellten Zwischenantrag auf Feststellung abgewiesen habe". Das angefochtene Urteil werde "mit der Maßgabe bestätigt", dass dieser Zwischenfeststellungsantrag abgewiesen werde.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses gründete das Berufungsgericht darauf, dass der Oberste Gerichtshof nicht immer ganz einheitlich beantworte, welche Kriterien für die Qualifikation eines Mietverhältnisses als Hauptmietverhältnis maßgeblich seien.

Insgesamt lässt sich die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes wie folgt zusammenfassen: Da sowohl der Nutzungsvertrag zwischen der Nebenintervenientin und der klagenden Partei als auch der Mietvertrag zwischen der klagenden Partei und dem Drittbeklagten vor Inkrafttreten des MRG abgeschlossen worden sei, sei nach MG zu beurteilen, ob das Bestandverhältnis des Drittbeklagten als Haupt- oder als Untermietvertrag zu beurteilen sei. Zu dem - vom Drittbeklagten in seiner Berufung allein angestrebten - Ergebnis, dass die Nebenintervenientin Vermieterin des Drittbeklagten sei, könne man nur dann gelangen, wenn der Nutzungsvertrag zwischen der Nebenintervenientin und der klagenden Partei als Scheingeschäft im Sinne des § 916 ABGB zu qualifizieren sei. Auf bloße Umgehungsgeschäfte sei § 2 Abs 3 MRG dann nicht anzuwenden, wenn sowohl der "Hauptmietvertrag" als auch der Untermietvertrag vor Inkrafttreten des MRG geschlossen worden seien. Ein Scheingeschäft liege nicht vor. Die Nebenintervenientin sei daher jedenfalls nicht Vertragspartnerin des Drittbeklagten. Dennoch sei das Vertragsverhältnis zwischen der klagenden Partei und dem Drittbeklagten als Hauptmietvertrag zu qualifizieren, weil der klagenden Partei in dem mit der Nebenintervenientin geschlossenen Nutzungsvertrag zahlreiche Rechte eingeräumt worden seien, die üblicherweise einem Fruchtgenussberechtigten zustünden. Fruchtgenussberechtigte bzw Vermieter mit fruchtnießerähnlicher Stellung begründeten allerdings Hauptmietverträge. Damit richte sich der vom Erstgericht noch zu prüfende zulässige Mietzins, den der Drittbeklagte der klagenden Partei zu bezahlen habe, nach den maßgeblichen Bestimmungen des MG. § 32 WFG habe nicht zur Anwendung zu kommen, weil die dort geregelten mietzinsrechtlichen Vorschriften nur im Verhältnis zwischen der klagenden Partei und der Nebenintervenientin Geltung hätten.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der klagenden Partei erhobene Rekurs ist zulässig, weil die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes, dass der gesetzlich zulässige Mietzins nach dem MG zu ermitteln sei, unrichtig ist. Der Rekurs ist auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass das Berufungsgericht den Zwischenfeststellungsantrag des Drittbeklagten rechtskräftig abwies. Somit ist bindend festgestellt, dass die Nebenintervenientin nicht Vermieterin des Drittbeklagten ist. Im Rekursverfahren gehen auch beide Parteien übereinstimmend davon aus, dass Vermieterin des Drittbeklagten die klagende Partei ist.

Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen und der Parteien bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Drittbeklagte Untermieter oder Hauptmieter ist: Strittig ist nämlich hier nur noch, ob und welche gesetzlichen Mietzinsbeschränkungen auf das Mietverhältnis Anwendung finden. Für die Beantwortung dieser Frage ist - wie die Vorinstanzen grundsätzlich zutreffend erkannten - ausschließlich die Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses der Mietzinsvereinbarung maßgeblich. Dieser Grundsatz gilt nur für Bewirtschaftungskosten nicht, die allerdings im Rekursverfahren nicht mehr strittig sind (s. Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 § 43 MRG Rz 1 bis 4). Nach der zum maßgeblichen Abschlusszeitpunkt (Mai 1981) anzuwendenden Fassung des § 1 Abs 2 und 3 MG unterlag das Mietverhältnis zwischen der klagenden Partei und dem Drittbeklagten zwar den Kündigungsschutzbestimmungen des MG, nicht aber den Mietzinsbildungsvorschriften: Hier ist unstrittig, dass die vom Drittbeklagten gemieteten Räume nach dem , jedoch unter Inanspruchnahme öffentlicher Mittel neu geschaffen wurden. Damit galten nur die Kündigungsschutzbestimmungen, nicht aber die Mietzinsbildungsvorschriften (Details siehe Zingher, MG18 15 ff). Wie der Drittbeklagte in erster Instanz selbst zutreffend vorbrachte, richtet sich - unterstellt man den unstrittigen Umstand, dass das "Ärztezentrum" mit Förderungsmitteln nach dem WFG 1968 errichtet wurde -, die Mietzinsbildung nach § 32 WFG in der anzuwendenden Fassung. Selbst wenn der Drittbeklagte daher als "Hauptmieter" der klagenden Partei anzusehen wäre, kommen weder die Regeln über den gesetzlichen Mietzins nach § 2 MG noch jene Regeln des MG zur Anwendung, die die Voraussetzungen dafür normieren, wann eine "freie" Zinsvereinbarung zulässig war (§ 16 MG). Vielmehr wären auch in diesem Fall nur die mietzinsrechtlichen Beschränkungen nach § 32 WFG beachtlich. Ist aber der Drittbeklagte - wie vom Erstgericht mit durchaus beachtenswerten Argumenten vertreten - bloß "Untermieter" der klagenden Partei, ist § 14 MG, der die gesetzlich zulässige Höhe des Untermietzinses regelte, überhaupt nicht anwendbar: Wenn nämlich das "Hauptmietverhältnis" (hier: Nutzungsverhältnis zwischen der klagenden Partei und der Nebenintervenientin) weder den Zinsbeschränkungen des MG unterworfen ist noch in den Anwendungsbereich des Zinsstoppgesetzes fällt, bleibt die Untermietzinsbildung von allen gesetzlichen Schranken frei (RIS-Justiz RS0067655). In diesem Fall ist das dem Drittbeklagten von der klagenden Partei weiterverrechnete Entgelt, das durch die vertragliche Vereinbarung zwischen der klagenden Partei und dem Drittbeklagten gedeckt ist, jedenfalls gesetzlich zulässig.

Die in erster Instanz vom Drittbeklagten noch zumindest ansatzweise aufgestellte Behauptung, das der klagenden Partei von der Nebenintervenientin verrechnete Nutzungsentgelt sei nicht klar danach aufschlüsselbar, ob es den Mietzinsbildungsvorschriften des § 32 WFG 1968 in der maßgeblichen Fassung entspricht, hielt der Drittbeklagte schon im Berufungsverfahren nicht mehr aufrecht. Er ließ die in eine "Feststellung" gekleidete Rechtsauffassung des Erstgerichtes, dass das dem Drittbeklagten anteilig weiterverrechnete Nutzungsentgelt dem § 32 WFG entspreche, ausdrücklich unbekämpft.

Da überdies auch im Rekursverfahren ebenso wie im Berufungsverfahren nicht mehr strittig war, dass die dem Drittbeklagten vorgeschriebenen Bewirtschaftungskosten der Höhe nach berechtigt sind, war in der Sache selbst dahin zu erkennen, dass hinsichtlich des Drittbeklagten das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der für die Berufungsbeantwortung verzeichnete Streitgenossenzuschlag gebührt der klagenden Partei nicht. Der Erst- und der Zweitbeklagte beteiligten sich am Berufungsverfahren nicht. Die Nebenintervenientin bediente sich eines eigenen Vertreters.