VfGH vom 10.06.1991, B216/91
Sammlungsnummer
12713
Leitsatz
Keine kompetenzrechtlichen Bedenken gegen die Qualifikation einer juristischen Person als Ausländerin im Vlbg GVG aufgrund der überwiegenden Beteiligung von ausländischen Staatsangehörigen am Gesellschaftskapital; kein Eingriff in das verfassungsgesetzlich geschützte Eigentumsrecht
Spruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführerin ist eine in Vorarlberg ansässige Baugesellschaft, die in der Rechtsform einer OHG betrieben wird. Ihre beiden Gesellschafter sind Staatsangehörige von Liechtenstein.
2. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat am 18. Dezember 1979 einen Kaufvertrag über den Erwerb des Grundstückes EZ 3502, GStNr 2039/106, KG Altenstadt abgeschlossen. Mit Schriftsatz vom 31. Mai 1988 hat sie die grundverkehrsbehördliche Genehmigung dieses Grundstückserwerbes beantragt. Die Grundverkehrs-Landeskommission versagte mit Bescheid vom 27. April 1989 diese Genehmigung. Die dagegen eingebrachte Berufung wurde vom Grundverkehrssenat des Landes Vorarlberg unter Verweis auf § 66 Abs 4 AVG iVm § 5 Abs 2 litc des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1977 idF LGBL. Nr. 63/1987 (in der Folge kurz: GVG), abgewiesen. Der Grundverkehrssenat begründet seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:
"Gemäß § 5 Abs 2 Grundverkehrsgesetz ist ein Rechtserwerb durch Ausländer nur zu genehmigen, wenn land- und forstwirtschaftliche Interessen nicht verletzt werden, staatspolitische Interessen nicht beeinträchtigt werden und am Rechtserwerb ein kulturelles, volkswirtschaftliches oder soziales Interesse besteht.
Es ist unbestritten, daß die Berufungswerberin Ausländerin im Sinne des § 1 Abs 3 litc Grundverkehrsgesetz ist. Gesellschafter der Firma H OHG sind zwei liechtensteinische Staatsbürger. An der Berufungswerberin sind somit ausschließlich Ausländer, nämlich natürliche Personen, welche die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, beteiligt. Gemäß § 1 Abs 1 litb fällt der Verkehr mit Grundstücken unter die Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes, sofern an diesen Ausländer Rechte erwerben.
Zur Genehmigung des gegenständlichen Rechtserwerbes fehlt vor allem die Voraussetzung des § 5 Abs 2 litc GVG. Ein kulturelles oder soziales Interesse wurde weder behauptet noch glaubhaft gemacht. Ein volkswirtschaftliches Interesse fehlt jedoch schon deshalb, weil aufgrund der Ermittlungen als erwiesen anzunehmen ist, daß der Erwerbszweck durch die Berufungswerberin nicht verwirklicht werden kann. Erwerbszweck ist der Kiesabbau auf dem Kaufgrundstück. Den Stellungnahmen der Organe der Stadt Feldkirch und der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch ist zu entnehmen, daß eine Bewilligung für den beabsichtigten Kiesabbau nicht erteilt würde und daß der Berufungswerberin die Sicherung eines Kiesabbaurechtes ausreichen würde. Auch der geologische Amtssachverständige kommt zum Ergebnis, daß die alte Abfalldeponie in der Alten Rüttenen nach Durchführung einiger Sicherungsmaßnahmen an Ort und Stelle verbleiben könnte, was einen Kiesabbau auf dem Kaufgrundstück verunmöglichen würde. Somit ist davon auszugehen, daß am Rechtserwerb auch kein volkswirtschaftliches Interesse besteht.
Da schon die Voraussetzungen des § 5 Abs 2 litc für die Genehmigung des gegenständlichen Kaufes fehlen, erübrigt es sich, auf die anderen Voraussetzungen des § 5 Abs 2 GVG einzugehen."
II. Dagegen wendet sich die auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Die Beschwerdeführerin begründet dieses Beschwerdevorbringen wie folgt:
"Nach § 1 Abs 3 litc Grundverkehrsgesetz gelten als Ausländer Personengesellschaften des Handelsrechts mit Sitz im Inland, wenn an ihnen überwiegend oder ausschließlich Ausländer beteiligt sind. Dieser Tatbestand ist - unbestrittenerweise - auf die Beschwerdeführerin anwendbar. Ihre beiden Gesellschafter sind Liechtensteiner Staatsbürger.
Nach der Kompetenzlage kann der Landesgesetzgeber grundverkehrsbehördliche Beschränkungen für zwei Bereiche erlassen, nämlich einerseits für den Bereich landwirtschaftlicher Grundflächen - zur Erhaltung und Sicherung eines leistungsfähigen Bauernstandes - und im Bereich des Ausländergrunderwerbs - zur Sicherung gegen den 'Ausverkauf der Heimat'.
