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OGH vom 18.02.2003, 10ObS17/03b

OGH vom 18.02.2003, 10ObS17/03b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Komm. Rat Mag. Paul Kunsky und Dr. Carl Hennrich (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karl H*****, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Höhe der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 210/02t-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 18 Cgs 29/02d-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich des bestätigten Teils zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit ab von 1.076,40 EUR und ab von 1.085,01 EUR brutto monatlich zu zahlen und die mit 485,86 EUR (davon 80,98 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Das Mehrbegehren auf Gewährung einer höheren Pension im gesetzlichen Ausmaß unter Anwendung der für Frauen gültigen geringeren Abschläge wird abgewiesen."

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 333,12 EUR (davon 55,52 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am geborene Kläger hat als Folgewirkung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs der Gemeinschaften (EuGH) vom , Rs C-104/98, Buchner (künftig: Entscheidung Buchner), ab Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit. Mit Bescheid vom hat die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Bauern unter anderem die Höhe dieser Leistung ab mit brutto 14.811,60 S (= 1.076,40 EUR) monatlich und ab mit brutto 14.930,10 S (= 1.085,01 EUR) monatlich festgesetzt.

Gegen diese Festsetzung der Höhe der Pension erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, ihm die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit unter Anwendung der für Frauen gültigen geringeren Abschläge gemäß § 130 Abs 4 BSVG ab im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Diese Bestimmung knüpfe, was die Berechnung der Pensionshöhe betreffe, an das Regelpensionsalter gemäß § 121 Abs 1 BSVG an. Dieses betrage für Männer 65 und für Frauen 60 Jahre. Diese Anknüpfung und die daraus resultierende Ungleichbehandlung von Männern und Frauen sei mit dem unterschiedlichen Regelpensionsalter nicht notwendig verbunden und damit gemeinschaftsrechtlich unzulässig. Nach der Entscheidung Buchner des EuGH sei die hier strittige Leistung nämlich nicht als Alterspension zu werten. Deshalb kämen keine Ausnahmebestätigungen von der Gleichbehandlungspflicht für Männer und Frauen im Sinn der Richtlinie 79/7/EWG zum Tragen. Die Tatsache, dass Frauen die Hauptlast der Kindererziehung trügen, sei für die Pensionsberechnung ohnedies in den §§ 105, 107a BSVG ausreichend berücksichtigt, wonach die Zeiten der Kindererziehung als Versicherungszeiten anzurechnen seien. Die österreichische Rechtslage für die Berechnung der hier strittigen Leistungen verstoße damit eindeutig gegen Gemeinschaftsrecht.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wandte ein, § 130 BSVG komme unabhängig davon zur Anwendung, ob es sich um eine Alters- oder Erwerbsunfähigkeitspension handle. Es gehe darum, sicherzustellen, dass es bei jeglicher Inanspruchnahme einer Pension vor dem Regelpensionsalter zu Abschlägen im Rahmen des Bonus-Malus-Systems komme. Die unterschiedliche Altersgrenze für Männer und Frauen entspreche dem Bundesverfassungsgesetz über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Versicherten (BGBl 1992/832) und sei richtlinienkonform (Richtlinie 79/7/EWG). Art 4 Abs 1 dieser Gleichbehandlungsrichtlinie verbiete jegliche unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im Besonderen betreffend den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen, die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge, die Berechnungen der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistungen. Art 7 Abs 1 lit a der Gleichbehandlungsrichtlinie bestimme allerdings, dass die Richtlinie nicht der Befugnis zur Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente oder etwaige Auswirkungen auf andere Leistungen entgegenstehe. § 130 BSVG nehme auf § 121 BSVG Bezug. Darin sei kein Verstoß gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie gelegen, weil diese Diskriminierungen objektiv erforderlich seien, um zu verhindern, dass das finanzielle Gleichgewicht des Sozialversicherungssystems gefährdet werde, bzw um die Kohärenz zwischen den Systemen der Altersrente und dem System der anderen Leistungen zu gewährleisten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, § 130 Abs 4 BSVG sehe eine vollkommen geschlechtsneutrale Regelung vor, die für alle Versicherungsfälle des Alters und der geminderten Arbeitsfähigkeit in gleicher Weise gelte. Eine (mittelbare) Diskriminierung vermöge der Kläger demnach auch nur in einer Art "Momentaufnahme" zu erkennen, indem er die unterschiedlichen Auswirkungen dieser Regelung auf Männer und Frauen mit gleichem Versicherungsverlauf bei Inanspruchnahme einer ganz bestimmten Pensionsleistung zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt herausgreife. Genauso wie der Kläger hier für Männer, welche die (zwischenzeitig nicht mehr dem Rechtsbestand angehörende) vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit früher schon nach Vollendung des 55. Lebensjahres beantragen konnten, im Ergebnis zutreffend Nachteile sehe, seien diese beispielsweise bei Eintritt der Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 55. Lebensjahres in keiner Weise zu erkennen. Die Erwerbsunfähigkeitspension sei hier für Männer und Frauen, die jeweils eine Verminderung ihrer Leistung um 10 Steigerungspunkte hinnehmen müssten, bei gleichem Versicherungsverlauf auch gleich hoch. Beanspruche ein Mann hingegen die normale Alterspension nach § 121 BSVG, werde er in aller Regel im Vergleich zu einer Frau, die dieselbe Leistung ebenfalls mit dem für sie geltenden Regelpensionsalter erhalte, eine höhere Pension erlangen, weil er bis zu seinem Pensionsantritt noch zusätzliche Beitragszeiten erwerbe. Dazu vertrete der EuGH in ständiger Rechtsprechung, Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit sei dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, der in seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften ein unterschiedliches Rentenalter für männliche und weibliche Arbeitnehmer aufrechterhalten habe, berechtigt sei, die Höhe der Rente je nach dem Geschlecht des Arbeitnehmers verschieden zu berechnen. Die Festsetzung des Rentenalters bestimme tatsächlich den Zeitraum, während dessen die Betroffenen Beiträge zur Rentenversicherung entrichten können. Wenn ein unterschiedliches Rentenalter aufrechterhalten worden sei, sei auch eine unterschiedliche Art der Berechnung der Rente notwendig und objektiv mit diesem Unterschied verbunden und falle somit unter die in der genannten Bestimmung vorgesehene Ausnahme.

