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VfGH vom 18.12.1993, B2091/92

VfGH vom 18.12.1993, B2091/92

Sammlungsnummer

13660

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Regelung der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes; kein Eingriff in verschiedene, möglicherweise in anderen Staaten bedrohte Menschenrechte durch ein Aufenthaltsverbot; keine Verpflichtung zur Beachtung des Refoulement-Verbots durch Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes; Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Bestätigung der Anordnung der Schubhaft durch die Sicherheitsdirektion nach Gegenstandslosigkeit des erstinstanzlichen Bescheides aufgrund der Stattgebung der Haftbeschwerde durch den UVS; unzulässige Verkürzung des Instanzenzuges

Spruch

1. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit durch ihn die Anordnung der Schubhaft bestätigt wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Insoweit wird der Bescheid aufgehoben.

2. Im übrigen (Verhängung eines befristeten Aufenthaltsverbotes) ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

In diesem Umfang wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

3. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit

S 7.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer - ein Tamile mit Staatsangehörigkeit von Sri Lanka - hatte am unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne Sichtvermerk österreichisches Staatsgebiet betreten. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom wurde über ihn einerseits gemäß § 3 Abs 1 und Abs 2 Z 7 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. 75/1954, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. 406/1991 (im folgenden: FrPolG), - das FrPolG ist gemäß § 86 Abs 3 Fremdengesetz, BGBl. 838/1992, mit Ablauf des außer Kraft getreten - ein bis befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet, andererseits gemäß § 5 Abs 1, dritter Fall, FrPolG zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt.

Gegen die sogleich vollzogene Schubhaft erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gemäß § 5a FrPolG an den unabhängigen Verwaltungssenat Wien, welcher mit Bescheid vom die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft mit der Begründung für rechtswidrig erklärte, es wäre nicht die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See, sondern aus näher dargelegten Erwägungen gemäß § 9 Abs 1 des Asylgesetzes 1991 das Bundesasylamt zur Erlassung des Schubhaftbescheides zuständig gewesen; der Beschwerdeführer wurde daraufhin aus der Schubhaft entlassen.

Der rechtzeitig erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gegen den erwähnten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom (Verhängung eines Aufenthaltsverbotes und der Schubhaft) war kein Erfolg beschieden, vielmehr wurde sie mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom als unbegründet abgewiesen und es wurde der erstinstanzliche Bescheid "vollinhaltlich" bestätigt.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der gemäß Art 2, 3 und 5, aber auch gemäß Art 10 EMRK, der gemäß Art 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK und der gemäß dem BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Rechtsvorschriften behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

3. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland - die belangte Behörde dieses verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens - hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

A. Soweit sich die Beschwerde dagegen wendet, daß der bekämpfte Bescheid die Verhängung eines befristeten Aufenthaltsverbotes bestätigt:

1.1. Die Beschwerde hält den dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden § 3 FrPolG aus folgenden Erwägungen für verfassungswidrig:

"Ich habe begründete Sorge bei einer Rückkehr nach Sri Lanka neuerlich verhaftet, unter Umständen sogar getötet zu werden.

Es drohen mir daher im Falle meiner Ausweisung aus Österreich im Wege eines Aufenthaltsverbotes und dessen Vollstreckung in meinem Heimatstaat Menschenrechtsverletzungen nach Art 2, 3 und 5 MRK. Überdies bin ich in meinem Heimatstaat in meinem Recht auf freie Meinungsäußerung (Art10 MRK) beeinträchtigt.

Nach der nunmehr ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes seien Grundrechtsfragen bei der Verhängung des Aufenthaltsverbotes, wie sie auch Tatbestand des § 13a FrPolG sind, nicht zu prüfen.

Der Verwaltungsgerichtshof scheint damit entgegen der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom G225-228/85 dem Bescheid über die Verhängung des Aufenthaltsverbotes die Eingriffsnähe in Ansehung der hier angezogenen Grundrechte abzusprechen.

Nach § 3 Abs 3 FrPolG ist ein Aufenthaltsverbot, welches gegen Art 8 MRK verstößt, nur unter den Voraussetzungen des Art 8 Abs 2 MRK zulässig.

