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OGH vom 28.11.2019, 9Ob79/19m

OGH vom 28.11.2019, 9Ob79/19m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei M***** OG, *****, vertreten durch Jeannee Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Sunder-Plaßmann Loibner & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Räumung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , GZ 19 R 15/19w-16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom , GZ 14 C 172/18t-10, bestätigt wurde, sowie über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den darin enthaltenen Beschluss auf Bestätigung der Zurückweisung des Zwischenantrags auf Feststellung in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen über den Zwischenantrag auf Feststellung werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von dem vom Berufungsgericht herangezogenen Zurückweisungsgrund (fehlende Präjudizialität) aufgetragen.

II. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am schlossen die Beklagte als Verkäuferin und die Klägerin als Käuferin einen Kaufvertrag über die Liegenschaft EZ *****, GB *****, mit dem darauf befindlichen Schloßhotel ***** ab. Das Eigentum der Klägerin ist im Grundbuch einverleibt.

Die Klägerin begehrte die Räumung und Übergabe der von der Beklagten titellos benützten Liegenschaft. Entgegen ihrer vertraglichen Verpflichtung und trotz mehrmaliger Aufforderung habe sich die Beklagte bisher geweigert, die Liegenschaft an die Klägerin zu übergeben.

Die Beklagte entgegnete, dass der zugrunde liegende Kaufvertrag nichtig sei. Da sie sich in Liquiditätsschwierigkeiten befunden habe, habe eine „Großmuttergesellschaft“ der Klägerin den Mitgesellschafterinnen und Geschäftsführerinnen der Beklagten, L***** G***** und L***** R*****, am einen Kredit über 350.000 EUR zu Wucherzinsen von 30 % pA gewährt. Dafür hätten die Geschäftsführerinnen der Beklagten die verfahrensgegenständliche Liegenschaft und weitere Liegenschaften verpfändet. In der Folge sei der zugrunde liegende Kaufvertrag abgeschlossen worden. Da der Kredit nicht bedient habe werden können, habe die „Großmuttergesellschaft“ der Klägerin das Versteigerungsverfahren ob der ihr verpfändeten Liegenschaften eingeleitet. Die Klägerin habe dabei unter Ausnützung der Zwangslage der Geschäftsführerinnen der Beklagten diese Liegenschaft sowie die weiteren verpfändeten Liegenschaften um insgesamt 1.847.851,24 EUR erworben. Der Kaufpreis stehe in einem auffälligen Missverhältnis zum tatsächlichen Wert der Liegenschaften. Da der Kaufvertrag nichtig sei, habe die Klägerin keinen Anspruch auf Räumung. Dazu stellte die Beklagte einen Zwischenantrag auf Feststellung, dass der zwischen der Klägerin und ihr am abgeschlossene Kaufvertrag nichtig und rechtsunwirksam sei.