Bei der Regelung des § 130 Abs 4 BSVG handle es sich überdies um ein bewegliches System, das zu unterschiedlichen Stichtagen auch unterschiedliche Ergebnisse in die eine oder in die andere Richtung bewirken könne, aber jedenfalls bei Eintritt des Versicherungsfalls vor dem 55. Lebensjahr zu völlig gleichen Leistungen und darüber hinaus wohl auch in Summe zu keinen sachfremden Ergebnissen führe, wenngleich es in Abhängigkeit vom unterschiedlichen Regelpensionsalter auch zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die Pensionshöhe komme. Es bestehe somit auch ein direkter Zusammenhang zwischen dem unterschiedlichen gesetzlichen Pensionsalter und der unterschiedlichen Pensionshöhe.

Der Ansicht des Klägers, die Tatsache, dass Frauen die Hauptlast der Kindererziehung trügen, seien für die Pensionsberechnung ohnedies in den §§ 105, 107a BSVG ausreichend berücksichtigt, sei entgegenzuhalten, dass auch nach wie vor eklatante Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen innerhalb der einzelnen Berufszweige bestünden. Auch wenn die Anrechnung von Versicherungszeiten nunmehr einen gewissen Ausgleich für die Kindererziehung schaffe, trügen die Frauen in der Praxis nach wie vor die Hauptlast der Pflege- und Erziehungsarbeit und seien daher nicht nur von den damit verbundenen besonderen Belastungen, sondern auch von nicht unerheblichen Nachteilen im praktischen Erwerbsleben betroffen, sodass der nationale Gesetzgeber nach wie vor die Ziele einer besonderen Frauenförderung verfolge. Insgesamt wiesen Frauen außerdem immer noch im Durchschnitt einen schlechteren Versicherungsverlauf auf, weshalb sie auch geringere Pensionseinkommen erzielten. Schließlich sei zu bedenken, dass die Regelung des § 130 Abs 4 BSVG der Höhe nach gedeckelt sei und keine abrupten Pensionsunterschiede offenbare, sondern als Einschleifregelung konzipiert sei.

