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OGH vom 08.08.2002, 8ObA175/02x

OGH vom 08.08.2002, 8ObA175/02x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Erika Helscher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Herbert S*****, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Österreichische Bundesbahnen, 1011 Wien, Elisabethstraße 9, vertreten durch Kunz, Schima, Wallentin & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 1. 1.681 EUR, 2. Feststellung (Streitwert 4.360 EUR), 3. Widerruf, Unterlassung und Veröffentlichung (Streitwert 72,67 EUR), 4. Widerruf (Streitwert 72,67 EUR) sowie 5. Feststellung (Streitwert 4.651,06 EUR) sA, infolge der außerordentlichen Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 264/01z-46, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Der Kläger wendet sich im Kern gegen eine Einschränkung der von der Beklagten gewährten außertariflichen Fahrbegünstigungen durch Einhebung von 30 bzw 40 S für die Benützung bestimmter Züge und den wegen der beharrlichen Verstöße des Klägers gegen diese neue Regelung ausgesprochenen Entzug der Fahrbegünstigung.

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Kläger es als Nichtigkeit des Berufungsverfahrens geltend macht, dass die Beklagte entgegen dem Neuerungsverbot bestimmte Beilagen vorgelegt habe und aktenwidrig von einer Neuerung durch den Kläger ausgegangen sei, geht er mit seinen Behauptungen selbst an dem Akteninhalt vorbei. Tatsächlich hat er erst in der Berufung konkret den Einwand erhoben, dass die "jeweils" Klausel in seinem Vertrag unwirksam sei, da er bei Vertragsabschluss noch nicht volljährig gewesen sei. Eine entscheidungsrelevante Feststellung aus diesen Urkunden hat das Berufungsgericht ohnehin nicht getroffen, da bereits das Erstgericht festgestellt hat, dass nach dem Dienstvertag des Klägers auf dessen Dienstverhältnis die Dienstordnung sowie die sonstigen "jeweils" geltenden Bestimmungen zur Anwendung zu gelangen haben. Der Kläger hat zu einem entsprechenden Vorbehalt bei Abschluss des Dienstvertrages ja auch gar kein näheres Vorbringen erstattet. Auch die Ausführungen des Klägers dazu, dass er ja erst am Tage nach Abschluss des Dienstvertrages volljährig geworden sei, gehen schon deshalb an der Begründung des Urteil des Berufungsgerichtes vorbei, da dieses ohnehin zugrundelegte, dass der Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des Dienstvertrages noch ein mündiger Minderjähriger gewesen sei. Insoweit wurde der Kläger auch nicht in seinem rechtlichen Gehör verletzt. Entsprechend § 152 ABGB hat das Berufungsgericht dann die Frage behandelt, inwieweit sich ein mündiger Minderjähriger selbständig zu Dienstleistungen verpflichten kann. Die vom Kläger herangezogene Entscheidung SZ 25/109 bezog sich auf einen Abwesenheitskurator und auf einen weit über den normalen Rahmen hinausgehenden Dienstvertrag. Die hier relevante "jeweils-Klausel" im Zusammenhang mit den Fahrtbegünstigungen bewirkt schon im Hinblick auf die dazu bestehende Judikatur über die Einschränkung der Gestaltungsbefugnis (siehe unten) keinen solchen Dienstvertrag. Die übrigen Argumente des Klägers in diesem Zusammenhang stellen unbeachtliche Neuerungen dar.

Die Ausführungen des Klägers zum allgmeinen arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff sowie dem Entgeltbegriff nach § 119 EG-V bzw nunmehr 141 EG lassen einen unmittelbaren Bezug zur vorliegenden Fallentscheidung vermissen. Gemäß Art 141 EG-Vertrag muss jeder Mitgliedstaat die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherstellen. Der Grundsatz des gleichen Entgeltes verbietet jede Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei gleichem Arbeitsplatz oder gleicher Arbeit ohne Rücksicht darauf, woraus sich diese Ungleichbehandlung ergibt, es sei denn, das unterschiedliche Entgelt ist durch objektive Faktoren gerechtfertigt, die mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes nichts zu tun haben (vgl Macarthys Slg 1980, 1275 Rz 12, allerdings zu zu unterschiedlichen Zeitpunkten beschäftigten Arbeitnehmern sowie Hill und Stapleton Slg 1998 I-3739 Rz 34). Zu einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts hat der Kläger jedoch nie ein Vorbringen erstattet.

Den Ausführungen des Klägers zur " BB-DO " fehlt es ebenso an der Eignung zur Darstellung einer Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1

ASGG.

