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OGH vom 15.07.2003, 10ObS168/03h

OGH vom 15.07.2003, 10ObS168/03h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Erwin Blazek (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Rudolf Schallhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Stana M*****, Pensionistin, ***** im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 316/02t-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 10 Cgs 170/01i-10, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Eingangs ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei von Amts wegen von "Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter" auf "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war, weil mit alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (§ 538a ASVG idF 59. ASVG-Nov BGBl I 2002/1).

Die Klägerin bezieht von der beklagten Partei eine Alterspension sowie eine Ausgleichszulage und vom jugoslawischen Pensionsversicherungsträger eine jugoslawische Pension.

Mit Bescheid vom stellte die beklagte Partei die Ausgleichszulage für die Monate Jänner 2000 bis einschließlich November 2000 neu fest. Gleichzeitig sprach sie aus, dass über die ab gebührende Ausgleichszulage gesondert entschieden werde und der vom bis entstandene Überbezug an Ausgleichszulage von S 1.502 (EUR 109,15) rückgefordert werde und bei sonstiger Exekution innerhalb von vier Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides zurückzuzahlen sei.

Mit der gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobenen Klage begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, "die Ausgleichszulage nach ihrem tatsächlichen Nettoeinkommen und nicht nach einem fiktiven Wechselkurs zwischen Dinar und Schilling festzustellen. Entsprechend dem Ergebnis dieser Neufeststellung sei die Frage eines unter Umständen entstandenen Überbezugs für den Zeitraum bis neu festzustellen." Die Klägerin wendet sich in ihrer Klage vor allem gegen die Berücksichtigung der jugoslawischen Pensionsleistung zu einem fixen Umrechnungskurs von 100 Dinar = S 117,26. Dieser Umrechnungskurs entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen, weil die Klägerin weder in Jugoslawien noch in Österreich die Möglichkeit habe, Dinar in Schilling oder in eine sonstige Währung zu tauschen. Darüber hinaus sei die Klägerin, um die jugoslawische Pensionsleistung überhaupt zu erhalten, gezwungen gewesen, in Jugoslawien ein Konto zu eröffnen bzw für den jugoslawischen Pensionsversicherungsträger an einer festen Adresse gemeldet zu sein. Für die Bemessung der Ausgleichszulage dürfe jedoch nicht ein theoretischer Dinar-Schilling-Kurs herangezogen werden, sondern nur der tatsächlich realisierbare Kurs. Weiters seien die der Klägerin für den Bezug der jugoslawischen Pension entstandenen Aufwendungen zu berücksichtigen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und die Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung des Überbezuges an Ausgleichszulage in Höhe von S 1.502. Der der Umrechnung zugrunde liegende Kurs sei ein Fixkurs, welcher aus den von der Nationalbank angegebenen Tageswerten errechnet werde und für den Zeitraum von Jänner bis November 2000 S 117,26 betragen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass ein Devisenmittelkurs des neuen jugoslawischen Dinar (NJD) zum Euro im Sinne eines Monats-Ultimokurses für den Zeitraum vom bis im Verhältnis von 100 NJD = EUR 11,7351 = S 161,48 bestanden habe. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Klägerin habe einen Rechtsanspruch auf die in Jugoslawien bezogene Pension. Auch wenn aus wirtschaftspolitischen Gründen in Österreich kein Markt für den NJD bestehe, obwohl ein Wechselkurs von der Nationalbank verlautbart werde, sei die von der Klägerin bezogene jugoslawische Pension als Einkommen anzurechnen. Eine marode Wirtschafts- und Außenpolitik eines ausländischen Staates könne nicht zu Lasten des österreichischen Steuerzahlers gehen.

Das Berufungsgericht hob über Berufung der Klägerin dieses Urteil auf und verwies die Sozialrechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es treffe zwar zu, dass Bankspesen hinsichtlich der Einlösung ausländischer Verrechnungsschecks für den Bezug einer ausländischen Pension weder Verluste noch gesetzlich geregelte Abzüge im Sinne des § 292 Abs 3 ASVG darstellten und daher nicht vom Träger der Ausgleichszulage zu finanzieren seien. Zweck der Ausgleichszulage sei aber, dem Pensionsberechtigten einen sozialen Mindeststandard zu sichern. Gemäß § 292 ASVG sei daher zu prüfen, ob die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens die Höhe des geltenden Ausgleichszulagenrichtsatzes (§ 293 ASVG) erreiche. Das Erstgericht habe keine Feststellungen darüber getroffen, ob und in welchem Umfang der Klägerin in dem vom Bescheid erfassten Zeitraum ab zusätzlich zu der von der Beklagten ausbezahlten Pension aus der hinzutretenden jugoslawischen Pension ein für sie auch tatsächlich realisierbares Nettoeinkommen erwachsen sei. Dies werde mit den Parteien zu erörtern sein. Soweit der Sachverhalt nicht außer Streit gestellt werden könne, werde schon im Hinblick auf die Verpflichtung zur amtswegigen Beweisaufnahme gemäß § 87 Abs 1 ASGG ein Beweisverfahren über den tatsächlichen Handelskurs des Dinars für den strittigen Zeitraum ab durchzuführen sein.

Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Einbeziehung ausländischer Pensionsansprüche, welche gegebenenfalls mangels Vorliegens eines Handelskurses nicht in eine österreichische Währung umgetauscht werden können, nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei - nach dem Inhalt der Rekursausführungen - wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Klägerin hat sich am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Aus den Bestimmungen über die Ausgleichszulage (§ 292 ff ASVG) ergibt sich, dass bei der Feststellung des Anspruches auf diese Leistung grundsätzlich nur tatsächlich bezogenes Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten (und seines mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners) zu berücksichtigen ist. Dies erfordert der Zweck dieser Zusatzleistung, die zusammen mit der Pension, dem aus übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommen und den gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträgen das Existenzminimum des Pensionsberechtigten (und des mit ihm zusammenlebenden Ehepartners) sichern soll (SSV-NF 6/140 mwN aus Lehre und Rechtsprechung). Es kommt also nicht darauf an, welche gesetzlichen oder vertraglichen Ansprüche einem Ausgleichswerber zustehen, sondern welche Einkünfte ihm tatsächlich zukommen. In diesem Sinne sind die übrigen Einkünfte (nur) insoweit anzurechnen, als sie dem Pensionsberechtigten real zur Verfügung stehen (SSV-NF 1/21; 2/48; 2/131 ua; zuletzt etwa 10 ObS 421/01m; Teschner in Tomandl, SV-System 15. ErgLfg 412 ua). Unter dem Begriff des "Nettoeinkommens" im Sinn des § 292 Abs 1 ASVG ist daher das Einkommen zu verstehen, das als Aktivsaldo aus allen Einkommensarten letztlich verfügbar ist, wobei diese Definition des Begriffes "Nettoeinkommen" grundsätzlich auch für den Fall gilt, dass es sich bei den "übrigen Einkünften" - wie im vorliegenden Fall - um einen Pensionsanspruch handelt, und zwar um einen anderen als den, zu dem die Ausgleichszulage gewährt werden soll (vgl Teschner/Widlar, MGA, ASVG 64. ErgLfg Anm 3 zu § 292 [1418]). So hat der Oberste Gerichtshof beispielsweise für den Fall, dass der ausländische (jugoslawische) Versicherungsträger keine Leistungen auf die dem Ausgleichszulagenwerber zustehende jugoslawische Teilrente erbringt, ausgesprochen, dass diesem gegenüber dem österreichischen Sozialversicherungsträger der Anspruch auf Gewährung eines Vorschusses auf die Ausgleichszulage in der Höhe der Differenz zwischen der österreichischen Teilleistung und dem Richtsatz zustehe. Es könne dahingestellt bleiben, ob diese Nichterbringung der gebührenden Leistung durch den ausländischen Versicherungsträger auf Zahlungsunfähigkeit, Zahlungsstockung oder nur Zahlungsunwilligkeit zurückzuführen sei, weil es nicht zu Lasten des in Österreich lebenden Pensionisten und Ausgleichszulagenwerbers gehen könne, dass sich ein Vertragsstaat abkommenswidrig verhalte. Dem Ausgleichszulagenwerber sei es auch unzumutbar, vor Erlangung der Ausgleichszulage, die sein Existenzminimum sichern soll, langwierige und mühselige Versuche zur Durchsetzung seines ausländischen Rentenanspruches zu unternehmen (SSV-NF 7/93).

Es ist im Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr strittig, dass Aufwendungen, die der Klägerin im Zusammenhang mit dem Bezug der jugoslawischen Pension entstanden sind, bei Berechnung der Ausgleichszulage zur österreichischen Pension die Einkünfte aus der jugoslawischen Pensionsleistung nicht vermindern (SSV-NF 8/23; RIS-Justiz RS0085190). Solche Aufwendungen (wie beispielsweise Kontoführungsspesen oder Spesen für eine Überweisung) erwachsen aus der Verwendung der jugoslawischen Pensionsleistung und sind daher ebensowenig als Abzug zu berücksichtigen wie allfällige gleichartige einem österreichischen Pensionisten erwachsende Spesen (SSV 26/7).