Unter diesen Gesichtspunkten könne das Aufrechterhalten einer derartigen geschlechtsneutralen Regelung, die nur die unmittelbare Konsequenz eines - zeitlich begrenzten - unterschiedlichen Rentenalters zwischen Männern und Frauen sei, mit dem Gemeinschaftsrecht nicht in Widerspruch stehen, solange die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, in regelmäßigen Abständen die Ausnahmetatbestände unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung auf ihre Berechtigung zu überprüfen, ohne dass dazu derzeit nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, aber auch nach dem aktuellen Kommissionsbericht ein Handlungsbedarf bestehe. Für die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens bestehe kein Anlass. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und schloss sich im Wesentlichen der Rechtsansicht des Erstgerichts an.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Der österreichische Gesetzgeber hat im Gefolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom , VfSlg 12.568, mit dem die unterschiedlichen Altersgrenzen für Männer und Frauen bei der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§ 253b ASVG) wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz aufgehoben worden waren, die Zulässigkeit unterschiedlicher Altersgrenzen für Männer und Frauen im Verfassungsrang festgeschrieben. Gemäß § 1 des Bundesverfassungsgesetzes über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten, BGBl 1992/832 (im Folgenden: BVG-Altersgrenzen), sind gesetzliche Regelungen, die unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Versicherten der gesetzlichen Sozialversicherung vorsehen, zulässig. Nach § 2 BVG-Altersgrenzen ist - beginnend mit - für weibliche Versicherte die Altersgrenze für die vorzeitige Alterspension jährlich bis 2028 mit 1. 1. um sechs Monate zu erhöhen. Nach § 3 des Gesetzes ist - beginnend mit - für weibliche Versicherte die Altersgrenze für die Alterspension bis 2033 mit 1. 1. um sechs Monate zu erhöhen.

Mit der Verabschiedung des BVG-Altersgrenzen sollte die bestehende Privilegierung weiblicher Versicherter bei Pensionsantritt solange aufrecht erhalten werden, als die gesellschaftliche, familiäre und ökonomische Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt dies erforderte. Der Normgeber beabsichtigte somit eine Angleichung des Pensionsantrittsalters erst in jenem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem gegenwärtig noch vorhandene Schlechterstellungen von Frauen im Arbeitsleben als beseitigt angesehen werden können. Dieses Ziel soll bis zum Jahr 2018 verwirklicht sein (Wolfsgruber, Pensionsanfallsalter und Europarecht RdW 2001/687, 675 ff [677] mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien).

Seit dem Beitritt Österreichs zum EWR (mit ) und zur Europäischen Union (mit ) ist auch der gemeinschaftsrechtliche Kontext zu beachten, insbesondere die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl 1979 L 6, 24; künftig:

"Richtlinie"). Art 4 der Richtlinie verbietet jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, insbesondere bei der Berechnung der Leistungen. Nach Art 7 Abs 1 lit a steht die Richtlinie nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen. Nach Art 7 Abs 2 der Richtlinie überprüfen die Mitgliedstaaten in regelmäßigen Abständen die aufgrund des Abs 1 ausgeschlossenen Bereiche, um festzustellen, ob es unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung in dem Bereich gerechtfertigt ist, die betreffenden Ausnahmen aufrechtzuerhalten. Der EuGH hat in seinen Urteilen vom , Rs C-377/96 bis C-384/96, De Vriendt ua, und vom , Rs C-154/96, Wolfs, ausgesprochen, dass dann, wenn von einem Mitgliedstaat zulässigerweise nach Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie ein unterschiedliches Rentenalter aufrechterhalten worden ist, eine geschlechtsspezifisch unterschiedliche Art der Berechnung der Renten notwendig und objektiv mit diesem Unterschied verbunden ist, sodass auch sie unter die in Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie vorgesehene Ausnahme fällt. Diesen beiden Urteilen lag zugrunde, dass in der belgischen Rentenversicherung für Frauen mit 60 und für Männer mit 65 Jahren die Möglichkeit des Übertritts in den Ruhestand bestand. Bei der Berechnung der Rentenhöhe wurde mit dem Hinweis auf die unterschiedlich lange Versicherungskarriere bei Frauen 1/40 und bei Männern 1/45 der Bemessungsgrundlage gewährt, und zwar unabhängig vom tatsächlichen Antrittsalter.