Darüber hinaus kann der Landesgesetzgeber gesetzliche Bestimmungen erlassen, um Umgehungsgeschäfte des Grundverkehrsrechts zu verhindern.
Was nun der Inhalt des Kompetenztatbestandes 'Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen' im Sinne des Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG darstellt, ist jedenfalls nicht Angelegenheit des Landesgesetzgebers, sondern Inhalt des Ausländerbegriffs im Sinne der Kompetenzrechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs.
Der Landesgesetzgeber ist also nicht autonom und uneingeschränkt berechtigt, zum Ausländer zu erklären, wen immer er als solchen erklären will.
Wenn der Landesgesetzgeber den Ausländerbegriff weiter zieht, als es der Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG zuläßt, dann ist eine solche Bestimmung verfassungs-, weil kompetenzwidrig. Genau dies behauptet die Beschwerdeführerin von der für sie maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs 3 litc GVG.
Hinzu kommt, daß die Beschwerdeführerin als Gesellschaft mit Sitz im Inland mit anderen Mitbewerbern im Wettbewerb steht, die für sie günstigere gesetzliche Bestimmungen des Grunderwerbs geltend machen können.
Soweit die Beschwerdeführerin also Inländerin im Sinne anderer Grundrechtsbestimmungen (z.B. des Diskriminierungsverbots) sein sollte, wäre sie durch derartige Regelungen auch diskriminiert, weil ihr Zugang zu den für sie unerläßlichen Betriebsmitteln (eine Baufirma braucht Kies) verwehrt wird.
Schließlich kommt hinzu, daß die Beschwerdeführerin als Gesellschaft mit Sitz in Österreich hier erwerbstätig ist und als solche den Grundrechtsschutz des Eigentumsrechts nach Art 1 des
1. ZP zur EMRK geltend machen kann, der jedermann gewährleistet ist, also auch Ausländern.
Es spielt also zum einen die Frage des Kompetenztatbestandes, es spielt zum anderen die Frage der Inländerstellung nach dem Gleichheitsgrundsatz, und es spielt schließlich das Eigentumsrecht für die Prüfung der maßgeblichen Gesetzesstelle eine entscheidende Rolle.
Eines ist offenkundig, die Regelungen über den Ausländergrunderwerb sind ungünstiger als jene über den Inländergrunderwerb, die unterschiedliche Behandlung müßte also sachlich gerechtfertigt sein, um als verfassungskonform angesehen werden zu können.
Der Landesgesetzgeber 'könnte auch anders', wenn er sich an die verfasssungsrechtlichen Beschränkungen halten wollte.
Im § 3 Abs 1 liti GVG hat er nämlich Beteiligungen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Personengesellschaften des Handelsrechts nur insofern grundverkehrsbehördlich genehmigungspflichtig gemacht, als der überwiegende Teil des Grundvermögens dieser Gesellschaften in Vorarlberg, gemessen am Einheitswert, vor weniger als fünf Jahren erworben wurde.
Nach dieser Bestimmung wäre also ein Erwerb von Anteilen an der Beschwerdeführerin durch einen anderen Ausländer problemlos, weil die Beschwerdeführerin seit mehr als fünf Jahren die Mehrheit ihres in Vorarlberg liegenden Vermögens besitzt und verwertet.
Es stellt sich also die Frage, ob nach der Kompetenzlage und nach den allgemeinen begrifflichen Vorstellungen die Beschwerdeführerin Ausländerin ist oder nicht. Ist sie nach allgemeinem Rechtsverständnis und damit nach der Kompetenzlage nicht Ausländerin, dann ist § 1 Abs 3 litc GVG präjudiziell und verfassungswidrig, dann ist § 1 Abs 3 litc (wie oben dargetan) nicht nur verfassungswidrig, sondern wurde die Beschwerdeführerin durch diese verfassungswidrige Bestimmung auch konkret geschädigt.
..."
Das übrige Beschwerdevorbringen rügt insbesondere die Verletzung des Rechtes auf ein faires Verfahren durch die - nach Ansicht der Beschwerdeführerin - unrichtige Zusammensetzung des Grundverkehrssenates des Landes Vorarlberg.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die beschwerdeführende Gesellschaft lastet der Behörde zunächst mehrere Verfahrensfehler an.
a) Zur Widerlegung der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Behauptung, der Grundverkehrssenat sei auf eine dem Art 6 MRK widersprechende Weise zusammengesetzt gewesen, genügt es, auf die hg. Erkenntnisse vom 19. Juni 1989, B147/89 und B244/89, zu verweisen (vgl. weiters zB die in dieselbe Richtung gehenden Erkenntnisse VfSlg. 10639/1985, 11131/1986, 11689/1988, 11690/1988). Die damals entschiedenen Beschwerden wurden vom selben Rechtsanwalt wie die nun vorliegende Beschwerde eingebracht. Die Beschwerden gleichen einander in den wesentlichen Belangen. Der Beschwerdevertreter bringt in der neuen Beschwerde nichts gegen die zitierte Judikatur vor.