In dem Erkenntnis vom , G225-228/85 hat der Verfassungsgerichtshof über die Eingriffsnähe des Aufenthaltsverbots im Hinblick auf das Grundrecht nach Art 8 MRK erkannt. Diese Eingriffsnähe ist der Natur der Sache nach auch in Ansehung der anderen nach der MRK gewährleisteten Grundrechte verwirklicht. Zur Frage der Eingriffsnähe kann vollinhaltlich auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G225-228/85 verwiesen werden.

Fremde haben nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes im Verhältnis zueinander ein Recht auf Gleichbehandlung. Unzweifelhaft sind die Grundrechte nach Art 3 und 5 höher einzustufen als jene nach Art 8. Es wäre jedenfalls unsachlich und damit verfassungswidrig, das schwächere Grundrecht nach Art 8 MRK der einfachgesetzlichen Bestimmung des § 3 FrPolG als prüfungsrelevant zugrunde zu legen, nicht jedoch die Grundrechte nach Art 2, 3, 5 und 10 MRK.

§ 3 FrPolG ist daher insoweit verfassungswidrig, als er nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine einfachgesetzliche grundrechtskonforme Determinierung außer nach Art 8 MRK beinhaltet."

1.2. Zunächst ist klarzustellen, daß der Beschwerdeführer nicht behauptet, in dem durch Art 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden zu sein; das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, daß dies der Fall wäre.

Vielmehr zielt die Beschwerde darauf ab, jene Überlegungen, die der Verfassungsgerichtshof zu Art 8 EMRK angestellt hat, auf die Art 2, 3, 5 und 10 EMRK zu übertragen. Dieses, am Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 10737/1985 orientierte Beschwerdevorbringen verkennt aber den Inhalt des genannten Erkenntnisses in einem entscheidenden Punkt. Der Verfassungsgerichtshof vertrat im genannten Erkenntnis nämlich die Meinung, nicht erst die Ablehnung eines Vollstreckungsaufschubes nach § 6 Abs 2 FrPolG, sondern schon die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 3 leg.cit. könne in das durch Art 8 EMRK gewährleistete Recht deshalb eingreifen, weil dem Fremden durch ein Aufenthaltsverbot der weitere Aufenthalt im gesamten Bundesgebiet, allenfalls in bestimmten Teilen desselben (§4 FrPolG) untersagt und ihm geboten werde, das Gebiet innerhalb einer Woche nach Rechtskraft des Bescheides zu verlassen. Dies könne etwa den Zwang in sich schließen, sich von seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen zu trennen, womit eine vom Begriff "Familienleben" iS des Art 8 EMRK erfaßte zwischenmenschliche Beziehung wesentlich gestört werden könnte. Ein Aufenthaltsverbot könne unter Umständen auch einen Eingriff in das Privatleben iS des Art 8 EMRK bedeuten, etwa wenn ein Fremder jahrelang in Österreich gelebt habe und hier völlig integriert sei.

Ein derartiger Eingriff in die durch Art 2, 3, 5 und 10 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte erfolgt aber offenkundig durch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gerade nicht. Anders als bei dem durch Art 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht läge hier ein Eingriff nicht in der Verhängung des Aufenthaltsverbotes und in der damit ausgesprochenen Verpflichtung, das Bundesgebiet zu verlassen, sondern gegebenenfalls im Verhalten eines anderen Staates, nachdem der Fremde Österreich verlassen hat. Zwar wird ein Fremder durch ein Aufenthaltsverbot verpflichtet, das österreichische Bundesgebiet oder Teile desselben zu verlassen, nicht aber wird er dazu verpflichtet, sich in einen Staat zu begeben, in welchem ihm bestimmte Menschenrechtsverletzungen drohen. In diesem Zusammenhang sah § 13a FrPolG entsprechende Zurückweisungs-, Zurückschiebungs- und Abschiebungshindernisse vor, die dem "Refoulement-Verbot" - wie es sich aus Art 33 der (Genfer) Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 55/1955, Art 3 EMRK und Art 3 des (UN-)Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, BGBl. 492/1987, ergibt - auf eine dem Art 13 EMRK genügende Weise Rechnung tragen, sofern diese Bestimmung auf verfassungskonforme Weise ausgelegt und dieser Interpretation entsprechend angewendet wird (so schon das Erkenntnis des ). Keine Verfassungsvorschrift hingegen gebietet, die Beachtung des "Refoulement-Verbots" im Wege der Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zu sichern. Damit ist aber auch dem auf Art 33 der Genfer Flüchtlingskonvention gestützten Beschwerdevorbringen der Boden entzogen, weshalb auf dieses nicht weiter einzugehen ist.