Dem Revisionswerber ist darin beizupflichten, dass nach der Entscheidung Buchner des EuGH die auch hier verfahrensgegenständliche vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nicht als Altersrente im Sinn des Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie zu werten ist. Diese Ausnahmebestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung angesichts der wesentlichen Bedeutung des Grundsatzes der Gleichbehandlung eng auszulegen (vgl Entscheidung Buchner, Slg 2000, I-3625, Rn 21 mwN). Die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit kann aber als eine "andere Leistung" betrachtet werden, auf die die unterschiedliche Festsetzung des Rentenalters "Auswirkungen" hat. So hat der EuGH beispielsweise im Urteil vom , Rs C-92/94, Slg 1995, I-2521, Graham ua, Ungleichbehandlungen von Männern und Frauen im Hinblick auf den Zugang und die Berechnung von bestimmten Invaliditätsleistungen in der Rechtsordnung des Vereinigten Königreiches als Auswirkungen der Festsetzung des unterschiedlichen Rentenalters für Männer und Frauen auf andere Leistungen akzeptiert. Setzt ein Mitgliedstaat unter Berufung auf Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie für die Gewährung der Alters- und Ruhestandsrente für Männer und Frauen ein unterschiedliches Alter fest, so ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH der mit der Wendung "etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen" in Art 7 Abs 1 lit a definierte Anwendungsbereich der zugelassenen Ausnahme auf solche in anderen Leistungssystemen bestehenden Diskriminierungen beschränkt, die notwendig und objektiv mit dieser unterschiedlichen Altersgrenze verbunden sind. Eine solche Verbindung besteht, wenn die Diskriminierungen objektiv erforderlich sind, um zu verhindern, dass das finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit gefährdet wird, oder um die Kohärenz zwischen dem System der Altersrenten und dem der anderen Leistungen zu gewährleisten (vgl Entscheidung Buchner aaO Rn 25 f mwN). Ob dies der Fall ist, hat das nationale Gericht zu beurteilen (vgl Urteil vom , Rs C-139/95, Slg 1997, I-549, Balestra, Rn 39 mwN ua). So hat der EuGH in dem soeben erwähnten Urteil "Balestra" dargelegt, dass bei einem zulässigen unterschiedlichen Altersrentenalter der Mitgliedstaat auch bestimmen kann, dass Arbeitnehmer bestimmter Unternehmen für die Zeit vom Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand bis zur Erreichung des Altersrentenalters Anspruch auf eine Gutschrift zusätzlicher Rentenbeiträge bis zur Höchstgrenze von fünf Jahren haben, weil die bei der Methode zur Berechnung der von Ruhestandsleistungen vorgenommene Unterscheidung nach dem Geschlecht objektiv und notwendig mit der Festsetzung eines für Männer und Frauen unterschiedlichen Rentenalters verbunden ist. Der EuGH sah bei der in Italien vorgesehenen Regelung, aufgrund der fiktive Beiträge zwischen der tatsächlichen Aufgabe der Erwerbstätigkeit und längstens dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters (55 Jahre für Frauen und 60 Jahre für Männer) gutgeschrieben wurden, einen Zusammenhang zwischen der Altersrenten- und der Vorruhestandsregelung; die Wahrung dieser Kohärenz sei notwendig, weil ihre Aufhebung zu anderen Diskriminierungen führen könnte.