Nach ständiger Judikatur sind die diversen Dienstvorschriften wie Bundesbahnpensionsordnung, Dienstordnung, Disziplinarordnung, Besoldungsordnung nur Vertragsschablonen, die mit dem Abschluss der jeweiligen Einzeldienstverträge rechtlich wirksam werden (vgl RIS-Justiz RS0052622, RS0054759, RS0071251, RS0052693, RS0052649 jeweils mwN). Der im Verleihungsschreiben enthaltene ausdrückliche Hinweis, dass auf das Dienstverhältnis die DO (= Dienstordnung) in ihrer letzten Fassung sowie die sonstigen für die Beamten der österreichischen Bundesbahnen jeweils geltenden Bestimmungen Anwendung finden, wird durch die widerspruchslose Annahme Inhalt des Arbeitsvertrags (vgl zuletzt mwN = Arb 8.580; DRdA 1991, 246; Arb 11.883, 9 ObA 126/99s; RIS-Justiz RS0052618). Mit sind die Allgemeinen Vertragsbedingungen bei den österreichischen Bundesbahnen, die nunmehr als Vertragsschablone für die einzelnen Dienstverträge gelten, in Kraft getretenen (§ 66 Abs 1 AVB; vgl 8 ObA 110/01m mwN, 9 ObA 126/99s). Die vom Kläger offenbar mit der BB-DO angesprochene Dienstordnung, die mit Erlass des k.k. Eisenbahnministeriums vom 7. 4. 1898, Z 16. 366 eingeführt wurde ( vgl ), ist ebenfalls kein Gesetz, sondern nur eine Vertragsschablone (vgl RIS-Justiz RS0052622, RS0052676 jweils mwN; zuletzt auch etwa 9 ObA 77/00i = DRdA 2001/28[Resch]= ZAS 2001/16 [Posch mwN zur historischen Entwicklung]). Näher Ausführungen zum Rechtsquellencharakter enthält die Revision auch nicht.

Der Ansicht, dass § 4 iVm § 40 der Dienstordnung 1898 (diese wurden durch die AVB für die bestehenden Dienstverhältnisse übernommen -vgl § 67 Abs 3 Z 16 der AVB) der Einschränkung der Fahrbegünstigung entgegengestanden wären, steht schon der klare Wortlaut dieser Bestimmungen entgegen. Einerseits fordert § 4 der Dienstordnung einen konkreten Vorbehalt gegen die Änderunge eines Rechtes im Sinne des § 40 der Dienstordnung, der vom Kläger hier hinsichtlich der Fahrbegünstigung aus Anlass der Einführung der AVB weder behauptet noch nachgewiesen wurde. Anderseits stellt § 40 in dem hier maßgeblichen Zusammenhang nur auf die nach den besoldungerechtlichen Bestimmungen gebührenden oder zuerkannten "ständigen Bezüge" ab. Nach § 6 der Bundesbahn-Besoldungsordnung 1963 (Überschrift "Bezüge") bestand der Monatsbezug aus dem Gehalt und allfälligen Zulagen (Haushaltszulage, Dienstalterszulage, Dienstzulage, Verwendungszulage, Verwendungsabgeltung, Ergänzungszulage und Teuerungszulage). Davon ist also die Fahrbegünstigung nicht erfasst.

§ 28 der Besoldungsordnung behandelt als Naturalbezug ebenfalls keine Fahrbegünstigungen. Auch nunmehr im 4 Abschnitt der AVB, (beginnend mit § 24 AVB - also ohne § 23 AVB) über die finanziellen Leistungen aus dem Dienstverhältnis finden sich keine Regelungen darüber. Eine Beurteilung als ständiger Bezug im Sinne der genannten - weitere macht der Kläger nicht konkret geltend - besoldungsrechtlichen Vorschriften scheidet also aus. Die Fahrbegünstigung ist damit im Sinne des § 40 der Dienstordnung weder als von den besoldungsrechtlichen Bestimmungen geregelt noch "ständig" zu beurteilen.

Damit ist aus der Dienstordnung also eine besondere Einschränkung der Gestaltungsbefugnis hinsichtlich der Fahrbegünstigung nicht ableitbar.

Es enthält vielmehr § 23 der AVB die Bestimmung, dass die ÖBB Angestellten einen Anspruch auf Fahrtrbegünstigung nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen haben. Daraus kann also ebenfalls keine Einschränkung des allgemeinen Änderungsvorbehalts abgeleitet werden , sondern noch eher dessen Verdeutlichung.

Die Ausführungen des Klägers zu den Bestimmungen des Eisenbahnbeförderungsgesetzes (EBG) gehen schon an dem Umstand vorbei, dass mit diesem Gesetz keine arbeitsrechtlichen Ansprüche der bei der öffentlichen Eisenbahn beschäftigten Personen, sondern die Regelung der Beförderung durch die öffentlichen Eisenbahnen Österreich geschaffen werden soll (vgl § 1 EBG). Im Wesentlichen sollen dadurch die Beförderungsbedingungen zwingend festgelegt werden ( vgl RIS-Jusitz RS0112077 mwN). In diesem Zusammenhang bestimmt § 6 Abs 2 EBG auch, dass die Tarife gegenüber jedermann in gleicher Weise anzuwenden sind. Zufolge Abs 3 dieser Bestimmung ist es aber " zulässig", den im Dienst der Eisenbahn stehenden Personen Vergünstigungen zu gewähren. Ein Anspruch wird damit also nicht festgelegt. Auch die Regelung des § 18 EBG über die platzkarten- und zulassungskartenpflichtigen Züge bezieht sich nur auf die tarifmäßige Festlegung, nicht aber auf gewährte Vergünstigungen. Dass die Fahrpreisbedingungen des Klägers insgesamt ungünstiger wären als nach den Tarifen behauptet er nicht einmal im Ansatz.

