OGH vom 20.12.2011, 8Ob123/11p

OGH vom 20.12.2011, 8Ob123/11p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin Verlassenschaft nach Mag. A***** U*****, zuletzt wohnhaft in *****, vertreten durch MMag. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in Wien, Insolvenzverwalter Dr. Georg Kahlig, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zurückweisung eines Sanierungsplanantrags, über den Revisionsrekurs des Insolvenzverwalters gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 28 R 128/11s 53, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 3 S 85/10k 42, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird im Umfang der Anfechtung, nämlich hinsichtlich der Entscheidung des Rekursgerichts über den Rekurs gegen Pkt 1 des Spruchs des Erstgerichts, aufgehoben und die Insolvenzsache insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss des Erstgerichts vom , 3 S 85/10k 2, wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Vermögen der Schuldnerin besteht im Wesentlichen aus zwei Eigentumswohnungen und einem Zinshausanteil. Der Verkehrswert der beiden Eigentumswohnungen, von denen eine im Wesentlichen unbelastet ist, wurde mit je 250.000 EUR und jener des Zinshausanteils mit 1.400.000 EUR geschätzt. Am machte die Schuldnerin einen Sanierungsplanvorschlag, der in der Folge verbessert wurde (45 %, davon 15 % Barquote und 30 % bis zum ). Dieser Vorschlag wurde von den stimmberechtigten Gläubigern nicht angenommen. Am stellte die Schuldnerin neuerlich einen Sanierungsplanantrag (45,5 %, zahlbar binnen 6 Monaten). Der Insolvenzverwalter sprach sich für die Zurückweisung dieses Antrags aus, weil der Zurückweisungsgrund nach § 142 Z 3 IO vorliege. In der Folge teilte die Schuldnerin mit, dass bei einer neuen Sanierungsplantagsatzung die geforderten Mehrheiten zu erwarten seien; zudem kündigte sie an, bei der nächsten Abstimmung den Sanierungsplanvorschlag zu verbessern.

Das Erstgericht wies den (zweiten) Sanierungsplanantrag der Schuldnerin zurück (Pkt 1 des Spruchs); zudem wies es den Antrag auf einen Verwertungsstopp ab. Ausgehend vom Wert der unbelasteten Liegenschaft (250.000 EUR) und den unbesicherten Insolvenzforderungen (74.179 EUR) erweise sich die angebotene Quote - selbst unter Hinzurechnung weiterer 200.000 EUR nach dem Vorbringen der Bank - als unangemessen; diese widerspreche dem allgemeinen gemeinsamen Interesse der Gläubiger. Der erste Sanierungsplanvorschlag mit einer 45 % Quote und besseren Zahlungsbedingungen sei bereits abgelehnt worden. Auch wenn ein Meinungsumschwung einiger Gläubiger bescheinigt sei, wäre selbst einem angenommenen Sanierungsplan die Bestätigung gemäß § 154 Z 2 IO zu versagen. § 142 IO enthalte keine Kriterien für die Ermessensübung. Diese würden sich aber aus der allgemeinen Pflicht des Insolvenzgerichts zur Wahrung der gemeinsamen Interessen der Insolvenzgläubiger ergeben. Diese Voraussetzung sei nicht gegeben, weshalb der Sanierungsplan gemäß § 142 Z 3 IO zurückzuweisen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Schuldnerin teilweise Folge und behob die Zurückweisung des Sanierungsplanantrags (Pkt 1 des erstgerichtlichen Beschlusses). Die Entscheidung über die Abweisung des Verwertungsstopps hob es zur neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht auf. Soweit im Revisionsrekursverfahren von Interesse führte das Rekursgericht aus, dass die Tatsache, dass der Sanierungsplanvorschlag aus Sicht des Erstgerichts nicht im gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger liege, nicht ausreiche. Vielmehr sei zu klären, ob einer der Tatbestände des § 142 IO erfüllt sei. Im Rahmen der Vorprüfung eines Sanierungsplanantrags sei es nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts, die erstmalige Entscheidung der Gläubiger über einen zulässigen Antrag vorweg zu nehmen. Dem Zweck der Bestimmung (des § 141 Abs 2 Z 5 IO) sei besser entsprochen, wenn die Gläubiger selbst eine Entscheidung über den neuen Sanierungsplanvorschlag treffen würden. Im Vorprüfungsstadium dürfe für die Zurückweisung des Sanierungsplanantrags nicht auf § 154 IO zurückgegriffen werden, weil diese Bestimmung einen angenommenen Sanierungsplan voraussetze. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu den Kriterien für die Ausübung des Ermessens bei einer Zurückweisung nach § 142 Z 3 IO höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen die Behebung des Beschlusses auf Zurückweisung des (zweiten) Sanierungsplanantrags richtet sich der Revisionsrekurs des Insolvenzverwalters, mit dem er die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Beurteilung des Zurückweisungsgrundes nach § 142 Z 3 IO eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten erscheint. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