In seinem weiteren Erkenntnis vom , B1084/92, hat der Verfassungsgerichtshof im übrigen dargetan, daß und unter welchen Voraussetzungen Abschiebungshindernisse im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gemäß § 5a FrPolG im Rechtsmittel der Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat geltend zu machen und von diesem aufzugreifen sind.

Die vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 3 Abs 1 und Abs 2 Z 7 FrPolG erweisen sich sohin als nicht berechtigt; der Verfassungsgerichtshof seinerseits hatte auch schon bisher keine Bedenken gegen diese Regelung (vgl. VfSlg. 11857/1988, 11982/1989, ) und sieht sich deshalb insgesamt nicht veranlaßt, in eine Prüfung dieser Bestimmungen einzutreten.

Der Beschwerdeführer wurde deshalb nicht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.

2.1. Der Beschwerdeführer erachtet den bekämpften Bescheid deshalb für verfassungswidrig, weil die Erlassung des Aufenthaltsverbots darauf gestützt worden sei, daß der Beschwerdeführer den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht habe nachweisen können. Dabei sei außer Acht gelassen worden, daß der Beschwerdeführer de jure nicht mittellos sei, da ihm als hilfsbedürftigem Fremden, der einen Asylantrag eingebracht habe, Bundesbetreuung nach § 1 des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. 405/1991, hätte zuteil werden müssen. Da ihm diese rechtswidrigerweise versagt worden sei, stütze sich der angefochtene Bescheid auf eine willkürliche Verhaltensweise einer anderen Behörde, sodaß auch der angefochtene Bescheid willkürlich erscheine.

2.2. Der Sache nach wird damit geltend gemacht, der bekämpfte Bescheid verstoße wegen Willkür gegen den Gleichheitssatz. Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, ist es aber ausgeschlossen, daß er in dem durch Art 7 Abs 1 B-VG und durch Art 2 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt wurde (vgl. VfSlg. 10993/1986, 11813/1988, ).

3.1. Zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK trägt die Beschwerde folgendes vor:

"Dieses Grundrecht auf ein faires Verfahren in Ausländeraufenthaltsbeendigungsfragen ist durch die zu oben 3.1. aufgezeigten Vollzugsfehler der belangten Behörde, sowie durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wie sie zum vorstehenden Punkt ausgeführt wurde, verletzt."

3.2.1. Art 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK lautet:

"Artikel 1

1. Ein Ausländer, der seinen rechtmäßigen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Staates hat, darf aus diesem nur auf Grund einer rechtmäßig ergangenen Entscheidung ausgewiesen werden; ihm muß gestattet werden,


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
Gründe vorzubringen, die gegen seine Ausweisung sprechen,
b)
seinen Fall prüfen zu lassen und
c)
sich zu diesem Zweck vor der zuständigen Behörde oder vor einer oder mehreren von dieser Behörde bestimmten Personen vertreten zu lassen.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2. Ein Ausländer kann vor Ausübung der im Abs 1 lita, b und c genannten Rechte ausgewiesen werden, wenn die Ausweisung im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist oder aus Gründen der nationalen Sicherheit erfolgt."

3.2.2. Entgegen der Beschwerdebehauptung garantiert diese Bestimmung offenkundig nicht ein "Grundrecht auf ein faires Verfahren in Ausländeraufenthaltsbeendigungsfragen", vielmehr garantiert sie nur jenen Ausländern, die ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich haben, daß diese nur aufgrund einer rechtmäßig ergangenen Entscheidung ausgewiesen werden und ihnen in diesem Zusammenhang die näher bezeichneten Rechte zustehen. Weder aus dem Beschwerdevorbringen noch aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist nun aber ein Anhaltspunkt dafür erkennbar, daß dem Beschwerdeführer die durch die genannte Verfassungsbestimmung gewährleisteten Rechte vorenthalten worden wären. Bei dieser - offenkundigen - Sachlage muß nicht mehr geprüft werden, ob sich der Beschwerdeführer rechtmäßig in Österreich aufhält und ihm das durch die genannte Rechtsvorschrift eingeräumte verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht überhaupt zukommt.

4. Soweit sich die Beschwerde gegen die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes richtet, erweist sie sich deshalb insgesamt als unbegründet; sie war in diesem Umfang abzuweisen.