Das Erstgericht wies den Zwischenantrag auf Feststellung zurück und gab dem Räumungsbegehren statt. Die Beklagte berufe sich auf die Nichtigkeit des zugrunde liegenden Kaufvertrags wegen Wuchers. Nach herrschender Meinung mache Wucher das Rechtsgeschäft nicht ungültig, sondern nur anfechtbar. Dies bedeute, dass die Ungültigkeit erst mit der richterlichen Ungültigkeitserklärung wirksam werde. Der Zwischenantrag auf Feststellung sei aber auch wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückzuweisen, weil die Beklagte den Antrag gemäß § 60 Abs 2 JN mit 19.500 EUR bewertet habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidungen. Die Klägerin stütze ihren Räumungsanspruch zu Recht auf ihr einverleibtes Eigentum. Dem Herausgabeanspruch nach § 366 ABGB könne der beklagte Sachinhaber ein eigenes dingliches oder obligatorisches Recht zur Innehabung entgegenhalten. Derartiges mache die Beklagte aber nicht geltend. Der behauptete Wucher begründe nur eine relative Nichtigkeit. Dies bedeute, dass das Rechtsgeschäft lediglich anfechtbar sei. Die Ungültigkeit des Rechtsgeschäfts erfordere daher einen richterlichen Ausspruch aufgrund einer Rechtsgestaltungsklage. Die Beklagte hätte demnach eine Löschungsklage erheben und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung des vorliegenden Verfahrens ein Rechtsgestaltungsurteil erwirken müssen. Ein solches Urteil liege nicht vor, weshalb das Räumungsbegehren berechtigt sei. Da die Beklagte der auf das verbücherte Eigentum gegründeten Klagsführung Mängel des der Eintragung zugrunde liegenden Titels nicht entgegenhalten könne, sei der Zwischenantrag auf Feststellung als nicht präjudiziell zurückzuweisen. Es könne daher dahin gestellt bleiben, ob das Erstgericht dafür überhaupt sachlich zuständig gewesen wäre. Der ordentliche Revisionsrekurs und die ordentliche Revision seien zulässig, weil zur Frage, ob einer auf verbüchertes Eigentum gestützten Räumungsklage die Einrede des Wuchers in Bezug auf den zugrunde liegenden Titel entgegengehalten werden könne, keine einheitliche Rechtsprechung des Höchstgerichts bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich das Rechtsmittel der Beklagten, das darauf abzielt, dem Zwischenantrag auf Feststellung stattzugeben und das Räumungsbegehren abzuweisen. Hilfsweise wird die Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache begehrt.

Mit ihrer Rechtsmittelbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der ordentliche Revisionsrekurs und die ordentliche Revision sind zulässig, weil die Entscheidungen der Vorinstanzen einer Korrektur bedürfen; dementsprechend ist das Rechtsmittel der Beklagten im Sinn des subsidiär gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Zu I.:

Die Bestätigung der Zurückweisung eines Zwischenantrags auf Feststellung ist analog zu § 528 Abs 2 Z 2 ZPO wie die Bestätigung der Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen nicht jedenfalls unanfechtbar (RS0119816). Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses sind gegeben. Dabei schadet nicht, dass die Beklagte den inhaltlich ausgeführten und von den Rechtsmittelanträgen erfassten Revisionsrekurs nicht ausdrücklich als solchen bezeichnet hat. Die fehlende oder unrichtige Benennung eines Rechtsmittels hindert dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise nicht (RS0036258).

Der Revisionsrekurs ist rechtzeitig (vgl RS0041670). Er ist auch inhaltlich berechtigt, weil – wie im Folgenden gezeigt wird – die Beurteilung der zweiten Instanz, die Frage nach der Wirksamkeit des zugrunde liegenden Kaufvertrags sei für die Entscheidung über die Räumungsklage mangels Vorliegens eines Rechtsgestaltungsurteils nicht präjudiziell, nicht trägt. Das Erstgericht hat sich daher neuerlich mit den sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Zwischenantrag auf Feststellung und gegebenenfalls, bei deren Vorliegen, mit der inhaltlichen Berechtigung dieses Antrags zu befassen.

Zu II.:

In einem weiteren zwischen denselben Parteien anhängigen Rechtsstreit, der eine andere Liegenschaft trifft, hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst eine Entscheidung getroffen (4 Ob 188/19d) und darin ausgeführt:

1.1 Gegenstand des Verfahrens ist eine Räumungsklage der bücherlichen Eigentümerin gegen ihre Verkäuferin. Es handelt sich somit um einen Rechtsstreit inter partes.

1.2 Das Recht, die Herausgabe einer Sache von demjenigen zu begehren, der sie titellos benützt, gründet im Eigentumsrecht und steht daher dem Eigentümer zu, der die Innehabung der Sache verloren hat (4 Ob 320/00p). Die Räumungsklage wegen

1.3 Für die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen ist sowohl ein gültiger Titel als auch die Eintragung in das Grundbuch erforderlich (Intabulationsprinzip). Die bücherliche Eintragung macht den nach den § 380 und 424 ABGB erforderlichen gültigen Titel daher nicht entbehrlich. Die Unwirksamkeit des zugrunde liegenden Titels hindert demnach den Übergang des Eigentums an der Liegenschaft trotz der bücherlichen Eintragung (1 Ob 518/88; 10 Ob 512/94). In einem solchen Fall ist der Räumungskläger somit nicht Eigentümer der