In der Entscheidung Buchner legte der EuGH dar (Rn 32), dass zwischen Mindestalter für den Bezug der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit und dem gesetzlichen Rentenalter kein direkter Zusammenhang besteht, weil das Mindestalter für die Entstehung des Anspruchs auf die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit für Frauen auf 55 Jahre, das heißt fünf Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter, für Männer dagegen auf 57 Jahre, das heißt acht Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter, festgesetzt wurde. Demgegenüber knüpft die hier zu beurteilende Bestimmung des § 130 Abs 4 BSVG idF des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997 (BGBl I 1997/139) für die Berechnung der Pensionshöhe unmittelbar an das "Regelpensionsalter" gemäß § 121 Abs 1 BSVG an, das für Männer bei 65 und für Frauen bei 60 Jahren liegt. Sie schreibt vor, dass bei Inanspruchnahme einer Leistung vor dem Monatsersten nach Erreichung des Regelpensionsalters die ermittelte Summe der Steigerungspunkte zu vermindern ist. Das Ausmaß der Verminderung beträgt für je 12 Monate der früheren Inanspruchnahme zwei Steigerungspunkte. Das Höchstausmaß der Verminderung beträgt 15 % der ermittelten Summe der Steigerungspunkte, höchstens jedoch 10 Steigerungspunkte. Durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 (BGBl I 2000/92) wurde mit Wirksamkeit ab der Malus von bisher zwei Steigerungspunkte auf drei Steigerungspunkte pro Jahr angehoben, und zwar unter Festlegung einer Höchstgrenze von 10,5 Steigerungspunkten bzw 15 % der ermittelten Summe der Steigerungspunkte. Zutreffend haben die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 130 Abs 4 BSVG mit der gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Festsetzung eines geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Antrittsalters für die Alterspension in unmittelbarem Zusammenhang stehend zu sehen ist. Ziel der Regelung ist es, dass für Männer und Frauen bei Inanspruchnahme einer Leistung vor dem Monatsersten nach Erreichen des Regelpensionsalters die Leistung - ohne Unterschied der Geschlechter - in Relation zum Ausmaß einer Pensionsleistung steht, die bei Inanspruchnahme nach Erreichen des Regelpensionsalters gebührt. Im Sinn der oben dargelegten Rechtsprechung des EuGH muss ein Mitgliedstaat durchaus als befugt angesehen werden, eine nationale Regelung aufrechtzuerhalten, nach der - im Hinblick auf das geschlechtsspezifisch unterschiedliche Antrittsalter für die Altersrente - der Berechnung des Pensionsanspruchs zugrunde gelegt wird, dass die Leistung - ohne Unterschied der Geschlechter - in Relation zum Ausmaß einer Pensionsleistung steht, die bei Inanspruchnahme nach Erreichen des Regelpensionsalters gebührt. Den Revisionsausführungen ist noch entgegenzuhalten, dass die zeitlich begrenzte Aufrechterhaltung eines für Männer und Frauen unterschiedlichen Rentenalters auch noch nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie den Erlass von Maßnahmen, die untrennbar mit dieser Ausnahmeregelung verbunden sind, sowie die Änderung derartiger Maßnahmen erforderlich machen kann. Der Ausnahme in Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie würde nämlich ihre praktische Wirksamkeit genommen, wenn ein Mitgliedstaat, der für Männer und Frauen ein unterschiedliches Rentenalter festgesetzt hat, nach Ablauf der Umsetzungsfrist keine damit zusammenhängenden Maßnahmen erlassen oder ändern dürfte (vgl Entscheidung Buchner aaO Rn 22 f; Urteil vom , Rs C-196/98, Hepple ua, Slg 2000 I-3701 Rn 23 f). Die Beibehaltung des unterschiedlichen Regelpensionsalters impliziert daher eine unterschiedliche Berechnung der Höhe der hier gegenständlichen Pensionsleistung der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit. Die unterschiedliche Berechnung der Höhe dieser Pensionsleistung ist eine notwendig an die Festsetzung des unterschiedlichen Rentenalters geknüpfte Konsequenz und fällt daher unter die Ausnahme in Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie (in diesem Sinn auch jüngst 10 ObS 353/02p zur vergleichbaren Bestimmung des § 261 Abs 4 ASVG). Der erkennende Senat konnte diese Frage unter Bedachtnahme auf die in der Rechtsprechung des EuGH dazu entwickelten Grundsätze auch ohne Einholung einer Vorabentscheidung beurteilen, zumal, wie bereits erwähnt, nach der Rechtsprechung des EuGH die Beantwortung der Frage, ob eine Diskriminierung objektiv und notwendig mit der Festsetzung eines je nach dem Geschlecht unterschiedlichen Rentenalters verbunden ist, in die Zuständigkeit des nationalen Gerichtes fällt.

Dass gegen die Gültigkeit der Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie derzeit keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken bestehen und sich der Oberste Gerichtshof zumindest derzeit zu einer Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH in dieser Frage nicht veranlasst sieht, hat der erkennende Senat in den auch vom Revisionswerber bereits zitierten Entscheidungen 10 ObS 334/01t und 10 ObS 49/02g näher begründet (vgl auch 10 ObS 268/02p). Die Ausführungen des Revisionswerbers geben keinen Anlass, von dieser Auffassung abzugehen.