B. Soweit sich die Beschwerde dagegen richtet, daß der bekämpfte Bescheid die Verhängung der Schubhaft bestätigt:

Diesbezüglich trägt die Beschwerde überhaupt nichts vor, doch verletzt der Bescheid in dieser Richtung den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985, 11405/1987).

Eine gesetzwidrige Inanspruchnahme einer behördlichen Zuständigkeit erblickt der Verfassungsgerichtshof auch in jenen Fällen, in denen zwar in letzter Instanz die zuständige Behörde, in der Unterinstanz jedoch eine sachlich unzuständige Behörde entschieden hat (VfSlg. 1953/1950, 4401/1963, 5685/1968, 5700/1968, 7605/1975, 8188/1977, 10952/1986, 11033/1986). Maßgeblich für diese Rechtsprechung, die den administrativen Instanzenzug als Einheit auffaßt (VfSlg. 5700/1968, 8188/1977) ist der Gedanke, daß durch die Übergehung der zuständigen Behörde erster Instanz der gesetzlich vorgesehene Instanzenzug unvollständig geblieben ist und durch eine solche unzulässige Verkürzung des Instanzenzuges die Rechtsverfolgungsmöglichkeit behindert wird (VfSlg. 7508/1975, 8188/1977, 8883/1980).

Solches ist der belangten Behörde hier vorzuwerfen, weil sie als Rechtsmittelinstanz eingeschritten ist, obwohl der erstinstanzliche Bescheid nicht mehr dem Rechtsbestand angehörte.

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

In seinem Erkenntnis vom , G346/91 ua., hat der Verfassungsgerichtshof näher dargelegt und begründet, daß auf Grundlage des FrPolG zur Überprüfung eines Schubhaftbescheides gemäß dessen § 11 Abs 2 und 3 allein die Sicherheitsdirektion als Berufungsinstanz, der unabhängige Verwaltungssenat jedoch auf Grundlage des § 5a Abs 1 leg.cit. über die Rechtmäßigkeit der Festnahme und Anhaltung des Fremden zu entscheiden hatte. Weiters heißt es in diesem Erkenntnis (vgl. S 16) abschließend:

"Macht der Festgenommene von diesem Beschwerderecht Gebrauch und entscheidet daraufhin der unabhängige Verwaltungssenat über die Rechtmäßigkeit der Haft, wirkt die Senatsentscheidung als neuer (Titel-)Bescheid, der im Fall der Beschwerdestattgebung die Haftaufhebung, im Fall der - mit der Feststellung der Rechtmäßigkeit der Haft verbundenen - Abweisung der Beschwerde aber die Haftfortdauer zur Folge hat und den Schubhaftbescheid notwendig gegenstandslos werden läßt."

Auf den vorliegenden Beschwerdefall angewendet bedeutet dies, daß durch den der Haftbeschwerde stattgebenden Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom - unabhängig von der Richtigkeit seiner Begründung - der Schubhaftbescheid der Behörde erster Instanz, nämlich der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom , "gegenstandslos" wurde, also aus dem Rechtsbestand ausgeschieden ist.

Die Abweisung der Berufung und "Bestätigung" des erstinstanzlichen Bescheides kommt hier also der Neuerlassung des Bescheides gleich, weil der erstinstanzliche Bescheid im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides nicht mehr dem Rechtsbestand angehörte. Indem die belangte Behörde dies übersah, ist iS der zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch Übergehung der zuständigen Behörde erster Instanz der gesetzlich vorgesehene Instanzenzug unvollständig geblieben, und es wurde durch eine solche unzulässige Verkürzung des Instanzenzuges die Rechtsverfolgungsmöglichkeit des Beschwerdeführers in gravierender Weise behindert, da der bekämpfte Berufungsbescheid die - abermalige - Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft ermöglichte. Daran ändert nichts, daß der Berufungsbescheid über Berufungsantrag des Beschwerdeführers erlassen worden ist, da dieser Antrag eine - nicht bestehende - behördliche Zuständigkeit nicht zu begründen vermochte (vgl. etwa VfSlg. 7508/1975). Insoweit wurde deshalb der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt; der Bescheid war in diesem Umfang aufzuheben.

III. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG; da der Beschwerdeführer nur zum Teil durchgedrungen ist, war ihm nur die Hälfte der Prozeßkosten zuzusprechen. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in Höhe von S 1.250,-- enthalten.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4, erster Satz, und Z 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.