Sind bei der Ausgleichszulagenberechnung Direktleistungen ausländischer Versicherungsträger zu berücksichtigen, so ist allerdings nicht von dem im Ausland ausbezahlten Betrag, sondern von den entsprechenden Schilling- (bzw nunmehr Euro-)Beträgen auszugehen. So hat der Oberste Gerichtshof in der Vergangenheit bereits wiederholt ausgesprochen, dass für den Anspruch auf Ausgleichszulage nicht der in Jugoslawien ausbezahlte Dinarbetrag, sondern dessen Gegenwert in Schilling maßgebend ist (SSV-NF 5/4; 8/107). Beim Bezug einer ausländischen Teilpension hängt daher die Höhe des Anspruches auf Ausgleichszulage auch von dem bei der Umrechnung der ausländischen Teilpension in die in Österreich geltende Währung angewandten Wechselkurs ab. Die beklagte Partei ist im vorliegenden Fall von einem fixen, von der Nationalbank verlautbarten Umrechnungskurs ausgegangen. Dem gegenüber hat die Klägerin geltend gemacht, dass es sich dabei um einen rein nominellen (verbalen) Kurswert ohne reellen Hintergrund handle, da im hier strittigen Zeitraum für den neuen jugoslawischen Dinar als Folge der Kriegsereignisse und der wirtschaftlichen Situation in Jugoslawien in Wahrheit kein realer Handelskurs bestanden habe und damals weder in Jugoslawien noch in Österreich die Möglichkeit bestanden habe, Dinar in Schilling oder in eine sonstige Währung zu tauschen. Zur wirtschaftlichen Situation in Jugoslawien ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Anstieg der Inflation seit 1998 im Jahr 2000 mit 85 % einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Nachdem die neue Regierung im November 2000 teilweise Preiskontrollen aufgehoben und die Bindung des Dinar an die D-Mark gelöst hatte, beschleunigte sich die Preissteigerungsrate weiter, während der im Dezember 2000 offiziell an den früheren Schwarzmarktkurs angepasste Dinar sich seit Jahresbeginn 2001, als das System eines "gesteuerten Floatings" eingeführt wurde, einigermaßen stabilisierte (vgl Bramo/Arnberger, Ausländische Investitionen in der Bundesrepublik Jugoslawien, SWI 2002, 31 f).

Geht man bei der Berechnung des Anspruches auf Ausgleichszulage von dem bereits einleitend dargelegten Grundsatz aus, dass die übrigen Einkünfte des Pensionsberechtigten nur insoweit anzurechnen sind, als sie ihm auch real zur Verfügung stehen, so erweist sich die zur Klärung dieser Frage vom Berufungsgericht beschlossene Aufhebung des Ersturteiles und die Zurückverweisung der Sozialrechtssache an das Erstgericht als zutreffend. Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren mit den Parteien die Frage des tatsächlich realisierbaren Gegenwertes in Schillingbeträgen bzw Eurobeträgen der an die Klägerin im maßgebenden Zeitraum in Jugoslawien ausbezahlten Dinar-Beträge zu erörtern, die zur Klärung dieser Frage notwendigen Beweise aufzunehmen und danach die der Klägerin für die einzelnen Monate im strittigen Zeitraum zustehende Ausgleichszulage zu errechnen haben. Die von der beklagten Partei auch in ihrem Rekurs vertretene Heranziehung des "offiziellen" (von der Nationalbank - unabhängig von einem tatsächlichen Handelskurs des Dinar - verlautbarten) Umrechnungskurses wäre hingegen mit dem sozialen Zweck der Ausgleichszulage, die dem Pensionisten ein zur Bestreitung der Kosten einer einfachen Lebenshaltung in Österreich ausreichendes Mindesteinkommen sichern soll, nicht zu vereinbaren, da der Klägerin ein durch die Kursverluste geschmälerter Teil ihrer jugoslawischen Pension ja tatsächlich nicht zur Verfügung steht und daher auch nicht zur Bestreitung ihrer Lebenshaltung verwendet werden kann (vgl SSV-NF 2/101 ua).

Der Rekurs der beklagten Partei musste daher erfolglos bleiben.