Die folgenden Ausführungen des Klägers zum Entzug der Fahrbegünstigung entfernen sich von den Feststellungen, wenn sie davon ausgehen, dass keinen Ungültigerklärung erfolgt wäre. Die Frage der Berechtigung der Ungültigerklärung hat nach der Bestimmung des § 23 Abs 2 AVB zu erfolgen, die festlegt, dass im Falle einer missbräuchlichen Verwendung die Fahrbegünstigung entzogen werden kann. Mit welchen Maßnahmen die Beklagte in ihrem Betrieb dann den Entzug der Fahrbegünstigung angemessen durchsetzen kann, wenn der betroffene Arbeitnehmer die Herausgabe des Fahrausweises verweigert, bleibt den betrieblichen Informationsmöglichkeiten überlassen. Gerade aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des erkennenden Senates vom zu 8 ObA 110/01m ist auch abzuleiten, dass die Beklagte im Rahmen der gesetzlichen Grenzen, insbesondere der Rechte anderer, frei über den Einsatz der Betriebsmittel entscheiden kann, sodass es gar keiner - vom Kläger vermissten - besonderen Grundlage für die Durchsetzung des Entzuges der Fahrbegünstigung bedarf. Nähere Ausführungen dazu sind der Revision auch nicht zu entnehmen. Die Ausführungen des Klägers zur Frage der Einleitung eines Disziplinarverfahrens sind schon deshalb nicht geeignet eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG darzustellen, weil sie gar nicht genau beschreiben, was zwingend im Rahmen eines Disziplinarverfahrens zu behandeln ist. § 23 AVB sieht aber den Entzug der Fahrbegünstigung ohne weitere Einschränkung vor. Auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 69 BVG iVm § 102 ArbVG nimmt der Kläger nicht Bezug (vgl zu den Abgrenzungsfragen etwa

9 ObA 51/95 = DRdA 1997/26 [Marhold] = ZAS 1995/23 [Andexlinger]; OGH

8 ObA 2113/96k = ZAS 1997/8 [Risak] in diesem Sinne auch

Cerny in Cerny/Gahleitner Kundtner/Preiss/Schneller Arbeitsverfassungsrecht3 255 ua; vgl auch § 97 Abs 1 Z 6 ArbVG). Die Ansicht, dass § 23 AVB gegen Art 6 MRK verstoße, geht an dem Umstand vorbei, dass der Kläger die Berechtigung der Entziehung durch die Gerichte überprüfen lassen kann, was er im Ergebnis ja auch gemacht hat.

Zu den Bedenken des Klägers, dass er durch die "jeweils" Klausel einem "übermächtigen" Arbeitgeber unterworfen werde, ist er auf die obigen Ausführungen zu verweisen, insbesondere aber auch darauf, dass der Oberste Gerichthof in ständiger Judikatur davon ausgeht, dass die Veränderungen nur im Rahmen des billigen Ermessens erfolgen dürfen ( vgl 9 ObA 77/00i = DRdA 2001/28[Resch] = ZAS 2001/16 [ Posch]; RIS-Justiz RS0112269 mwN). Konkrete Behauptungen, wodurch die Beklagte den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hätte, finden sich nicht.

Die vom Kläger letzlich dargestellten Ausführungen, dass die Dienstanweisungen über die Fahrbegünstigungen als "vertragsändernde Betriebsvereinbarungen" vom Betriebsrat hätten genehmigt werden müssen sind nicht nachvollziehbar und finden im bisherigen Vorbringen des Klägers auch keine Deckung.

Der Umstand, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, bedeutet nicht, dass die Entscheidung von der Lösung einer iSd § 502 Abs 1 ZPO (hier: § 46 Abs 1 ASGG) erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Besonderheiten der Fallgestaltung schließen eine richtungsweisende, die Rechtsentwicklung vorantreibende und für zukünftige Entscheidungen nutzbringende Judikatur sogar eher aus (RIS-Justiz RS0102181). Die entscheidenden allgemeinen Fragestellungen wurden durch die Judikatur des Obersten Gerichtofes aber bereits hinreichend geklärt.

Insgesamt vermögen es die Ausführungen der außerordentlichen Revision des Klägers jedenfalls nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG darzustellen.