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OGH vom 12.06.2003, 8Ob12/03b

OGH vom 12.06.2003, 8Ob12/03b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, Dr. Kuras und Dr. Lovrek als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am verstorbenen Johann B*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des erbserklärten Testamentserben Josef M*****, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr, Dr. Michael Krüger, Dr. Franz Haunschmidt, Dr. Georg Minichmayr, Dr. Peter Burgstaller, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 261/02m-88, womit infolge Rekurses des Testamentserben der Beschluss des Bezirksgerichtes Leonfelden vom , GZ A 103/98p-84, in Punkt 2 bestätigt und der Rekurs im Übrigen, soweit er sich gegen Punkt 1 dieses Beschlusses richtete, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird im Umfang der Zurückweisung des Rekurses des Erben aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs gegen Punkt 1.) des erstgerichtlichen Beschlusses unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Im Übrigen wird der Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Johann B***** ist am unter Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung vom verstorben, mit der er Josef M***** zum Alleinerben einsetzte und seine unter Sachwalterschaft stehende Tochter Maria B***** auf den Pflichtteil setzte. Der Erbe gab am zum ganzen Nachlass eine bedingte Erbserklärung ab, die mit Beschluss des Erstgerichtes vom zu Gericht angenommen wurde. Mit Beschluss vom selben Tag wurde dem Erben gemäß § 145 AußStrG und § 810 ABGB die Verwaltung und Besorgung des Nachlasses eingeräumt. Nach Einholung eines in der Folge ergänzten Gutachtens über den Verkehrswert der zum Nachlass gehörigen Liegenschaften EZ 95 GB L***** und EZ 290 GB W***** wurde am ein Inventar mit Aktiven von insgesamt 5,828.747,81 S und Passiven von S 249 errichtet, woraus sich ein rechnerischer Reinnachlass von S 5,828.498,81 ergab (S 5,677.248,81 nach Berücksichtigung weiterer Abzüge). Anlässlich der Inventarserrichtung wurde zwischen dem Erben und dem Sachwalter der pflichtteilsberechtigten Tochter des Erblassers ein Pflichtteilsübereinkommen geschlossen, welches den Erben verpflichtete, der pflichtteilsberechtigten Tochter S 2,838.624,40 binnen vier Wochen nach Zustellung des "diesbezüglichen Gerichtsbeschlusses" zu leisten.

Eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Pflichtteilsübereinkommens bzw eine abhandlungsgerichtliche Genehmigung des errichteten Hauptinventars erfolgte nicht, weil das Erstgericht die Auffassung vertrat, dass die Höhe des Pflichtteiles nicht nach dem Wert zum Todeszeitpunkt des Erblassers, sondern nach dem Wert zur Zeit der wirklichen Zuteilung zu errechnen sei. Der pflichtteilsberechtigten Tochter gebührten daher Zinsen aus den in die Verlassenschaft fallenden Sparguthaben nach ihrem Anteil. Eine Einantwortung könne erst erfolgen, wenn der Pflichtteil entweder entrichtet oder sichergestellt sei. Es sei daher auf eine Pflichtteilserfüllung oder eine geeignete Sicherstellung des Pflichtteils zu dringen.

Der weitere Verlauf des Verlassenschaftsverfahrens ist dadurch gekennzeichnet, dass der erbserklärte Erbe seine Bereitschaft zur Errichtung eines endgültigen Hauptinventars mit der Begründung verweigerte, dass der Wert der den wesentlichen Bestandteil der Verlassenschaft darstellenden Liegenschaft EZ 95 Grundbuch L***** ungewiss sei bzw nicht den Ergebnissen des eingeholten und in der Folge ergänzten Sachverständigengutachtens entspreche: Es bestehe die Möglichkeit, dass die bisher als Bauland ausgewiesenen Grundstücke der Liegenschaft möglicherweise eine Umwidmung in Grünland erfahren könnten. Überdies habe die Stadtgemeinde Bad Leonfelden ein unverbindliches Kaufanbot für die Gesamtliegenschaft in Höhe von 3,000.000 S unterbreitet. Daraus ergebe sich, dass der vom Sachverständigen ermittelte Verkehrswert der Liegenschaft (laut Ergänzungsgutachten 6,000.000 S; bereinigter Verkehrswert unter Berücksichtigung des Wohn- und Ausgedingsrechts S 2,974.000) zu hoch sei.

