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VfGH vom 02.10.2001, B2136/00

VfGH vom 02.10.2001, B2136/00

Sammlungsnummer

16297

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Asylantrags und Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria; Ignorierung des Parteienvorbringens und Unterlassung jeglicher Ermittlungen betreffend die behauptete lebensbedrohende Verfolgung des Beschwerdeführers als Christ durch eine nigerianische Sekte

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das BVG BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit 27.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am illegal nach Österreich ein und stellte beim Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, einen Asylantrag, den er im wesentlichen damit begründete, daß er - wie seine Mutter - Christ sei und nun nach dem Tod seines Vaters dessen Nachfolge als Oberprinz in der Azigidi-Gesellschaft antreten solle. Diese Gesellschaft opfere Menschen; er selbst sei aufgefordert worden, als Opfer für den Tod seines Vaters sieben gefesselte Knaben und sieben gefesselte Mädchen zu töten. Die geheime Gesellschaft sei in ganz Nigeria mit zahlreichen einflußreichen Personen als Mitglieder verbreitet. Der Beschwerdeführer sei nun, da er diese Gesellschaft ablehne, der Gefahr ausgesetzt, von ihr als Opfer für den nächsten Prinzen getötet zu werden. Bei der mündlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer auf die Frage "Haben Sie die staatlichen Stellen von diesem Vorfall in Kenntnis gesetzt?" an: "Mein Onkel von Sokoto ist zur Polizei gegangen und hat ihm ein Polizeibeamter dort mitgeteilt, dass, wenn ich als Oberprinz dieser Gesellschaft bestimmt worden bin, ich dieses auch ausführen müsste. Die meisten Polizisten in Nigeria sind auch Mitglieder dieser Gesellschaft."

Das Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, hat mit Bescheid vom den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (im folgenden: AsylG) abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt. Es ging in der Begründung im wesentlichen davon aus, daß keine staatliche Verfolgung vorliege, der Staat Nigeria bemüht sei, gegen das Sektenwesen anzukämpfen und dem Beschwerdeführer weiters eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe.

2. In der dagegen erhobenen Berufung betonte der Beschwerdeführer, daß eine Verfolgung aus Gründen der Religion im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zweifellos vorliege, wenn jemand aufgrund der Ausübung und des Bekenntnisses zu seiner Religion Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sei. Eine Verfolgung aus Gründen der Religion liege aber auch dann vor, wenn jemand zum Beitritt zu einer Religion gezwungen werde. Dem Staat werde ein gewisses Bemühen, das Sektenunwesen in den Griff zu bekommen nicht abgesprochen, er habe aber offensichtlich keine Kontrolle über die tatsächlichen Vorgänge in diesem Bereich, wodurch sich der Beschwerdeführer auch nicht dessen Schutz bedienen könne.

Die Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates (im folgenden bloß: Bundesasylsenat) vom gemäß § 7 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 AsylG festgestellt, daß die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Nach einer Zusammenfassung des bisherigen Verfahrensganges traf der Bundesasylsenat Feststellungen zur allgemeinen politischen Situation in Nigeria und führte folgendes zur Religionsausübung in Nigeria aus:

"In Nigeria ist die Religionsfreiheit gewährleistet. In dem komplexen Staatsgefüge, in dem der islamisch dominierte Norden einem überwiegend christlich animistischen Süden gegenübersteht, ist die Stammeszugehörigkeit noch immer das entscheidendere Identitätsmerkmal. Gezielte Übergriffe staatlicher Stellen auf Religionsgruppen sind nicht erfolgt. Eine nach ethnischen oder religiösen Merkmalen diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis ist nicht festzustellen.

Die zwei bedeutendsten Glaubensgemeinschaften in Nigeria bilden der Islam und das Christentum. Je nach Quellen sind zwischen 45-50 % der Bevölkerung Anhänger des Islam, während zwischen 40-49 % der christlichen Glaubensgemeinschaft angehören. 10-20 % schließlich sind Anhänger von Naturreligionen.

Von einer gezielten staatlichen Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen nur wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann nicht gesprochen werden.