1. In der Entscheidung 8 Ob 25/11a hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass die Unzulässigkeits- und Versagungsgründe für das Zahlungsplan verfahren in den §§ 194 und 195 KO (IO) taxativ geregelt sind. Die korrespondierenden Bestimmungen für den Zwangsausgleich (jetzt Sanierungsplan) der §§ 141 und 142 KO (IO) seien auf den Zahlungsplan daher nicht anzuwenden. Seinem Wesen nach stelle der Zahlungsplan aber einen Zwangsausgleich (jetzt Sanierungsplan) dar, wenn auch mit gewissen Besonderheiten (vgl auch 8 Ob 146/09t).

Aufgrund der gleichgelagerten Wertung ist konsequenterweise anzunehmen, dass auch den für den Sanierungsplan normierten Unzulässigkeitsgründen (§ 141 IO), weiters den fakultativen Zurückweisungsgründen im Rahmen der Vorprüfung (§ 142 IO) und den Versagungsgründen (§§ 153 und 154 IO) taxativer Charakter zukommt. Diese Ansicht steht mit der herrschenden Meinung im Einklang ( Riel in Konecny/Schubert , KO § 141 Rz 2 und § 142 Rz 1; Mohr in Konecny/Schubert , KO § 153 Rz 2 jeweils mwN).

2.1 Der Insolvenzverwalter vertritt im Revisionsrekurs die Ansicht, dass die gemeinsamen Interessen der Gläubigerschaft „iSd § 154 Z 2 IO“, also die Unangemessenheit der Sanierungsplanquote, bereits im Vorprüfungsverfahren gemäß § 142 Z 3 IO zu berücksichtigen seien. Diese Ausführungen können durchaus dahin verstanden werden, dass die Angemessenheit der Sanierungsplanquote iSd § 154 Z 2 IO allgemein , also ohne weitere Voraussetzungen, bereits im Rahmen der Vorprüfung beachtet werden müsste. Damit würde sich der Insolvenzverwalter auf die dritte Alternative in § 142 Z 3 IO beziehen.

Nach § 142 Z 3 IO kann das Insolvenzgericht einen Sanierungsplanantrag zurückweisen,

- wenn ein Sanierungsplan von den Gläubigern abgelehnt oder

- vom Schuldner nach der öffentlichen Bekanntmachung der Sanierungsplantagsatzung zurückgezogen oder

- wenn der Sanierungsplan vom Gericht nicht bestätigt wurde.

Die Regelungen in § 142 Z 1, 2 und 3 IO entsprechen weitestgehend jenen in § 142 Z 1, 3 und 4 KO ( Jelinek/Zangl , IO 8 162). Gemäß § 142 Z 3 dritte Alternative IO (Z 4 KO) kann demnach ein neuerlicher Sanierungsplanantrag zurückgewiesen werden, wenn einem früheren, bereits angenommenen Sanierungsplan rechtskräftig die Bestätigung versagt wurde (vgl Riel aaO § 142 Rz 16). Die in Rede stehende dritte Alternative verlangt somit einen rechtskräftigen Versagungsbeschluss. Auf das gemeinsame Interesse der Insolvenzgläubiger gemäß § 154 Z 2 IO kann im Vorprüfungsverfahren daher nicht zurückgegriffen werden.