Am (ON 78) beschloss das Erstgericht eine Innehaltung des Verlassenschaftsverfahrens und verwies die pflichtteilsberechtigte Tochter mit ihren Pflichtteilsansprüchen auf den Zivilrechtsweg. Aufgrund des Verhaltens des Erben sei trotz des bereits geschlossenen (pflegschaftsbehördlich nicht genehmigten) Pflichtteilsübereinkommens eine Erbringung des Pflichtteilsausweises bzw die Sicherstellung des vereinbarten Pflichtteils nach mehr als zweijährigem Bemühen durch das Abhandlungsgericht nicht mehr zu erwarten.

Diesen Beschluss behob das Rekursgericht mit Beschluss vom (ON 83) über Rekurs des Testamentserben und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens auf. Am beantragte der Erbe die abhandlungsbehördliche Ermächtigung zur freiwilligen Feilbietung der zum Gutsbestand der EZ 95 GB L***** gehörigen Grundstücke Nr ***** mit der Begründung, dass die Verlassenschaft bereits zur Auszahlung des Pflichtteilsanspruches der Tochter des Erblassers in Höhe von EUR 143.419,84 aufgefordert worden sei. Der Nachlass verfüge nicht über genügend Barvermögen zur Befriedigung des Pflichtteilsanspruchs.

Mit Punkt 1. des Beschlusses des Erstgerichtes vom wurde dem Erben gemäß § 162 AußStrG aufgetragen, binnen drei Wochen den Pflichtteilsausweis gemäß § 162 AußStrG zu erbringen. Mit Punkt 2. des genannten Beschlusses wies das Erstgericht den Antrag auf abhandlungsbehördliche Ermächtigung zur Antragstellung auf freiwillige Feilbietung von Nachlassgrundstücken ab. Zur Begründung führte das Erstgericht aus, dass gemäß § 162 AußStrG ein Pflichtteilsausweis zu erstatten sei. Das Gericht habe gemäß § 149 Abs 2 AußStrG darauf zu dringen, dass dieser Ausweis ohne Verzögerung geliefert werde. Bei Nichtbeachtung des an den Erben ergangenen Auftrages seien gegen ihn die in § 19 Abs 1 AußStrG vorgesehenen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen.

Für die Einantwortung des Erben sei ausreichend, dass der festgestellte Pflichtteilsanspruch der Pflegebefohlenen sichergestellt sei. Dass dieser erfüllt worden sei, sei nicht Voraussetzung. Jedenfalls einstweilen sei daher eine freiwillige Feilbietung von Nachlassgrundstücken nicht indiziert. Ausreichend sei vielmehr eine grundbücherliche Sicherstellung des Pflichtteilsanspruchs.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Erben, soweit er sich gegen Punkt 1. des Beschlusses des Erstgerichtes richtete (Auftrag zur Erbringung des Pflichtteilsausweises) zurück und gab ihm im Übrigen nicht Folge. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Nach Übermittlung des Aktes an das Rekursgericht ergänzte dieses den Ausspruch dahin, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils EUR 20.000 übersteige. Rechtlich ging das Rekursgericht zusammengefasst davon aus, dass auch im Außerstreitverfahren die Anfechtbarkeit von Verfügungen nach dem Gesichtspunkt der Beeinträchtigung rechtlicher Interessen zu beurteilen sei. Der Auftrag zur Erstattung des Pflichtteilsausweises stelle nur eine verfahrensleitende Verfügung dar. In diesem Fall sei der Auftrag, dessen Missachtung erst in einer anfechtbaren späteren Verfügung Rechtswirkungen zeitigen könne, unanfechtbar. Rein prozessual beeinträchtige dieser Auftrag die Rechtsstellung des testamentarischen Erben nicht. Der Rekurs sei daher in diesem Umfang unzulässig.

Bis zum Abschluss des Verfahrens über den Pflichtteilsausweis sei der testamentarische Erbe keiner Gefahr einer Anspruchsdurchsetzung durch den Pflichtteilsberechtigten ausgesetzt. Vor Erledigung des Pflichtteilsausweises sei zwar eine allfällige Leistungsklage des pflegebefohlenen Noterben zulässig, aber nicht begründet. Es sei daher derzeit keine Veranlassung zur Veräußerung von zur Verlassenschaft gehörigen Liegenschaften gegeben.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Erben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist, soweit er sich gegen die Zurückweisung des Rekurses wendet, zulässig, weil das Rekursgericht das Wesen des Pflichtteilsausweises nach § 162 AußStrG verkannte. Er ist in diesem Umfang auch berechtigt. Im Übrigen ist der Revisionsrekurs unzulässig.

