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OGH vom 04.10.2011, 10Ob79/11g

OGH vom 04.10.2011, 10Ob79/11g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mittlerweile volljährigen Kinder 1. E*****, und 2. S*****, sowie der minderjährigen Kinder 3. R*****, und 4. C*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Mag. H*****, vertreten durch Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 679/10m 1023, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die Erklärung, den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. R***** sowie die weiteren Mitglieder des Obersten Gerichtshofs Univ. Prof. Dr. B***** und Dr. S***** wegen Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

2. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies mit Beschluss vom (ON 900) den Antrag des Vaters auf Wiederaufnahme des Obsorgeverfahrens (ON 872) ab.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss mit der Maßgabe, dass der Antrag des Vaters zurückgewiesen werde. Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass gemäß § 107 Abs 1 Z 3 AußStrG im Verfahren über die Obsorge oder über das Recht auf persönlichen Verkehr ein Abänderungsantrag, der einer Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne der Zivilprozessordnung (ZPO) entspreche, ausgeschlossen sei. Der Antrag des Vaters sei daher zurückzuweisen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der am dem Obersten Gerichtshof vorgelegte außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters verbunden mit einer Ablehnung von Richtern des Obersten Gerichtshofs wegen angeblicher Befangenheit (ON 1046) mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinn einer Stattgebung seines Antrags auf Wiederaufnahme abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

1. Zum Ablehnungsantrag:

Der Vater lehnt in seinem Rechtsmittel den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. R***** sowie Univ. Prof. Dr. P***** (gemeint offensichtlich: M*****) B***** und Senatspräsident iR Dr. S***** wegen angeblicher Befangenheit ab. Dieser Ablehnungsantrag geht schon deshalb ins Leere, weil Vizepräsident Dr. R***** und Hofrat Univ. Prof. Dr. M***** B***** dem für die Entscheidung für den vorliegenden Fall zuständigen Senat 10 des Obersten Gerichtshofs nicht angehören und auch Senatspräsident iR Dr. S***** diesem Senat nicht mehr angehört. Es erübrigt sich daher die im Übrigen nicht näher konkretisierte Ablehnungserklärung dem für Ablehnungen zuständigen Senat des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung vorzulegen. Die Ablehnungserklärung war somit zurückzuweisen.

2. Zum Rechtsmittel:

Auch das weitere Vorbringen des Revisionsrekurswerbers, die Entscheidung des Rekursgerichts sei nichtig, weil er die Mitglieder des Rekurssenats wegen Befangenheit abgelehnt habe, ist aufgrund der Aktenlage nicht nachvollziehbar. Es hat nämlich der Ablehnungssenat des Rekursgerichts mit Beschluss vom , GZ 32 Nc 20/08z 3, den diesbezüglichen Ablehnungsantrag des nunmehrigen Revisionsrekurswerbers zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht Wien gab mit Beschluss vom , AZ 12 R 132/10k, dem vom Vater dagegen erhobenen Rekurs keine Folge. Die geltend gemachte Nichtigkeit liegt daher nicht vor.

In der Sache selbst vertritt der Revisionsrekurswerber die Ansicht, § 107 Abs 1 Z 3 AußStrG sei im gegenständlichen Verfahren nicht anzuwenden, weil die Bestimmungen über den Abänderungsantrag erst auf Entscheidungen, die nach dem ergangen seien, anzuwenden sei. Im Übrigen macht der Revisionsrekurswerber inhaltliche Ausführungen zum Vorliegen der von ihm behaupteten Wiederaufnahmsgründe geltend.

Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukomme, ab.