Die Azigidi- oder Ashigidi-Sekte ist eine der in Nigeria sehr zahlreichen Sekten und Geheimgesellschaften. In Nigeria bestehen vermutlich über 1000 derartige Sekten und neugegründete afrikanische Kirchen. Es kann nicht festgestellt werden, dass verschiedentlich von den Sekten verübte Verbrechen von staatlicher Seite geduldet werden, doch können die Verbrechen von der - teilweise nur schlecht ausgestatteten - Polizei nicht in allen Fällen aufgeklärt bzw. präventiv verhindert werden. Im Laufe des Jahres 1999 kam es an mehreren Universitäten in Nigeria zu von Sektenmitgliedern verübten Verbrechen (einschließlich Mordanschlägen) und gab Staatspräsident Obasanjo sowohl den leitenden Funktionären der Universitäten als auch der Polizei die Anweisung, mit allen Möglichkeiten des Gesetzes gegen die 'Kultisten' vorzugehen.

Teilweise haben die Sekten, wie beispielsweise die 'Reformed Ogboni Fraternity' (ROF) freimaurer-ähnlichen Charakter und sollen ihnen noch heute manche Politiker und Funktionäre angehören. Auch die diversen christlichen Kirchen, deren Anhängerschaft um die 50 % der Gesamtbevölkerung ausmacht, bieten Schutz gegen Sektenunwesen.

In der Zone Lagos und Umgebung leben über 12 Millionen Menschen, in Nigeria über 120 Millionen. Es ist nach Ansicht der Botschaft relativ einfach, eine vollkommen andere Identität anzunehmen und - mit anderen Dokumenten ausgestattet - an einem anderen Ort vor Verfolgung sicher zu leben.

Einem Bericht der Österreichischen Botschaft in Lagos vom zufolge bestehen in Nigeria grundsätzlich seit jeher Konflikte zwischen den einzelnen Ethnien und Stämmen des Landes, welche sich von Zeit zu Zeit in blutigen Auseinandersetzungen dieser Gruppen untereinander entladen. Grundlage dieser Konflikte ist nicht nur die Verschiedenheit der Abstammung und Religion zwischen den einzelnen Gruppen und Gruppierungen, sondern auch die Überbevölkerung (mindestens 120 Millionen Menschen leben im bevölkerungsreichsten Land Afrikas, Nigeria), die zunehmende Verarmung der Bevölkerung und Verteilungsrivalitäten und -kämpfe. Es wäre jedoch festzuhalten, dass diese blutigen Auseinandersetzungen nicht von staatlicher Seite gefördert oder durchgeführt werden, sondern sich im Rahmen der Bevölkerungsgruppen abspielen.

Auch aus einem Bericht des Auswärtigen Amtes Berlin vom wird dargelegt, dass staatliche Repressalien gegenüber bestimmten Personen oder Personengruppen allein wegen ihrer politischen Überzeugung, Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe seit der Machtübernahme durch die Zivilregierung nicht mehr zu beobachten sind. Die durch die Verfassung garantierte Religionsfreiheit wird durch die nigerianischen Behörden respektiert."

Nach einer inhaltlichen Wiedergabe des § 7 AsylG und des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention legte die belangte Behörde folgendes dar:

"Zentrales Element dieses Flüchtlingsbegriffes ist die 'begründete Furcht vor Verfolgung'. Diese begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Unter Verfolgung ist ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welche geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in diesen Staat zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet. Im gegenständlichen Fall liegt nach Ansicht der erkennenden Behörde keine 'begründete Furcht vor Verfolgung' im Sinne von Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK vor. Dies aus folgenden Gründen:

Zum einen ist darauf zu verweisen, dass der Asylwerber keine Verfolgung durch den nigerianischen Staat, sondern lediglich eine Verfolgung durch Angehörige der Azigidi-Sekte, sohin durch eine private Vereinigung behauptet. Unter 'Verfolgung' im Sinne von Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist aber nur eine von staatlichen Stellen ausgehende oder von diesen geduldete Verfolgung aus den im einzelnen angeführten Gründen zu verstehen. Eine Bedrohung durch eine aus Privatpersonen gebildete Geheimgesellschaft ist dem Staat nicht zuzurechnen und fällt demnach nicht unter den Begriff der 'Verfolgung' im Sinne der GFK (vgl. Zl. 94/19/0209; Zl. 95/19/0044; Zl. 99/01/0256; Zl. 2000/20/0151).

