zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 23.07.2002, 10ObS166/02p

OGH vom 23.07.2002, 10ObS166/02p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Andrea Komar (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Peter H*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen vorzeitiger Alterspension bei Arbeitslosigkeit, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 422/01d-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 11 Cgs 207/00m-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird gemäß Art 234 EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"Ist die Ausnahme in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit so auszulegen, dass sie auf eine Leistung wie die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit anwendbar ist, für die im nationalen Recht ein für Männer und Frauen unterschiedliches Rentenalter festgesetzt wurde?"

II. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt. Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Revisionsverfahren von Amts wegen fortgesetzt werden.

Text

Begründung:

Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde der Antrag des am geborenen Klägers auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit mit der Begründung abgelehnt, dass Voraussetzung für den Anspruch auf diese Leistung gemäß § 253a Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) in der geltenden Fassung bei männlichen Versicherten die Vollendung des 738. Lebensmonates (61 ½. Lebensjahres) sei; da der Kläger dieses Lebensalter erst am vollenden werde, sei der Versicherungsfall des Alters noch nicht eingetreten. Das Erstgericht wies das vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene und auf die Gewährung der beantragten Leistung ab dem Stichtag gerichtete Klagebegehren ab, wobei es dem von der beklagten Partei im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsstandpunkt folgte. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und bestätigte das angefochtene Urteil. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die vom Kläger begehrte Leistung unter den Ausnahmetatbestand des Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7/EWG falle, weshalb das für Männer und Frauen unterschiedliche Pensionsanfallsalter nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße. Der Kläger erhob gegen dieses Urteil rechtzeitig Revision und beantragt - allenfalls nach Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH - die Abänderung im Sinne einer Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit ab .

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt. Die für die Beurteilung des vorliegenden Falles maßgebliche Bestimmung des § 253a Abs 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) in der ab geltenden Fassung lautet:

"Vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit

§ 253a. (1) Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit hat der Versicherte nach Vollendung des 738. Lebensmonates, die Versicherte nach Vollendung des 678. Lebensmonates, wenn


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
die Wartezeit (§ 236) erfüllt ist,
2.
am Stichtag mindestens 180 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben sind, wobei die im § 236 Abs 4a genannten Ersatzzeiten als Beitragszeiten der Pflichtversicherung gelten; hat der (die) Versicherte mindestens 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben, so werden Ersatzmonate nach den §§ 227a und 228a dieses Bundesgesetzes, nach § 116a GSVG und nach § 107a BSVG in vollem Umfang berücksichtigt, und
3. der (die) Versicherte am Stichtag (§ 223 Abs 2) die Voraussetzung des § 253b Abs 1 Z 4 erfüllt und innerhalb der letzten 15 Monate vor dem Stichtag (§ 223 Abs 2) mindestens 52 Wochen wegen Arbeitslosigkeit eine Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung bezogen hat,
für die weitere Dauer der Arbeitslosigkeit. Bei der Feststellung der Voraussetzungen für einen solchen Anspruch haben jedoch Beitragsmonate der freiwilligen Versicherung für die Erfüllung der Wartezeit außer Ansatz zu bleiben."
Die beklagte Partei hält dem Begehren des Klägers nur entgegen, dass er noch nicht das 738. Lebensmonat (61 ½. Lebensjahr) vollendet habe und ein Anspruch auf die begehrte Leistung aus diesem Grund nicht bestehe. Die weiteren Anspruchsvoraussetzungen sind ebensowenig bestritten wie der Umstand, dass der Kläger zum Stichtag das 678. Lebensmonat (56 ½. Lebensjahr) vollendet hat. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass das unterschiedliche Anfallsalter für Männer und Frauen dem gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz widerspreche und für seinen Anspruch - ebenso wie für weibliche Versicherte - die Vollendung des 678. Lebensmonates ausreiche.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof sieht sich aus folgenden Erwägungen veranlasst, den EuGH um eine Vorabentscheidung zu der oben formulierten Frage zu ersuchen:

Die historische Wurzel der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit gemäß § 253a ASVG ist die seinerzeit nur in der Pensionsversicherung der Angestellten bestandene "Berufsunfähigkeitsrente bei Arbeitslosigkeit" nach § 272 idF des Stammgesetzes (BGBl 1955/189). Auf sie bestand Anspruch, wenn der Versicherte die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen (Wartezeit) erfüllt und das 60. Lebensjahr vollendet hatte sowie seit mindestens einem Jahr ununterbrochen arbeitslos war. Die 3. ASVG-Novelle (BGBl 1957/294) hat diese Leistung in den § 253 transponiert und sie damit zu einer auch für den Bereich der Pensionsversicherung der Arbeiter wirksamen Leistung aus dem Versicherungsfall des Alters gemacht ("vorzeitige Altersrente bei Arbeitslosigkeit"). Anspruch auf diese Leistung hatte der Versicherte nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für den Anspruch (Wartezeit) erfüllt sind und der (die) Versicherte innerhalb der letzten 13 Monate vor dem Stichtag mindestens 52 Wochen wegen Arbeitslosigkeit eine Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung bezogen hat. Durch die 8. ASVG-Novelle (BGBl 1960/294) wurde diese Leistung in den § 253a transponiert. Im Rahmen der Pensionsreform durch das Sozialrechtsänderungsgesetz 2000 (BGBl I 2000/92) wurde für die vorzeitige Alterspension das frühestmögliche Pensionsantrittsalter allgemein angehoben, sodass auch das Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit beginnend ab stufenweise erhöht wird, bis ab ein Pensionsanfallsalter von 56 ½ Jahren (Vollendung des 678. Lebensmonates) bei Frauen und 61 ½ Jahren (Vollendung des 738. Lebensmonates) bei Männern erreicht ist.

Die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit hat den Zweck, den Anfall der Alterspension für Fälle vorzuziehen, in denen die Wiedereingliederung des Versicherten in den Arbeitsprozess zufolge Alters, Krankheit, verminderter Leistungsfähigkeit udgl. kaum oder nur schwer möglich ist, und sich dies darin manifestiert, dass der Versicherte durch eine bestimmte Zeit, nämlich durch 52 Wochen, eine Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung bezogen hat. In der Rechtssache C-104/98, Buchner, Slg 2000, I-3625 Randnr 20 f hat der EuGH zu der eine vergleichbare Zielsetzung verfolgenden Pensionsart der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit darauf hingewiesen, dass die Gewährung dieser Leistung zwar vom Erreichen eines bestimmten Alters abhängig sei, die Leistung jedoch nur Personen gewährt werde, die infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande seien, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und diese Leistung daher nicht als Altersrente im Sinne des Art 7 Abs 1 lit a der RL zu qualifizieren sei. In Betracht kommen könnte auch eine Qualifizierung der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit gemäß § 253a ASVG als Leistung bei Arbeitslosigkeit im Sinne des Art 3 Abs 1 lit a letzter Fall der RL (Versorgung von Langzeitarbeitslosen aus der Pensionsversicherung). Für den Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen Arbeitslosigkeit darf der Versicherte am Stichtag weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig sein, wobei nur ein Einkommen bis zur Geringfügigkeitsgrenze nicht schadet (§ 253b Abs 1 Z 4 ASVG). Die Pension fällt weg, sobald der Leistungsbezieher ein Erwerbseinkommen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze erzielt (§ 253a Abs 3 ASVG). Mit Erreichen des Regelpensionsalters des § 253 ASVG (65 Jahre für Männer, 60 Jahre für Frauen) gebührt die Pension als Alterspension (§ 253a Abs 5 ASVG).

Der Oberste Gerichtshof hat aus folgenden Erwägungen Bedenken gegen die Vereinbarkeit des für die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit vorgesehenen unterschiedlichen Anfallsalters ("Rentenalters") für Männer und Frauen mit dem Gemeinschaftsrecht und Zweifel an dessen Auslegung:

Artikel 1 der Richtlinie des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (79/7/EWG) vom - im Folgenden kurz Richtlinie - umschrieb als Ziel der Regelung, dass auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit und der sonstigen Bestandteile der sozialen Sicherung im Sinne von Artikel 3 der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit schrittweise verwirklicht wird. Die Richtlinie findet gemäß ihrem Artikel 3 unter anderem auf die gesetzlichen Systeme Anwendung, die Schutz gegen Invalidität, Alter und Arbeitslosigkeit bieten. Der Grundsatz der Gleichbehandlung beinhaltet gemäß Art 4 den Fortfall jeglicher unmittelbarer oder mittelbarer Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes, insbesondere betreffend den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen. Nach Art 7 Absatz 1 Buchstabe a steht die Richtlinie aber nicht der Befugnis der Mitgliedsstaaten entgegen, die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen von ihrem Anwendungsbereich auszuschließen. Nach Abs 2 dieser Norm haben die Mtigliedsstaaten in regelmäßigen Abständen die auf Grund des Absatzes 1 ausgeschlossenen Bereiche zu überprüfen, um festzustellen, ob es unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung in dem Bereich gerechtfertigt ist, die betreffenden Ausnahmen aufrecht zu erhalten. Der Oberste Gerichtshof geht im vorliegenden Fall davon aus, dass der Kläger in den persönlichen Geltungsbereich der Richtlinie fällt, die strittige Leistung zum sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie gehört und sie auch diskriminierenden Charakter hat, da das Mindestalter für ihre Gewährung für Männer und Frauen unterschiedlich ist. Entscheidend ist somit, ob die in Artikel 7 Abs 1 Buchstabe a der Richtlinie vorgesehene Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit auf die strittige vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit, für die eine für Männer und Frauen unterschiedliche Altersgrenze gilt, anwendbar ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist diese in Artikel 7 Abs 1 Buchstabe a der Richtlinie enthaltene Möglichkeit einer Ausnahme eng auszulegen (vgl insbesondere Urteil vom in der Rechtssache C-104/98, Buchner, Slg 2000, I-3625 Randnr 21, Urteil vom in der Rechtssache C-154/96, Wolfs, Slg 1998, I-6173 Randnr 24 und vom in der Rechtssache C-328/91, Thomas und andere, Slg 1993, I-1247, Randnr 8). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist für die Beurteilung einer Leistung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht nicht deren Einordnung nach dem jeweiligen nationalen Recht, sondern der Zweck, der mit der Leistung verfolgt wird, maßgebend. Im österreichischen Schrifttum wird aus den Ausführungen des Gerichtshofes in der Rechtssache Buchner abgeleitet, dass nur jene Leistungen unter den Begriff der Alters- bzw Ruhestandsrente im Sinn des Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie zu subsumieren seien, bei denen die Erreichung eines bestimmten Alters - von der Erfüllung gewisser Wartefristen abgesehen - die einzige Voraussetzung für die Leistungsgewährung darstelle. Trete jedoch zur Leistungsvoraussetzung "Alter" ein weiteres Kriterium - wie im Fall des § 253a ASVG das Bestehen von Arbeitslosigkeit beim Leistungswerber - hinzu, so sei eine derartige Leistung nicht mehr als Alters- bzw Ruhestandsrente im Sinne des Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie zu qualifizieren (vgl auch , C-102/95 und C-103/95, Martinez Losada ua, Slg 1997, I-869; , Rs C-320/95, Alvite, Slg 1999, I-951).

Auch nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes erscheint es bei der gebotenen engen Auslegung der Ausnahmebestimmung jedenfalls zweifelhaft, ob es sich bei der hier zu qualifizierenden Leistung um eine Alters- bzw Ruhestandsrente im Sinne des Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie handelt, da diese Leistung, wie bereits erwähnt, den Zweck verfolgt, den Anfall der Alterspension für Fälle vorzuziehen, in denen die Wiedereingliederung des Versicherten in den Arbeitsprozess zufolge Alters, Krankheit, verminderter Leistungsfähigkeit udgl kaum oder nur schwer möglich ist, und daher der daraus resultierende Anspruch auf eine Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung durch 52 Wochen ein wesentliches Element bei der Qualifizierung der Leistung darstellt. Es kann daher die Arbeitslosigkeit der betroffenen Person als das die Leistung prägende Kriterium gesehen werden, zu welchem die Erreichung einer bestimmten Altersgrenze und die Erfüllung von Anwartschaftszeiten lediglich ergänzend hinzutreten.

Wird eine Qualifizierung der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit als "Altersrente" verneint, stellt sich noch die Frage, ob diese Leistung unter den Begriff der "anderen Leistungen" im Sinne des Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie subsumiert werden kann, "auf die das unterschiedliche Rentenalter Auswirkungen hat".

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist der Bereich der zulässigen Ausnahme auf Diskriminierungen beschränkt, die notwendig und objektiv mit dem unterschiedlichen Rentenalter verbunden sind (vgl insbesondere das Urteil Buchner, Randnr 25 mwN). Der Art der in Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme lässt sich entnehmen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Mitgliedsstaaten ermächtigen wollte, die Bevorzugung von Frauen im Zusammenhang mit dem Ruhestand vorübergehend aufrecht zu erhalten, und dass er ihnen damit ermöglichen wollte, die Rentensysteme in dieser Frage schrittweise zu ändern, ohne deren komplexes finanzielles Gleichgewicht zu erschüttern, dessen Bedeutung er nicht verkennen konnte (Urteil Wolfs Randnr 25 und vom in der Rechtssache C-377/96 bis C-384/96, De Vriendt ua, Slg 1998, I-2105, Randnr 26 mwN). Es kann daher die nach Maßgabe des Geschlechts unterschiedliche Festsetzung des Alters in einer Regelung über andere Leistungen als Alters- und Ruhestandsrenten nur gerechtfertigt sein, wenn diese Ungleichbehandlung objektiv erforderlich ist, um zu verhindern, dass das finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit gefährdet wird, oder um die Kohärenz zwischen dem System der Ruhestandsrenten und dem System der anderen Leistungen zu gewährleisten (vgl Urteil Buchner, Randnr 26; Urteile Thomas ua, Randnr 12 mwN).

