VfGH vom 28.09.2001, B2226/98

VfGH vom 28.09.2001, B2226/98

Sammlungsnummer

16289

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung von Nachbareinwendungen gegen die Errichtung einer Wohnhausanlage; keine Bedenken gegen die Umwidmung des Nachbargrundstückes in Bauland-Wohngebiet; keine Anwendbarkeit des regionalen Raumordnungsprogrammes Wien-Umland auf den bereits kundgemachten Flächenwidmungs- und Bebauungsplan

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Am beantragte die W GesmbH die Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung einer Wohnhausanlage mit 35 Terrassenwohnungen und 66 PKW-Garagenplätzen auf dem Grundstück Nr. 95/15, KG Kaltenleutgeben. Ein Teil dieses Grundstückes ist als Bauland-Wohngebiet, ein anderer Teil als Grünland-Grüngürtel gewidmet. Im Baubewilligungsverfahren holte der Bürgermeister der Marktgemeinde Kaltenleutgeben ein geotechnisches Gutachten über die Fundierung und ein Gutachten zur Überprüfung der Standsicherheit des Bauvorhabens sowie ein Gutachten über die von der Garage und von der Heizung zu erwartenden Emissionen ein.

Die - nunmehr beschwerdeführenden - Nachbarn erhoben gegen das Bauvorhaben Einwendungen und führten aus, dass sie durch Rutschungen und Senkungen gefährdet sowie durch die von der Garage und der Heizung ausgehenden Emissionen in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würden.

Mit Bescheid vom bewilligte der Bürgermeister das Bauvorhaben unter Auflagen und erklärte jenen Grundstücksteil, der als Bauland-Wohngebiet gewidmet ist, zum Bauplatz. Die Einwendungen der Nachbarn wies er teilweise ab, teilweise verwies er sie auf den Zivilrechtsweg. Die gegen diesen Bescheid erhobenen Berufungen der Nachbarn wies der Gemeinderat mit Bescheid vom ab und berichtigte einen Zitatfehler.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Nachbarn Vorstellung. Die Vorstellungsbehörde holte zum Vorstellungsvorbringen Stellungnahmen der Gutachter ein, ließ das Emissionsgutachten insoferne verbessern, als die Immissionsbelastungen bereits an der nördlichen Grundstücksgrenze zum Grundstück der Vorstellungswerber berechnet wurden und holte nach einer Lärmmessung, einer Ergänzung des Immissionsgutachtens hinsichtlich des Benzols und einer luftchemischen Beurteilung der Grundbelastung in der Gemeinde ein medizinisches Gutachten betreffend die Auswirkungen der Lärmemissionen aus der Tiefgarage bzw. des KFZ-Verkehrs auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen ein.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellungen der Nachbarn als unbegründet ab. Die Vorstellungsbehörde legte in der Begründung des Bescheides ausführlich dar, weshalb sie gegen die Schlüssigkeit des geotechnischen und des statischen Gutachtens, auf Grund derer die Tragfähigkeit des Untergrundes, die Statik, die Gesamtstandsicherheit des Hanges sowie die sichere Bauherstellung in allen Phasen der Bauausführung und im Endzustand des Bauvorhabens sowie deren Nachweis festgestellt wurde, keine Bedenken hegte. Zu den von den Nachbarn befürchteten Immissionen stellte die belangte Behörde fest, dass die im Baubewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen ausreichen, um die Nachbarn vor das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Gefahren und Belästigungen zu schützen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde der Nachbarn, in der sie die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung geltend machen und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragen.

4. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

5. Die Marktgemeinde Kaltenleutgeben legte die Akten betreffend das Zustandekommen des in der Beschwerde angegriffenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes vor.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Aus den Akten betreffend das Zustandekommen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes der Marktgemeinde Kaltenleutgeben, Planzahl 148/87/1,0-/1,3 vom , und , genehmigt mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , R/1-R 221/8, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 5. April bis , ergibt sich folgender Verfahrensablauf:

1.1. In einem Aktenvermerk (ohne Datum) sind die Änderungen im Flächenwidmungsplan PZ 148/87/1,0-/1,3 gegenüber dem vorher geltenden Flächenwidmungsplan PZ 148/74-79/1,0-/1,3 bezüglich des Grundstückes Nr. 95/15 wie folgt festgehalten:

"(...)

