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VfGH vom 24.06.2010, B2076/08

VfGH vom 24.06.2010, B2076/08

Sammlungsnummer

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Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 6.200,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit ihren auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerden wenden sich

mehrere Abschlussprüfungsgesellschaften iS des Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetzes (A-QSG), BGBl. I 84/2005 idF BGBl. I 142/2006, gegen vom Arbeitsausschuss für externe Qualitätsprüfungen erlassene Bescheide, mit denen jeweils festgelegt wird, dass die Frist für die nächste externe Qualitätsprüfung dieser Gesellschaften insoweit gekürzt wird, als sie bis zum (B2076/08) bzw. bis zum (B2077/08), dh. innerhalb einer Frist von 18 Monaten ab Ausstellung der zugrunde liegenden Bescheinigungen, durchzuführen ist. Die reguläre Befristung derartiger Bescheinigungen beträgt prinzipiell sechs Jahre, in bestimmten Sonderfällen drei Jahre (§4 Abs 1 und 2 A-QSG).

Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich durch diese Bescheide in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung verletzt. Sie behaupten mit ihren gleichlautenden Beschwerden im Wesentlichen, dass durch die bekämpften Bescheide neuerlich in derselben Sache entschieden worden sei, weil die Fristverkürzung schon in den zuvor ausgestellten Bescheinigungen nach § 15 A-QSG angeordnet worden wäre, und dass seitens der belangten Behörde Willkür geübt worden sei, weil die Gründe, die zur Fristverkürzung geführt hätten, nicht im Einzelnen dargelegt worden wären. Überdies behaupten sie die Verfassungswidrigkeit von § 16 Abs 5 letzter Satz A-QSG und § 19 Abs 2 letzter Satz A-QSG, wonach gegen die Anordnung von Maßnahmen iSd § 16 Abs 2 leg.cit. "kein gesondertes Rechtsmittel zulässig" ist und die Mitglieder und Ersatzmitglieder des diese Maßnahmen anordnenden Arbeitsausschusses für externe Qualitätsprüfungen "unabhängig und nicht weisungsgebunden" sind. Diese dürften im Lichte der Bestimmung des Art 20 Abs 2 B-VG in seiner durch die Novelle BGBl. I 2/2008 erfolgten Neufassung nicht weisungsfrei gestellt sein. Schließlich wird auch die Gesetzwidrigkeit des § 12 Abs 1 der Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsrichtlinie (A-QSRL), BGBl. II 251/2006, behauptet.

II. Aus Anlass dieser Beschwerdeverfahren sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 16 Abs 2 Z 2 und des § 19 Abs 2 zweiter Satz des Bundesgesetzes über die Qualitätssicherung bei Abschlussprüfungen (Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetz - A-QSG) in der Fassung BGBl. I 84/2005 und ob der Gesetzmäßigkeit von § 12 Abs 1 der Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsrichtlinie (A-QSRL), BGBl. II 251/2006, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof leitete daher mit Beschluss vom gemäß Art 140 Abs 1 B-VG und Art 139 Abs 1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit dieser Bestimmungen ein. Mit Erkenntnis vom , G11,12/10, V17,18/10, hob er § 16 Abs 2 Z 2 A-QSG als verfassungswidrig und § 12 Abs 1 A-QSRL als gesetzwidrig auf.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat in den - gemäß §§404 Abs 2, 187 Abs 2 ZPO (§35 Abs 1 VfGG) zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Bescheidbeschwerdeverfahren erwogen:

Die Beschwerden sind begründet.

Die belangte Behörde hat bei Erlassung der angefochtenen Bescheide ein verfassungswidriges Gesetz und eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war.

Die beschwerdeführenden Parteien wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.303/1984, 10.404/1985, 10.515/1985).

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

IV. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VfGG. In den antragsgemäß zugesprochenen Kosten sind ein Streitgenossenzuschlag in der Höhe von € 300,-- (B2076/08) bzw. € 500,-- (B2077/08), Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt € 960,-- und die entrichteten Eingabengebühren gemäß § 17a VfGG in Höhe von insgesamt € 440,-- enthalten.

Fundstelle(n):
KAAAD-89901