VfGH vom 22.02.1999, B2162/97
Sammlungsnummer
15399
Leitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit in der Frage des landwirtschaftlichen Charakters der kaufgegenständlichen Grundstücke bei Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Kaufvertrages
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer binnen 14 Tagen die Kosten dieses verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens in Höhe von S 1.800,-- bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte, an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde wendet sich gegen den Berufungsbescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung, mit welchem unter Berufung auf § 3 Abs 1 lita, § 4 Abs 1 und § 6 Abs 1 litc des Grundverkehrsgesetzes 1983, LGBl. für Tirol 69/1983, idF des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 47/1991 (im folgenden: GVG 1983) i. V.m. § 40 Abs 3 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996, LGBl. für Tirol 61/1996, die begehrte grundverkehrsbehördliche Zustimmung zum Kauf zweier Grundstücke im Ausmaß von 15 bzw.
1.724 m2 (aufgrund des Kaufvertrages vom , der erst mit Schriftsatz vom der Grundverkehrsbehörde angezeigt worden war) versagt wurde. Ein erster Kaufversuch (Kaufvertrag vom ) war ebenfalls an der Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung (Berufungsbescheid vom ) gescheitert.
Die belangte Behörde stützt ihre abweisliche Entscheidung darauf, es handle sich um landwirtschaftliche Grundstücke im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 GVG 1983 und der Beschwerdeführer habe im gesamten Verwaltungsverfahren nicht einmal behauptet, "eine dem Gesetz entsprechende Selbstbewirtschaftung der verfahrensgegenständlichen Grundstücke im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes vornehmen zu wollen. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß der Berufungswerber zu einer dem Gesetz entsprechenden Selbstbewirtschaftung auf Betriebsbasis auch gar nicht in der Lage wäre".
2. Die Beschwerde behauptet die Verletzung in bestimmten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere in jenem auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Der Beschwerdeführer habe schon auf Verwaltungsebene vorgetragen, die Grundstücke seien über mehr als 30 Jahre nicht mehr landwirtschaftlich genutzt worden.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet; in ihr verteidigt sie den angefochtenen Bescheid und beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Die Beschwerde vermeint, es liege ein Fall vor, der mit jenem vergleichbar sei, welcher mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 11437/1987 erledigt worden sei; in jenem Fall sei das Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages weder als land- noch als forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne des GVG 1983 zu beurteilen gewesen. Auch hier habe der Beschwerdeführer schon auf Verwaltungsebene vorgebracht, die Grundstücke seien mehr als 30 Jahre nicht landwirtschaftlich genutzt worden, und es liege kein landwirtschaftlicher Betrieb vor. Zwar werde im angefochtenen Bescheid ausgeführt, die Grundstücke seien zumindest in den Wirtschaftsjahren 1995 und 1996 landwirtschaftlich genutzt gewesen, der Bescheid lasse jedoch offen, ob sie auch im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages land- oder forstwirtschaftlich genutzt gewesen seien.
1.2. Zutreffend verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf, daß sie den Charakter der Grundstücke als landwirtschaftlich im Sinne des Tiroler Grundverkehrsrechtes vor dem Hintergrund der rechtskräftigen Entscheidung vom bejaht habe. Ferner ist unbestritten, daß Erhebungen über die Gegebenheiten in den Jahren 1995 und 1996 vorliegen.
Die belangte Behörde übersieht jedoch, daß es sich nicht um die Genehmigung des Kaufvertrages aus dem Jahre 1971, sondern um jenen aus dem Jahre 1980 handelt. Ob aber damals das Grundstück ein landwirtschaftliches im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 GVG 1983 war, wurde nicht erhoben. Gewiß mag es naheliegen, anzunehmen, daß ein Grundstück, welches zu Beginn der 70er Jahre und 1995 und 1996 landwirtschaftlich genutzt wurde, auch in der Zwischenzeit der gleichen Nutzung zugeführt worden ist. Doch finden sich im angefochtenen Bescheid diesbezüglich weder nähere Erwägungen noch basiert eine solche Annahme auf konkreten Erhebungen.
2. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 13514/1993, 13821/1994, 13933/1994, 14305/1995, 14424/1996, ) wurde deshalb der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, weil im zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterblieb.
Der angefochtene Bescheid war deshalb aufzuheben.
III. 1. Der Kostenzuspruch stützt
sich auf § 88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten sind S 300,-- an Umsatzsteuer enthalten.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4, erster Satz, VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.