4. Das Grundst. 95/1 wurde von Gl auf BW umgewidmet; gleichzeitig wurde die Fläche BA auf BW umgewidmet.

Begründung:

In dem Gebiet BA besteht eine Schweinezucht, welche das umliegende Wohngebiet durch Geruchsbelästigung stark beeinträchtigt. Der Besitzer der Schweinezucht, der auch Besitzer des Grundst. 95/1 ist, verpflichtet sich, die Schweinezucht aufzulassen, wenn als finanzieller Ausgleich die Umwidmung in BW erfolgt. (Ein nach der Grundabteilung zu erstellender Teilbebauungsplan wird festlegen, daß nur die ausreichend besonnten Teile des Grundstücks einer Bebauung zugeführt werden. Ferner ist bei dieser Gelegenheit dafür Sorge zu tragen, daß die bestehende Nachbarbebauung (insbes. Doktorberg) von vermeidbarer Beeinträchtigung durch Festlegung hinterer Baufluchtlinien frei bleibt).

(...)"

1.2. Der Entwurf des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes wurde in der Zeit vom 6. April bis zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt.

Am teilte der Magistrat der Stadt Wien dem Bürgermeister der Marktgemeinde Kaltenleutgeben mit, dass vor allem die Baulanderweiterung im Siedlungsbereich "Doktorberg" von ca. 17.000 m² in Widerspruch zur "kürzlich von den Landeshauptmännern von Wien, Niederösterreich und Burgenland im Rahmen der Planungsgemeinschaft Ost unterzeichneten 'Wienerwald-Deklaration'" stehe.

1.3. Am beschloss der Gemeinderat den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan (Neudarstellung), nachdem er zur Mitteilung ("Erinnerung") des Magistrats der Stadt Wien betreffend die Umwidmung des Grundstückes Nr. 95/15 wie folgt Stellung genommen hatte:

"Es handelt sich bei dem in der Erinnerung angeführten Grundstück um eine Hangwiese(,) welche vom angeschlossenen landwirtschaftlichen Betrieb zur Heumahd(t) genutzt wurde. Für dieses Grundstück, welches im vereinfachten Flächenwidmungsplan als Bauland ausgewiesen war, wurde aufgrund der Nutzung, aber auch um eine entsprechende Schutzzone zum angrenzenden Wohngebiet von der bestehenden Schweinezucht zu erhalten, wobei es trotz dieser Maßnahme zu dauernden Beschwerden gekommen ist, im endgültigen Flächenwidmungsplan (genehmigt am ) die Widmung Grünland-Landwirtschaft festgelegt. Da nun die bestehende Schweinezucht aufgelassen wird, vom Liegenschaftseigentümer auf eine weitere Tierhaltung ausdrücklich verzichtet wird, und das Grundstück dem Bauland-Wohngebiet anschließt bzw. von diesem fas(ß)t umschlossen ist, wird eine Rückwidmung eines Teiles des Grundstückes (ca. 12000 m²) als Bauland-Wohngebiet vorgenommen. Der Rest wird dem im Süden zum Ortszentrum angrenzenden Grünland angeschlossen.

Es ist die Umwidmung keine Erweiterung des Baulandes in seiner äußeren Umgrenzung, selbst die Baufreimachung der vorhandenen Aufschließungszonen wäre schwerwiegender, sondern nur eine Erweiterung innerhalb des verbauten Ortsgebietes, mit der Ausnützung einer Baulücke vergleichbar, und widerspricht nach ha. Ansicht keinesfalls der von den Landeshauptmännern unterzeichneten Deklaration."

In einem "vorläufigen" Gutachten des Sachverständigen für Raumordnung vom ist zur beabsichtigten Umwidmung des Grundstücks Nr. 95/15 festgehalten:

"(...)

Wie aufgrund der gemeinsamen Geländebegehung mit dem Sachverständigen für Naturschutz bekannt ist, bestehen seitens des Naturschutzes massive Einwände gegen die Umwidmung der Parzelle 95/1 von Grünland-Landwirtschaft auf Bauland-Wohngebiet; allerdings wäre als Kompromiß eine teilweise Umwidmung denkbar: dabei könnte der nordöstliche Teil des Grundstückes bis zum bestehenden Gerinne hin als Bauland-Wohngebiet gewidmet werden, das Gerinne selbst (einschließlich der begleitenden Gehölzgruppe) sowie die westlichen und südlichen Teile des Grundstückes müßten jedoch als Grünland erhalten bleiben.

Diesem Kompromiß könnte auch aus der Sicht der Raumordnung zugestimmt werden, da er eine Arrondierung des bestehenden Baulandes darstellt und nur eine sehr geringfügige Erweiterung des Baulandes (ca. 2-3 Bauplätze) bewirkt. Die von der Gemeinde vorgesehene Umwidmung des gesamten Grundstückes würde jedoch eine Baulanderweiterung um ca. 1,5 ha bedeuten, was im Hinblick auf die bestehenden Baulandreserven einen Widerspruch zu § 14 Abs 2 Zif. 1 des NÖ ROG 1976 hervorrufen würde.