Besondere Umstände, die im hier zu entscheidenden Fall berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit der Mitglieder des Grundverkehrssenates entstehen lassen, haben sich nicht ergeben.
2.a) Die vorliegende Beschwerde stellt weiters die Zuständigkeit des Grundverkehrssenates für das Land Vorarlberg in der gegenständlichen Rechtssache in Frage.
b) Die maßgeblichen Bestimmungen des GVG lauten:
"§1.(1) Den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegen
a) ...
(3) Als Ausländer im Sinne dieses Gesetzes gelten
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a) | natürliche Personen, welche die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen; | |||||||||
b) | juristische Personen und Personengesellschaften des Handelsrechtes, die ihren Sitz im Ausland haben; | |||||||||
c) | juristische Personen und Personengesellschaften des Handelsrechtes mit dem Sitz im Inland, an denen ausschließlich oder überwiegend Ausländer gemäß lita oder b beteiligt sind oder deren geschäftsführenden Organen mindestens zur Hälfte Ausländer angehören; | |||||||||
d) | ..." |
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3.a) Der Verfassungsgesetzgeber hat durch ArtI des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. 27/1969 den Kompetenztatbestand "Zivilrechtswesen" des die Zuständigkeit des Bundes in Gesetzgebung und Vollziehung normierenden Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG insoferne eingeschränkt, als er "...Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen" ausnimmt. Ob ein Rechtsträger "Ausländer" im Sinne dieser Gesetzesbestimmung ist und damit sein Recht, inländische Liegenschaften zu erwerben, durch den Landesgesetzgeber im Einklang mit Art 6 StGG beschränkt werden kann, bestimmt sich bei physischen Personen nach ihrer Staatsangehörigkeit. Ausländer ist danach, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt (vgl. 884 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, 11. GP, S. 4). Darüber, welche Gesichtspunkte für die Beurteilung der Ausländereigenschaft bei juristischen Personen und bei Personengesellschaften maßgebend sind, findet sich in den Materialien zum BVG BGBl. 27/1969 keine ausdrückliche Aussage. Daraus folgt aber nicht, daß der Liegenschaftserwerb durch juristische Personen und Personengesellschaften aufgrund dieser Verfassungsnorm überhaupt keinen Beschränkungen unterworfen werden dürfte. Vielmehr stellt sich die Frage, aufgrund welcher Kriterien eine juristische Person als "Ausländerin" zu qualifizieren ist. |
b) Nach der Sitz- und Inkorporationstheorie wäre ausschließlich der Sitz der juristischen Person maßgebend dafür, ob sie als Ausländerin anzusehen ist oder nicht. Diese Ansicht ist allerdings verfehlt; der Verfassungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis VfSlg. 7230/1973 ausgesprochen, daß eine landesgesetzliche Regelung, die eine juristische Person dann als Ausländerin qualifiziert, wenn ihr Gesellschaftskapital ganz oder zum Teil in ausländischem Besitz ist, verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Analoges gilt auch für Personengesellschaften. Gegen § 1 Abs 3 litc GVG bestehen sohin keine Normbedenken.
Der Behörde sind keine (in die Verfassungssphäre reichenden) Vollzugsfehler anzulasten. Da die beiden Gesellschafter der beschwerdeführenden Gesellschaft liechtensteinische Staatsangehörige sind, ist es nämlich unzweifelhaft, daß es sich bei der Gesellschaft um eine Ausländerin handelt und damit die Kompetenz des Grundverkehrssenates des Landes Vorarlberg gegeben ist (VwGH vom 8.Oktober 1985, 85/07/0176).
4. Die Berufung der Beschwerdeführerin auf Art 5 StGG und ArtI des 1. Zusatzprotokolles zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 210/1958, (der gemäß ArtII Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 4. März 1964, BGBl. 59/1964, im Verfassungsrang steht; vgl. VfSlg. 5100/1965, 5102/1965) geht ebenso ins Leere. Die zitierten Grundrechtsbestimmungen schützen Eigentum nur soweit, als nicht die Gesetze einen Eingriff erlauben. Es könnte zwar ein einfaches Gesetz das verfassungsgesetzlich geschützte Eigentumsrecht verletzen, aber nur dann, wenn das Gesetz in seiner Wirkung einer Aufhebung des Grundrechtes gleichkäme (vgl. VfSlg. 3929/1961). Eine derartige Wirkung hat jedoch das Vorarlberger Grundverkehrsgesetz nicht. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Eigentumseingriffes steht hier - ohne daß es einer weiteren Begründung bedarf - deshalb fest, weil Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG (in der seit 22. Jänner 1969 geltenden Fassung) ausdrücklich Regelungen vorsieht, "die den Grundstücksverkehr für Ausländer verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen".
5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes hat daher nicht stattgefunden. Eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte in anderer Hinsicht ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
6. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 1 VerfGG ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.