2.2 Im Rahmen seiner Ausführungen bezieht sich der Insolvenzverwalter allerdings auch auf die gemeinsamen Interessen der Insolvenzgläubiger als Kriterium für die Ermessensübung nach § 142 IO. Genau in diesem Zusammenhang hat sich das Erstgericht auf den Tatbestand des § 142 Z 3 erste Alternative IO gestützt.

Die Schlussfolgerungen des Rekursgerichts, dass allein die Tatsache, dass der Sanierungsplanvorschlag aus Sicht des Erstgerichts nicht im gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger liege, für die Zurückweisung noch nicht ausreiche, sowie dass im Vorprüfungsstadium nicht auf § 154 IO zurückgegriffen werden dürfe, sind durchaus richtig. Das Rekursgericht darf aber nicht unterstellen, dass das Erstgericht den Versagungsgrund des § 154 Z 2 IO als zusätzliche (analoge) Voraussetzung für das Vorprüfungsverfahren heranzieht. Entgegen den Überlegungen des Rekursgerichts stützt sich das Erstgericht auch nicht auf den Unzulässigkeitsgrund der Verschleppungsabsicht nach § 141 Abs 2 Z 5 IO.

In Wirklichkeit zieht das Erstgericht die allgemeinen gemeinsamen Interessen der Insolvenzgläubiger (lediglich) als Beurteilungskriterium für die Ermessensübung iSd § 142 IO heran. Den Zurückweisungsgrund erblickte es dabei nicht in § 154 Z 2 IO (analog), sondern vielmehr in § 142 Z 3 erste Alternative IO. Es folgt dabei ausdrücklich der Ansicht von Riel (aaO § 142 Rz 2). Danach enthalte § 142 KO (IO) keine näheren Kriterien für die Ermessensübung. Diese würden sich aber aus der allgemeinen Pflicht des Insolvenzgerichts zur Wahrung der gemeinsamen Interessen der Insolvenzgläubiger ergeben. Im Vorprüfungsverfahren gemäß § 142 KO (IO) sei daher zu klären, ob einer der Tatbestände des § 142 leg cit erfüllt sei, und ob die Durchführung des Sanierungsplanverfahrens aus diesem Grund im konkreten Fall dem gemeinsamen Interesse der Konkursgläubiger widerspreche. Die Anwendung des § 142 sollte maßhaltend und nur nach sorgfältiger Abwägung der vor allem die Gläubigerschaft berührenden Belange erfolgen.

2.3 Der Tatbestand des § 142 Z 3 erste Alternative IO besteht darin, dass ein früherer Sanierungsplan von den Gläubigern bereits abgelehnt wurde. In einem solchen Fall ist nach den dargestellten Grundsätzen, die der erkennende Senat für zutreffend erachtet, unter Heranziehung der gemeinsamen Interessen der Gläubiger als Beurteilungskriterium eine fakultative Zurückweisung des neuerlichen Sanierungsplanantrags möglich. Dem Insolvenzgericht kommt dabei ein gewisser (gebundener) Ermessensspielraum zu.

3. Aus der Entscheidung des Rekursgerichts geht nun nicht klar hervor, ob es unter Zugrundelegung der dargestellten Rechtsansicht die Ermessensentscheidung des Erstgerichts überprüft. Gegen diese Annahme sprechen einerseits die Beurteilung des Rekursgerichts, dass im Vorprüfungsverfahren der Sanierungsplanantrag vor einer Abstimmung durch die Gläubiger niemals zurückgewiesen werden dürfe, sowie andererseits der Hinweis, dass im Vorprüfungsverfahren die Zurückweisung nicht auf § 154 IO gestützt werden dürfe.

Aufgrund dieser Unklarheiten ist die Entscheidung des Rekursgerichts im Umfang der Anfechtung aufzuheben und dem Rekursgericht Gelegenheit zu geben, die Ermessensentscheidung des Erstgerichts auf Basis des § 142 Z 3 erste Alternative IO nach den dargestellten Grundsätzen und nach Maßgabe der entsprechenden Ausführungen im Rekurs des Insolvenzverwalters inhaltlich zu überprüfen. In diesem Sinn war dem Revisionsrekurs Folge zu geben.