(...)"

1.4. In seiner Sitzung vom beschloss der Gemeinderat, zum Gutachten des Amtssachverständigen für technische Angelegenheiten der örtlichen Raumordnung vom wie folgt Stellung zu nehmen:

"Das Grundstück 95/1 im Ausmaß von 17.153 m² war bis zum Inkrafttreten des örtlichen Raumordnungsprogrammes 1983 als Bauland gewidmet. Die Änderung auf Grünland-Landwirtschaft wurde auf Grund des vorhandenen landw. Betriebes mit Schweinemast vorgenommen. Da nun der Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen die Schweinemast aufgeben muß, aber auch keine andere Tierhaltung den Betrieb lebensfähig erhalten kann, wurde vom Liegenschaftseigentümer das Ersuchen um Rückwidmung gestellt. Der Gemeinderat hat dieses Ersuchen geprüft und ist danach zu der Überlegung gelangt, daß ein Teil ca. 12.000 m² des Grundstückes rückgewidmet werden könnte, da

* dieses an drei Seiten von Bauland Wohngebiet umschlossen ist, sich innerhalb des verbauten Ortsgebietes befindet und die Rückwidmung eher einer Ausnützung einer Baulücke gleichkommt;

* dieses aufgrund der Hanglage noch bebaubar ist;

* die Aufschließung gemäß den Bestimmungen der Bauordnung möglich ist;

* keine Erholungslandschaft zerstört wird (das Grundstück ist nicht frei zugänglich und eingezäunt);

* der steile Teil ca. 5000 m², der der gemeindeeigenen Liegenschaft, welche als Grüngürtel mit der Widmung Grünland-Forstwirtschaft ausgezeichnet ist, angrenzt, in diese Widmung einbezogen wird;

* durch die Aufgabe der Tierhaltung die Emissionen für die Anrainer des umliegenden Wohngebietes, wie zahlreiche Beschwerden über Geruchsbelästigung zeigen, entfallen würden.

Die Widmungsgrenze wurde so festgelegt, daß auch die notwendigen Aufschließungsmaßnahmen wirtschaftlich vertretbar werden, bei (einer) Schaffung von 2-3 Bauplätzen kann dies nicht erreicht werden. Bezüglich des Gerinnes einschließlich der begleitenden Gehölzgruppe schlagen wir vor, eine Freifläche hiefür festzule(g)en, wobei im Zuge der Erlassung von Bebauungsvorschriften die Erhaltung und Pflege des Gerinnes und des gegenwärtigen Bewuchses vorzuschreiben ist."

1.5. Am beschloss der Gemeinderat in Abänderung seines Beschlusses vom nur die Bauland-Wohngebietswidmung für den östlich des Gerinnes gelegenen Teil des Grundstückes Nr. 95/15.

1.6. Mit Bescheid vom bewilligte die Niederösterreichische Landesregierung gemäß § 6 Abs 2 Z 1 und 2 des NÖ Naturschutzgesetzes, LGBl. 5500-3, "die mit Gemeinderatsbeschlüssen vom und vorgenommenen Baulandwidmungen, Verkehrsflächenwidmungen und die Festlegung von Grünlandnutzungsarten mit Ausnahme jener, die der Land- und Forstwirtschaft vorbehalten sind, sowie die Erlassung eines Bebauungsplanes für die innerhalb des Landschaftsschutzgebietes 'Wienerwald' liegenden Grundstücke der Marktgemeinde Kaltenleutgeben" unter der Auflage, dass im Bereich der Doktorbergsiedlung nachstehende Vorkehrung eingehalten werde: Das bestehende Gerinne samt Vegetationsstreifen sei als westliche Begrenzung des neu gewidmeten Bauland-Wohngebietes bzw. des Umkehrplatzes unbedingt zu erhalten.

Mit Bescheid vom genehmigte die Niederösterreichische Landesregierung gemäß § 21 Abs 5 und 7 und § 22 Abs 3 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-4, die "Verordnungen des Gemeinderates der Marktgemeinde Kaltenleutgeben vom , TOP 7, bzw. , TOP 3 und vom , TOP 4" (richtig wohl: TOP 3), womit das örtliche Raumordnungsprogramm abgeändert wurde.

1.7. Der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan wurde in der Zeit vom bis durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht.

2. Die Beschwerdeführer behaupten zunächst die Verletzung in Rechten infolge Anwendung eines gesetzwidrigen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes.