1.4 Wird die Nichtigkeit des Titel

2.1 Anspruchsgegner der Räumungsklage ist jeder Inhaber, mag er selber Besitzer oder nur Besitzmittler für einen anderen sein (RS0010918). Dabei kann der Beklagte gegen den Herausgabeanspruch des Klägers dessen Eigentumsverlust, eine Zug-um-Zug-Verknüpfung oder ein eigenes, dem Eigentümer gegenüber wirksames Recht zur Innehabung einwenden.

2.2 Dem nachträglichen Eigentumsverlust (ex nunc) ist die von Anfang an fehlende Eigentumsübertragung (ex tunc) gleichzuhalten. Der beklagte Verkäufer kann daher jedenfalls im Streit inter partes die Unwirksamkeit des Titels für die Eigentumsübertragung und daher das fehlende Eigentum des Räumungsklägers trotz erfolgter Einverleibung auch durch Einrede geltend machen (10 Ob 512/94; vgl auch 8 Ob 526/92). Das Intabulationsprinzip steht dem nicht entgegen, weil der grundbücherliche Vertrauensschutz nur einem gutgläubigen Dritten gegenüber, nicht aber zwischen dem wirklich Berechtigten und seinem Nachmann gilt (1 Ob 518/88; 3 Ob 113/19t). Im Verhältnis zwischen

2.3 Im Sinn dieser Überlegungen wurde in der Entscheidung zu 8 Ob 62/11t,

Ähnlich wurde in der Entscheidung zu 7 Ob 669/87

2.4 Soweit das Berufungsgericht mit dem Zitat RS0016879 (T2) auf die Entscheidung zu 6 Ob 633/85 Bezug nimmt, ist zwar richtig, dass dort ausgeführt wurde, dass wucherische Geschäfte gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB nur relativ nichtig seien, weil sie der Bewucherte gegen sich gelten lassen könne. Weder der Wucherer noch ein Dritter könne sich auf die Ungültigkeit des Geschäfts berufen. Die Ungültigkeit wirke demnach nicht von selbst, sondern nur aufgrund eines entsprechenden richterlichen Ausspruchs. Das Gesetz billige nur dem Bewucherten ein Anfechtungsrecht zu.

Diese Ausführungen sind aber nicht dahin zu verstehen, dass der Wuchertatbestand nur mittels Rechtsgestaltungsklage (hier Löschungsklage) geltend gemacht werden

In der Entscheidung zu 3 Ob 2199/96w (RS0016879 [T3])

3. Freilich steht bei Unwirksamkeit des der Einverleibung zugrunde liegenden Titelgeschäfts dem wahren Eigentümer gegenüber seinem Nachmann auch die Löschungsklage zu (§ 62 GBG). Sie wird dann gewährt, wenn der Kläger aus dem Grund der ursprünglichen Nichtigkeit oder des nachträglichen Wegfalls des Rechtstitels, auf dem

4. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass der

Da sich die Vorinstanzen mit der von der Beklagten zulässigen Einrede der Unwirksamkeit des Titelgeschäfts nicht auseinandergesetzt und dazu keine Feststellungen getroffen haben, liegen relevante sekundäre Feststellungsmängel vor. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher aufzuheben.“

Diese rechtliche Beurteilung wird auch vom hier erkennenden Senat geteilt. Auch im gegenständlichen Fall waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung sowohl über den von der Beklagten gestellten Zwischenfeststellungsantrag (unter Abstandnahme von dem vom Berufungsgericht herangezogenen Zurückweisungsgrund der fehlenden Präjudizialität; über den Einwand der sachlichen Unzuständigkeit des Zwischenfeststellungsantrags wurde bislang nicht endgültig abgesprochen) als auch über das Räumungsbegehren der Klägerin aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0090OB00079.19M.1128.000

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