Was die Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im Dezember 2001 in Österreich 1,083.134 Alterspensionen,

123.220 vorzeitige Alterspensionen bei langer Versicherungsdauer,

82.852 vorzeitige Alterspensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bzw Erwerbsunfähigkeit (diese Pensionsart wurde vom Gesetzgeber mit aufgehoben) und 15.386 vorzeitige Alterspensionen bei Arbeitslosigkeit (2.860 Pensionen an Männer und 12.526 Pensionen an Frauen) ausbezahlt wurden (Quelle: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger - SozSi 2002, 270 f). Der Anteil der im Dezember 2001 ausbezahlten vorzeitigen Alterspensionen bei Arbeitslosigkeit an den insgesamt ausbezahlten Alterspensionen und vorzeitigen Alterspensionen betrug somit knapp 1,2 %. Weiters wurden im Dezember 2001 insgesamt 381.228 Pensionen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw Erwerbsunfähigkeit ausbezahlt. Nach der Rechtsprechung des EuGH können Haushaltserwägungen sozialpolitischen Entscheidungen eines Mitgliedsstaats zwar zu Grunde liegen und die Art oder das Ausmaß der sozialen Schutzmaßnahmen, die er treffen möchte, beeinflussen, sie stellen als solche jedoch kein mit der Sozialpolitik verfolgtes Ziel dar und können daher eine Diskriminierung nach dem Geschlecht nicht rechtfertigen (vgl Urteil Buchner, Randnr 28 mwN). Dass die Aufhebung der Diskriminierung, um die es im vorliegenden Verfahren geht, schwerwiegende Auswirkungen auf das finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit insgesamt haben würde, ist nicht erkennbar.

Was die Gewährleistung der Kohärenz zwischen der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit und der Alterspension des § 253 ASVG betrifft, besteht ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Leistungen zunächst insoweit, als die Letztere an die Stelle der Ersteren tritt, wenn der Versicherte das gesetzliche Pensionsalter erreicht. Weiters besteht zwischen dem Mindestalter für den Bezug der fraglichen Leistung und dem gesetzlichen Regelpensionsalter auch insofern ein direkter Zusammenhang, als das Pensionsanfallsalter für Männer und Frauen ursprünglich jeweils mit fünf Jahren und nach Abschluss der Anhebung des Pensionsanfallsalters für die vorzeitigen Alterspensionen jeweils mit dreieinhalb Jahren vor Erreichung des Regelpensionsalters festgesetzt wurde. Ob dieser Zusammenhang für die Bejahung der Kohärenz ausreicht, ist nach der in der österreichischen Lehre vertretenen Auffassung zweifelhaft. Nach Ansicht des Klägers sei diese notwendige Kohärenz auch deshalb zu verneinen, weil es sich bei der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit lediglich um eine Überbrückungshilfe für Arbeitslose handle, während die Alterspension gemäß § 253 ASVG eine Dauerversorgung darstelle. Weiters bestehe für die Erfüllung der Wartezeit eine unterschiedliche Regelung. Während nämlich die allgemeine Wartezeit für die Alterspension 180 Versicherungsmonate beträgt, sind für die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit 240 Versicherungsmonate erforderlich. Weiters muss der Versicherte bei der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit am Stichtag mindestens 180 Beitragsmonate erworben haben. Schließlich verweist der Kläger noch darauf, dass die Voraussetzung einer einjährigen Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung in der Regel durch Anwendung des § 18 Abs 2 lit b Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) hergestellt wird, wobei in dieser Bestimmung als eine Voraussetzung für eine Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes von 52 Wochen für Männer und Frauen einheitlich die Vollendung des 50. Lebensjahres vorgesehen ist. Auf Grund dieser Erwägungen stelle die im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Diskriminierung nach Ansicht des Klägers keine notwendige und objektive Folge des unterschiedlichen Regelpensionsalters nach § 253 ASVG dar.

Im vorliegenden Fall liegt - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des EuGH zu den angesprochenen Fragen der Qualifizierung der vom Kläger begehrten Leistung als "Altersrente" oder "Ruhestandsrente" oder als "andere Leistung", auf die die unterschiedliche Festsetzung des Rentenalters "Auswirkungen" hat, nicht vor. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist angesichts der dargestellten Argumente auch nicht derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bliebe ("acte clair"). II. Die Aussetzung des Revisionsverfahrens bis zur Beendigung des Vorabentscheidungsverfahrens beruht auf § 90a Gerichtsorganisationsgesetz (GOG).