OGH vom 13.03.2012, 10ObS165/11d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Ernst Bassler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Z***** D*****, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15 19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wochengeld, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 23/11b 12, womit das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom , GZ 17 Cgs 155/10y 8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin war aufgrund ihrer Beschäftigung bei einem inländischen Arbeitgeber zuletzt vom bis als Angestellte zur Sozialversicherung gemeldet. Anlässlich der Geburt ihrer Tochter N***** am bezog sie vom bis Wochengeld und im Anschluss daran bis Kinderbetreuungsgeld als Kurzleistung gemäß § 5b KBGG mit einem erhöhten Tagsatz von 26,60 EUR. Mit ihrem Arbeitgeber hat sie einen Karenzurlaub bis vereinbart.
Die Klägerin wurde neuerlich schwanger. Als voraussichtlicher Entbindungstag wurde der errechnet. Das Bezirksgesundheitsamt für den 22. Bezirk sprach mit Wirksamkeitsbeginn für die Dauer von acht Wochen bis zum ein individuelles Beschäftigungsverbot aus. Bei Eintritt des individuellen Beschäftigungsverbots wollte die Klägerin keine Beschäftigung aufnehmen.
Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Wochengeld für den Zeitraum des individuellen Beschäftigungsverbots vom bis ab.
Das Erstgericht wies das auf Gewährung des Wochengeldes im gesetzlichen Ausmaß für die Dauer des Beschäftigungsverbots vom bis gerichtete Klagebegehren mit der wesentlichen Begründung ab, dass ein individuelles Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 3 MSchG nicht schon während des Karenzurlaubs, sondern erst mit der drohenden Wiederaufnahme der Beschäftigung mit dem Ende der Karenz greife. Da die Klägerin im Zeitpunkt des individuellen Beschäftigungsverbots weder einer Tätigkeit nachgegangen sei, noch eine solche habe aufnehmen wollen, liege keine Verrichtung einer Tätigkeit vor, die ihr Leben oder das ihres ungeborenen Kindes bei Fortdauer der Beschäftigung gefährden würde.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es die beklagte Partei schuldig erkannte, der Klägerin für den Zeitraum vom bis Wochengeld in der Höhe von 26,15 EUR täglich zu gewähren. Es vertrat in seiner rechtlichen Beurteilung mit ausführlicher Begründung die Rechtsansicht, dass der Klägerin ein Wochengeldanspruch aus dem bei ihr neuerlich eingetretenen Versicherungsfall der Mutterschaft für den Zeitraum des individuellen Beschäftigungsverbots zustehe. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu der hier vorliegenden Fallkonstellation (Wochengeldanspruch aufgrund eines individuellen Beschäftigungsverbots bei vorangegangenem Kinderbetreuungsgeldbezug mit Wochengeldanspruch) noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Der Oberste Gerichtshof hat nämlich die fallentscheidende Rechtsfrage bereits, wenngleich nach dem Berufungsurteil, in der Entscheidung vom , 10 ObS 77/11p, beantwortet. Die beklagte Partei war auch an diesem Verfahren beteiligt.
Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Entscheidung, an der festzuhalten ist, mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass aufgrund systematischer und historischer Auslegung der §§ 120 Z 3 Satz 2, 157 und 162 Abs 1 Satz 3 ASVG auch einer Bezieherin einer Leistung nach dem KBGG bei Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Freistellungszeugnisses nach § 3 Abs 3 MSchG ein vorgezogenes Wochengeld zusteht, weil sie in gleicher Weise wie eine von einem Beschäftigungsverbot betroffene erwerbstätige Dienstnehmerin nicht mehr in der Lage ist, ohne Gefährdung ihres Lebens und ihrer Gesundheit bzw des Lebens und der Gesundheit ihres Kindes einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dies ergibt sich daraus, dass im Fall eines individuellen Beschäftigungsverbots in § 120 Z 3 Satz 2 ASVG eine Vorverlegung des Eintritts des Versicherungsfalls der Mutterschaft auf den Beginn des individuellen Beschäftigungsverbots normiert ist, § 157 ASVG, der den Umfang des Versicherungsschutzes bei Leistungen aus diesem Versicherungsfall regelt, den nach seinem Eintritt (§ 120 Z 3 ASVG) liegenden Zeitraum der Schwangerschaft, die Entbindung und die sich daraus ergebenden Folgen umfasst und für die Zeit des individuellen Beschäftigungsverbots § 162 Abs 1 Satz 3 ASVG einen Anspruch auf Wochengeld vorsieht.
Das Berufungsgericht hat dem Klagebegehren in mit Revision nicht bekämpfter Höhe zutreffend stattgegeben.