Aber auch die Revisionswerber vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken wegen Verletzung eines Bauprinzips der Verfassung werden vom Senat nicht geteilt. Es ist richtig, dass der Verfassungsgesetzgeber immer wieder Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs dadurch "unterlaufen" hat, dass er vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetze als Verfassungsgesetz wieder in Kraft setzte oder die Gesetzesaufhebung in ähnlicher Weise unwirksam machte (Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundes-Verfassungsrechts9 Rz 146; Mayer, Bundes-Verfassungsrecht³ Art 44 II.3.). Diese der rechtspolitischen Kritik ausgesetzte Verfassungsgesetzgebung ist verfassungsrechtlich nur dann unzulässig, wenn dadurch ein Baugesetz der Verfassung verletzt wird (VfSlg 15.373). Eine solche Verletzung wird von einem Teil der Lehre wegen Verletzung des rechtsstaatlichen und des gewaltenteilenden Grundprinzips behauptet (Walter/Mayer aaO mwN; zuletzt etwa Hiesel, Von der Verfassungsunkultur zur verfassungswidrigen Verfassungsgesetzgebung? AnwBl 2001, 306 [308 f]). Freilich muss es dem "einfachen" Verfassungsgesetzgeber im Lichte des demokratischen Grundprinzips bei einer harmonisierenden Auslegung auch in diesem Bereich ein gewisser Gestaltungsspielraum zugebilligt werden. Im Hinblick darauf, dass die Gesetzesprüfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofes (nur) zu einer speziellen und eingegrenzten Problematik ausgeschaltet, das rechtsstaatliche Prinzip aber nicht im breiten und unbestimmten Ausmaß beeinträchtigt wird, erscheint dem Senat der Gestaltungsspielraum des einfachen Verfassungsgesetzgebers nicht überschritten (vgl 10 ObS 353/02p).

Schließlich wurde bereits bei der Behandlung der vom Revisionswerber vorgetragenen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken näher dargelegt, dass sich die in § 130 Abs 4 BSVG vorgesehene Abschlagsregelung als unmittelbare Auswirkung des - nach dem BVG-Altersgrenzen - zulässigen unterschiedlichen Regelpensionsalters von Männern und Frauen darstellt, sodass vom erkennenden Senat auch die vom Revisionswerber in diesem Zusammenhang geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht geteilt werden.

Das auf Gewährung einer höheren vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit gerichtete Begehren des Klägers erweist sich damit als nicht berechtigt. Die Revision ist im Ergebnis lediglich insoweit berechtigt, als die Vorinstanzen in dem Umfang, in dem der mit der Klage bekämpfte Bescheid gemäß § 71 Abs 1 ASVG außer Kraft getreten ist, nicht über den vom Kläger beim Versicherungsträger gestellten Antrag neu entschieden haben (SSV-NF 4/153 mwN; Kuderna, ASGG² Anm 4 mwN ua). Da der Kläger gegen die Höhe der im angefochtenen Bescheid nach der geltenden Rechtslage festgesetzten vorzeitigen Alterspension bei Erwerbsunfähigkeit nichts eingewendet hat, konnte der Oberste Gerichtshof aufgrund der Revision des Klägers die von den Vorinstanzen unterlassene Entscheidung nachholen und die Pension in derselben Höhe wie im angefochtenen Bescheid zusprechen, bestünde sonst nämlich kein Titel für zukünftige Leistungen (SSV-NF 12/73 ua). Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Obzwar der Kläger mit seiner Klage nicht mehr erreichte als die beklagte Partei in ihrem Bescheid festsetzte, war die Einbringung der Berufung und der Revision im Ergebnis notwendig, weil aufgrund dieser Rechtsmittel der urteilsmäßige Zuspruch der bereits im (insoweit außer Kraft getretenen) Bescheid der beklagten Partei zuerkannten Pensionsleistungen erfolgte (SSV-NF 7/46; 7/78 ua). Bei der Kostenbemessung war die gemäß Anm 5 zur Tarifpost 3 nach dem RATG verzeichnete 50 %ige Erhöhung für die beiden Rechtsmittelschriften nicht zu berücksichtigen, weil die in den beiden Rechtsmitteln enthaltenen gemeinschaftsrechtlichen Ausführungen für den urteilsmäßigen Zuspruch der bereits im Bescheid der beklagten Partei zuerkannten Pensionsleistungen nicht notwendig waren.