Richtig ist, dass auch im Außerstreitverfahren bloß verfahrensleitende Verfügungen, die nicht in die Rechtssphäre der Parteien eingreifen, unanfechtbar sind (vgl dazu RIS-Justiz RS0006327; zuletzt 6 Ob 1/02v). Handelt es sich allerdings um eine Anordnung, die einen der Beteiligten beschwert, ist grundsätzlich Anfechtbarkeit gegeben (RIS-Justiz RS0006284, RS0006128). Bei der vorzunehmenden Prüfung, ob rechtliche Interessen eines Beteiligten beeinträchtigt werden könnten, ist kein kleinlicher Maßstab anzulegen (SZ 50/41 uva). Im hier zu beurteilenden Fall ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das Wesen des dem Erben vom Erstgericht aufgetragenen Pflichtteilsausweises darin besteht, dass der Erbe seine eigene Auffassung von der Berechnung des Pflichtteiles zum Ausdruck bringt. Sache des Gerichtes ist es dann, diesen Ausweis zu erörtern und zu prüfen und darüber Beschluss zu fassen, wie hoch der Pflichtteilsanspruch des pflegebefohlenen Noterben wirklich ist (RIS-Justiz RS0008245). Vor der Erledigung des Pflichtteilsausweises darf eine Einantwortung nicht erfolgen (NZ 1988, 198; SZ 67/53, SZ 67/171; Welser in Rummel³ § 817 ABGB Rz 17; Schwimann/Eccher ABGB III² § 764 Rz 10).

Bereits daraus ergibt sich aber, dass der Erbe durch den Auftrag zur Erstattung des Pflichtteilsausweises beschwert ist, weil das Gericht damit zum Ausdruck bringt, dass es vor Befolgung des Auftrages nicht einzuantworten gedenkt.

Mit der Nichtbefolgung des Auftrages zur Erstattung des Pflichtteilsausweises gemäß § 162 AußStrG sind daher nicht nur bekämpfbare Zwangsfolgen im Sinn des § 19 AußStrG verbunden. Es ist auch die rechtliche Stellung des Erben im Hinblick auf das Zuwarten mit der Einantwortung beeinträchtigt.

Das Rekursgericht wird daher über den zulässigen Rekurs des Erben gegen den Beschluss des Erstgerichtes, mit welchem ihm die Erstattung des Pflichtteilsausweises aufgetragen wurde, inhaltlich zu entscheiden haben.

Unzulässig ist hingegen der Revisionsrekurs bezüglich der Abweisung des Antrages auf abhandlungsbehördliche Genehmigung der freiwilligen Feilbietung gewisser Nachlassgrundstücke: Ein Eingehen auf die als erheblich bezeichnete Rechtsfrage der Fälligkeit des Pflichtteilsanspruches Minderjähriger erübrigt sich: Das Gericht darf die Veräußerung von Nachlassvermögen nur gestatten, wenn die Veräußerung weder dem letzten Willen des Erblassers widerspricht noch die Interessen anderer am Nachlass beteiligter Personen verletzt (NZ 1986, 132; SZ 65/108; RIS-Justiz RS0008210; Welser aaO § 810 ABGB Rz 16). Der Nachlass soll bis zur Einantwortung ungeschmälert erhalten bleiben (4 Ob 328/97g). Gegenstand der vom Erben angestrebten Veräußerung im Wege der freiwilligen Feilbietung sind Grundstücke jener Liegenschaft, die den wesentlichsten Bestandteil der Verlassenschaft darstellt. Unter Berücksichtigung der auch vom Abhandlungsgericht zu wahrenden Interessen der unter Sachwalterschaft stehenden pflichtteilsberechtigten Tochter erfolgte die Versagung der Genehmigung schon deshalb zu Recht, weil ihre Pflichtteilsforderung vom Erben nach wie vor nicht berichtigt oder zumindest sichergestellt worden ist.

In diesem Umfang war der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.