Aus den Sachverhaltsfeststellungen ergibt sich im übrigen kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass der nigerianische Staat grundsätzlich außer Stande oder nicht Willens sei, dem Asylwerber Schutz vor allfälligen Übergriffen durch die Azigidi-Sekte zu gewähren. Vielmehr ergibt sich aus den Sachverhaltsfeststellungen, dass die Polizeikräfte angewiesen wurden, gegen so genannte 'Kultisten' rigoros vorzugehen und alle gesetzlichen Mittel auszuschöpfen. Dem Berufungswerber wäre es sohin durchaus zumutbar den Schutz seines Heimatlandes in Anspruch zu nehmen und müsste dieser selbst bei der Polizei um Schutz suchen.

2. Zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in seinen Heimatstaat Nigeria ist noch Folgendes auszuführen:

Eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist dann unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie Gefahr liefen dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden (§8 AsylG iVm § 57 Abs 1 FrG 1997) bzw. dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art33 Z 1 der GFK iVm § 57 Abs 2 FrG und § 8 AsylG).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist ( Zl. 95/18/1293, Zl. 97/18/0336). Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist sohin auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichende funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in § 57 Abs 1 Fremdengesetz umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 95/21/0294 vom ).

Auf Grund der allgemeinen Feststellungen zur politischen und religiösen Situation in Nigeria liegt kein Anhaltspunkt vor, dass der Asylwerber im Falle der Rückkehr nach Nigeria einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen werden könnte. Unter Zugrundelegung des Vorbringens des Asylwerbers liegt keine vom Staat ausgehende bzw. gebilligte Bedrohung, sondern eine Bedrohung durch Privatpersonen vor. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen zur Abweisung des Asylantrages verwiesen. Angemerkt wird weiters, dass es dem Berufungswerber in Anbetracht der hohen Bevölkerungszahl von an die 110 Millionen Einwohnern zumutbar ist, sich in einem anderen Landesteil von Nigeria, insbesondere in Lagos niederzulassen und vermag der allgemeine Einwand, dass diese Gesellschaft in ganz Nigeria verbreitet sei, dies nicht zu widerlegen.

3. Dieser Berufungsbescheid ist Gegenstand der vorliegenden Beschwerde gemäß Art 144 B-VG, in welcher der Beschwerdeführer die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung vom Fremden untereinander (BVG BGBl. 390/1973) sowie keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden (Art3 EMRK) geltend macht und die Aufhebung des Bescheides begehrt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und beschränkte sich darauf, die Abweisung der Beschwerde zu beantragen.

II. Die Beschwerde erweist sich, da sämtliche Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, als zulässig; sie ist auch gerechtfertigt.

1. In ständiger Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof den Standpunkt eingenommen, daß ein Bescheid das nur österreichischen Staatsbürgern verfassungsgesetzlich gewährleiste Gleichheitsrecht insbesondere dann verletzt, wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides Willkür übt. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, daß in die Verfassungssphäre reicht, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere iVm einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 8808/1980, 11.718/1988). Das gleiche gilt nach der Judikatur des Gerichtshofes im Hinblick auf den Schutzumfang des durch das BVG BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander für dieses Fremden zustehende Recht (vgl. VfSlg. 14.650/1996 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).

2. Flüchtling iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 78/1974, (im folgenden: Genfer Flüchtlingskonvention) ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, daß ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keine der in Art 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlußgründe (zB. daß ernsthafte Gründe für den Verdacht bestehen, daß ein schweres, nicht politisches Verbrechen begangen wurde) vorliegen. Die Flüchtlingseigenschaft begründende Verfolgungsgefahr liegt auch dann vor, wenn staatliche Behörden nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, den Asylwerber vor einer von anderen Gruppierungen ausgehenden Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu schützen (vgl. ; , 98/20/0557). Weiters ist eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat gem. § 8 AsylG nur zulässig, wenn keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, daß der Beschwerdeführer Gefahr liefe, unmenschlicher Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden (§57 FremdenG); Art 33 Genfer Flüchtlingskonvention verbietet den Flüchtling in ein Gebiet auszuweisen oder zurückzuweisen, wo sein Leben oder seine Freiheit ua. aus Gründen seiner Religion bedroht wären.

3. Der Beschwerdeführer befürchtet eine lebensbedrohende Verfolgung durch die Azigidi-Gesellschaft und hat bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt im Rahmen der Schilderung näherer Umstände angegeben, daß sein Onkel die Bedrohung der Polizei gemeldet, diese ihm jedoch keinen Schutz gewährt habe. Nach seiner Darstellung ist diese Gesellschaft in ganz Nigeria verbreitet und hat viele einflußreiche Mitglieder.