Die Bestimmungen der §§ 72 ff AußStrG neu (BGBl I 2003/111) über das Abänderungsverfahren sind nach § 203 Abs 8 AußStrG nF nur dann anzuwenden, wenn das Datum der Entscheidung erster Instanz, deren Abänderung beantragt wird, nach dem liegt. Nach der neuen Rechtslage (vgl § 107 Abs 1 Z 3 AußStrG idF BGBl I 2003/111) ist ein Abänderungsantrag (§§ 72 ff AußStrG nF), der funktionell weitestgehend der Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage des streitigen Verfahrens nachgebildet ist, im außerstreitigen Verfahren über die Obsorge und den persönlichen Verkehr, wie bereits das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, ausdrücklich ausgeschlossen (vgl 7 Ob 147/04z ua). Der Abänderungsantrag (§§ 72 ff AußStrG nF) richtet sich gegen eine rechtskräftige Entscheidung über die Sache und dient dazu, eine mit schwerwiegenden Fehlern behaftete Entscheidung zu ändern. Ist der Antrag wie hier aufgrund der ausdrücklichen Bestimmung des § 107 Abs 1 Z 3 AußStrG nF unzulässig, so ist er zurückzuweisen. Eine inhaltliche Prüfung (ob zB überhaupt taugliche Abänderungsgründe geltend gemacht wurden) findet in diesem Fall nicht statt ( Fucik/Kloiber , AußStrG § 72 Rz 1). Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass ein Abänderungsantrag im Verfahren über die Obsorge und das Recht auf persönlichen Verkehr unzulässig ist, entspricht der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 107 Abs 1 Z 3 AußStrG nF.

Soweit der Revisionsrekurswerber meint, die neue Rechtslage habe im gegenständlichen Verfahren noch keine Anwendung zu finden, da das Obsorgeverfahren bereits seit 2001 anhängig sei, ist dem entgegenzuhalten, dass nach der bereits zitierten Übergangsbestimmung des § 203 Abs 8 AußStrG nF für die Geltung der Bestimmungen über das Abänderungsverfahren nicht maßgebend ist, seit wann das Verfahren anhängig ist, sondern ob die Entscheidung erster Instanz im Außerstreitverfahren nach dem erging, unabhängig davon, von welchem Gericht im Instanzenzug die abzuändernde Entscheidung gefällt wurde (8 Nc 47/05m betreffend einen Antrag des nunmehrigen Revisionsrekurswerbers).

Der Revisionsrekurswerber hat in seinem Antrag auf Wiederaufnahme vom (ON 872) nicht ausgeführt, die Abänderung welcher rechtskräftigen Entscheidung von ihm im Wege der Wiederaufnahme begehrt wird. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall im Ergebnis ohne Bedeutung, da selbst wenn man mit den Ausführungen des Revisionsrekurswerbers davon ausginge, dass auf seinen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens (ON 872) noch nicht die erwähnte Ausschlussbestimmung des § 107 Abs 1 Z 3 AußStrG nF anzuwenden wäre, von der Weitergeltung der bisherigen Rechtslage auszugehen wäre. Es wurde vom Obersten Gerichtshof ebenfalls bereits mehrfach ausgeführt, dass die Regelung der Obsorge in einem typischen Rechtsfürsorgeverfahren erfolgt, weshalb es sich nicht um eine der sogenannten „echten“ Streitsachen (wie etwa Unterhaltssachen) handelt, für die allein die Rechtsprechung zum Außerstreitgesetz 1854 in einigen Entscheidungen eine analoge Anwendung der §§ 529 ff ZPO bei Aufrechterhaltung der ständigen Rechtsprechung, wonach dies im Allgemeinen nicht gelte gebilligt oder zumindest erwogen hat (vgl dazu die ebenfalls den nunmehrigen Revisionsrekurswerber betreffende Entscheidung 3 Ob 128/09h mwN). Dagegen bringt der Revisionsrekurswerber auch gar nichts vor. Da somit eine (analoge) Anwendung der zivilprozessualen Vorschriften über die Nichtigkeits und Wiederaufnahmeklage auch im alten Außerstreitverfahren nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS Justiz RS0007194) im vorliegenden Obsorgeverfahren nicht in Betracht kommt, ist auch nach dieser Rechtslage der Antrag des Revisionsrekurswerbers auf Wiederaufnahme des Verfahrens als unzulässig zurückzuweisen (vgl die ebenfalls einen Antrag des nunmehrigen Revisionsrekurswerbers betreffende Entscheidung 1 Ob 80/05d).

Da der Wiederaufnahmeantrag im vorliegenden Fall schon aus diesem Grund unzulässig ist, erübrigt sich eine inhaltliche Prüfung.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.