2.1. Sie bringen vor, dieser widerspreche dem § 10 Abs 4 litb der Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung über ein regionales Raumordnungsprogramm Wien-Umland, LGBl. 8000/77.

Diese Bestimmung lautete (sie ist gemäß § 7 Abs 2 der Verordnung über ein regionales Raumordnungsprogramm südliches Wiener Umland, LGBl. 8000/85-0, am außer Kraft getreten):

"Die in der Anlage 1 festgelegten Siedlungsgrenzen sind bei der Flächenwidmung wie folgt zu berücksichtigen:

(...)

b) Siedlungsgrenzen, die bestehende Siedlungsgebiete zur Gänze umschließen, bewirken, daß die bereits gewidmete Baulandfläche insgesamt nicht vergrößert werden darf. Zur Verbesserung der Siedlungsstruktur ist es jedoch zulässig, Baulandlücken zu schließen bzw. das Siedlungsgebiet abzurunden, wenn die Widmung einer zusätzlichen Baulandfläche durch die Auflassung einer gleichgroßen Baulandfläche an einer anderen Stelle ausgeglichen wird."

Wie schon die Schlussbestimmung des § 11 der Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung über ein regionales Raumordnungsprogramm Wien-Umland, LGBl. 8000/77, zeigt, wonach Verfahren zur Erstellung oder Abänderung von örtlichen Raumordnungsprogrammen, die gemäß § 21 Abs 1 des NÖ Raumordnungsgesetzes, LGBl. 8000, bereits durch Auflegung öffentlich kundgemacht wurden, durch diese Verordnung nicht berührt werden, bezieht sich § 10 Abs 4 litb dieser Verordnung auf zukünftige Flächenwidmungen. Die Verordnung ist am in Kraft getreten. Sie ist daher auf den vorliegenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan (Beschlüsse des Gemeinderates vom , und ) nicht anzuwenden.

2.2. In der Beschwerde wird weiters behauptet, die Umwidmung des Grundstückes Nr. 95/15 sei ohne ausreichenden Änderungsanlass vorgenommen worden.

§ 22 Abs 1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, in der zur Zeit der Beschlussfassung über den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan der Marktgemeinde Kaltenleutgeben geltenden Fassung LGBl. 8000-4, hatte folgenden Wortlaut:

"§22

Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes

(1) Ein örtliches Raumordnungsprogramm darf nur abgeändert werden:

1. wegen eines rechtswirksamen Raumordnungsprogrammes des Landes oder anderer rechtswirksamer überörtlicher Planungen,

2. wegen wesentlicher Änderung der Grundlagen oder

3. wegen Löschung des Vorbehaltes."

Der Verfassungsgerichtshof hegt keine Bedenken dagegen, dass die vom Eigentümer des Grundstückes Nr. 95/15 bekannt gegebene Absicht, den emissionsreichen Schweinezuchtbetrieb auf seinem an drei Seiten an Bauland-Wohngebiet angrenzenden Grundstück Nr. 95/15 aufzugeben, von der Gemeinde als wesentliche Änderung der Grundlagen beurteilt wurde. Denn einerseits hat die Gemeinde in ihrer Stellungnahme vom vorgebracht, dass das betreffende Grundstück bereits im vereinfachten Flächenwidmungsplan als Bauland ausgewiesen war, und erst im "endgültigen Flächenwidmungsplan", genehmigt am , dafür die Widmung "Grünland-Landwirtschaft" festgelegt wurde, um Bauten für den landwirtschaftlichen Schweinemastbetrieb zu ermöglichen. Andererseits gab die vom Eigentümer des Grundstückes Nr. 95/15 erklärte Absicht, den emissionsreichen Schweinemastbetrieb aufzugeben, der Gemeinde die Gelegenheit, in Berücksichtigung der Planungsrichtlinie des § 14 Abs 2 Z 8 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 (in der damals anzuwendenden Fassung LGBl. 8000-4) zu erreichen, dass das angrenzende Wohnbauland außerhalb von Störungseinflüssen liegt.

2.3. Die Beschwerde bringt weiters vor, der Gemeinderat habe keinerlei Untersuchungen darüber angestellt, ob das geplante Siedlungsgebiet im Bereich Winternitzgasse/Doktorberg mit Straßen erschlossen ist bzw. erschlossen werden kann, die den Anforderungen des § 6 NÖ Bauordnung 1976 genügen. Sie behauptet, eine derartige Grundlagenforschung hätte ergeben, dass die Stefaniegasse, die stellenweise eine Breite von 4,40 m und eine Steigung von über 15% aufweise, die gesetzlichen Anforderungen an Aufschließungsstraßen nicht erfülle, sodass eine weitere Schaffung von Bauland für Wohnzwecke im Hinblick auf das dadurch zu erwartende höhere Verkehrsaufkommen und Verkehrsrisiko im Widerspruch zu den Anforderungen der NÖ Bauordnung und des NÖ Raumordnungsgesetzes stehe.