Obwohl die Behörde selbst die Azigidi-Gesellschaft als Sekte bezeichnet und feststellt, daß es in Nigeria zahlreiche solcher Sekten und Geheimgesellschaften gibt, denen auch heute noch manche Politiker und Funktionäre angehören sollen und die teilweise nur schlecht ausgestattete Polizei die von Sekten verübten Verbrechen nicht in allen Fällen aufklären bzw. präventiv verhindern könne, ist das Resultat ihrer Überlegungen, es ergebe sich aus den Sachverhaltsfeststellungen kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, daß der nigerianische Staat grundsätzlich außer Stande oder nicht willens sei, dem Asylwerber Schutz vor allfälligen Übergriffen durch die Azigidi-Sekte zu gewähren; der Beschwerdeführer müsse bei der Polizei selbst um Schutz ersuchen. Diese Schlußfolgerung zieht die Behörde, indem sie die vom Beschwerdeführer beschriebene Sekte anderen Sekten und Geheimgesellschaften gleichstellt, also ohne leicht mögliche und naheliegende Ermittlungen zur Azigidi-Gesellschaft (zB. wie weit sie verbreitet ist, ob sie einflußreiche Mitglieder hat, ob ihr tatsächlich Menschenopfer zugeschrieben werden) auch nur im Ansatz anzustellen (zB. durch Einholung von Auskünften zumindest beim Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge) und auch ohne zu beachten, daß dem Beschwerdeführer nach seinen Behauptungen der Schutz von staatlicher Seite bereits verwehrt wurde (der angebliche Versuch des Onkels, polizeilichen Schutz zu erwirken, wäre in der Begründung zu berücksichtigen gewesen); statt dessen begnügte sich die belangte Behörde im wesentlichen mit Feststellungen zur allgemeinen Situation in Nigeria. Auch wenn es sein mag, daß die vom Beschwerdeführer gegebene Schilderung von vornherein als kaum glaubwürdig und als irreal erscheint, entbindet dies die Asylbehörde nicht von ihrer Verpflichtung, die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen. Dies gilt auch im Bezug auf die von ihr als gegeben angenommene innerstaatliche Fluchtalternative in Ansehung der Ausdehnung der Azigidi-Gesellschaft - die der Beschwerdeführer als landesweit behauptet - die ebenfalls zu ermitteln gewesen wäre. Die Asylbehörde hat sich auch nicht mit der behaupteten besonderen Stellung des Beschwerdeführers in der Gesellschaft auseinander zu setzen versucht und keine wie immer gearteten Feststellungen zur Herkunft und bezüglich des sozialen Umfeldes des Beschwerdeführers getroffen. Weiters ist die Behörde nicht darauf eingegangen, daß der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen als Christ zur Religionsausübung dieser Gesellschaft gezwungen worden und dadurch an der christlichen Religionsübung gehindert gewesen sei.

Im Asylverfahren wird das Vorbringen des Flüchtlings als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen (vgl. ), weshalb der Behörde das Ignorieren des Parteivorbringens umso mehr anzulasten ist. Die Behörde hat in Kenntnis der schwierigen Situation in Nigeria, das genaue und detailreiche Vorbringen des Beschwerdeführers - ua. der lebensbedrohenden Verfolgung durch eine landesweit verbreitete Gesellschaft ausgesetzt zu sein und keinen Schutz von staatlicher Seite zu erhalten - im Ergebnis ignoriert und ein ordentliches Ermittlungsverfahren in den entscheidenden Punkten unterlassen. Der Verfassungsgerichtshof, dem nicht die Aufgabe zukommt, an Stelle der Verwaltungsbehörde das Vorbringen des Beschwerdeführers im einzelnen auf dessen Richtigkeit zu prüfen, hat sohin festzuhalten, daß die belangte Behörde ein willkürliches Verhalten gesetzt und den Beschwerdeführer dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt hat (vgl. VfSlg. 14.728/1997, 15.048/1997, ).

4. Der angefochtene Bescheid war schon aus diesen Gründen aufzuheben, ohne daß auf weitere in der Beschwerde aufgeworfene Fragen einzugehen war.

III. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG; vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 4.500 S auf die Umsatzsteuer.

IV. Dieses Erkenntnis wurde gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.