Dem ist Folgendes zu erwidern: Im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan ist die Breite der Stefaniegasse mit einer - wenn auch nicht tatsächlich ausgebauten so jedoch projektierten - Breite von 8,50 m ausgewiesen. Sie entspricht damit der im § 6 Abs 5 Z 3 NÖ Bauordnung 1976, in der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan geltenden Fassung LGBl. 8200-5, geforderten Straßenbreite für Aufschliessungsstraßen. Die Erschließung des Grundstücks Nr. 95/15 durch die 6,5 m breite Winternitzgasse mit einer Steigung von 12% entsprach mit dem Inkrafttreten der 6. Novelle zur NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-6, am den Erfordernissen des § 5 Abs 5 Z 4 und des § 5 Abs 7 NÖ Bauordnung 1976 für Wohnsiedlungsstraßen.

Abgesehen davon, dass das Grundstück Nr. 95/15 auch über die Karlsgasse erreichbar ist, dient die Stefaniegasse der Erschließung eines Großteils des Wohngebietes am Doktorberg.

2.4. Schließlich werfen die Beschwerdeführer dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan vor, der Verordnungsgeber habe anlässlich der Umwidmung die geologischen und meteorologischen Verhältnisse im Bereich des Grundstückes Nr. 95/15 nicht geprüft. Sie bringen vor, "eine Untersuchung der natürlichen Gegebenheiten der Liegenschaft hätte gezeigt, dass diese auf Grund der steilen Hanglage und der auf Grund der geologischen Verhältnisse gegebenen Gefahr eines Abrutschens sowie im Hinblick auf die meteorologischen Verhältnisse (Kessellage!) als Bauland nicht geeignet ist".

Der Verfassungsgerichtshof hat aber auch aus diesen Gründen keine Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des angewendeten Planes:

Gemäß § 15 Abs 3 NÖ Raumordnungsgesetz 1976, LGBl. 8000-4, dürfen Flächen, die auf Grund ihrer natürlichen Gegebenheiten zur Bebauung ungeeignet sind, nicht als Bauland gewidmet werden, "insbesondere:


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1.
Flächen, die in Hochwasserabflussgebieten liegen;
2.
Flächen, die eine ungenügende Tragfähigkeit des Untergrundes aufweisen;
3. Flächen, die rutsch-, bruch-, steinschlag-, wildbach- oder lawinengefährdet sind;
4. Flächen, deren Grundwasserspiegel höher liegt als die zur Erschließung erforderlichen Ver- und Entsorgungsanlagen;
5. Hangflächen, die Straßensteigungen von mehr als 12% erfordern."


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§15 Abs 4 leg. cit. nimmt von Abs 3 leg. cit. Flächen für Baulichkeiten, die auf Grund ihrer Funktion an bestimmten Standorten ungeachtet der in Abs 3 angeführten Mängel errichtet werden müssen, sowie Flächen innerhalb eines geschlossenen Ortsgebietes aus. Da es sich beim Doktorberg nicht um eine Streusiedlung handelt, sondern um einen Teil des zu beiden Seiten der Landeshauptstraße 127 gelegenen geschlossenen Ortsgebietes, hegt der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken gegen die Annahme der Gemeinde, dass es sich bei der Umwidmung um eine Erweiterung des Baulandes innerhalb des verbauten Ortsgebietes handelt.

In der Sache selbst kommt dazu, dass schließlich auch die im Baubewilligungsverfahren eingeholten geotechnischen und statischen Gutachten keine Bedenken gegen die grundsätzliche Baulandeignung ergeben haben.

3. Die Beschwerdeführer machen schließlich die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) geltend und werfen der belangten Behörde Willkür vor. Der Bescheid sei von einer verzerrten, inhaltlich unrichtigen und aktenwidrigen Darstellung des Sachverhaltes, insbesondere des Inhalts der dem Bescheid zugrunde liegenden Gutachten ausgegangen.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987).

Angesichts der im Baubewilligungsverfahren eingeholten Gutachten und ihrer Würdigung durch die belangte Behörde kann der Verfassungsgerichtshof keinen Verfahrensfehler erkennen, der in die Verfassungssphäre eingreift. Ob die belangte Behörde die Vollständigkeit und Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten in jedem Fall richtig beurteilt hat, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen.

4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

5. Das Verfahren hat nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

6. Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art 144 Abs 3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 1 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.