OGH vom 17.01.2017, 11Os136/16h

OGH vom 17.01.2017, 11Os136/16h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Oeljeschläger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Shpejtim M***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Unzuständigkeitsurteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 22 Hv 19/16x-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Anklageschrift vom , AZ 21 St 57/16a, legte die Staatsanwaltschaft Wien Shpejtim M***** als Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 87 Abs 1, 15 StGB beurteiltes Verhalten zur Last. Sie wirft ihm vor, er habe am in W***** andere absichtlich schwer am Körper verletzt und zu verletzen versucht, und zwar

I./ Muharem N*****, indem er ihm einen Stich mit einem Messer in den Unterbauch versetzte, wobei die Tat eine in die Bauchwandmuskulatur reichende Stichwunde, somit eine an sich schwere Verletzung und eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung sowie Berufsunfähigkeit zur Folge hatte;

II./ Dritan K*****, indem er ihm einen Stich mit einem Messer gegen den rechten Unterarm versetzte, wobei die Tat aufgrund des Umstands, dass sie lediglich eine Stichwunde am rechten Unterarm zur Folge hatte, beim Versuch blieb.

Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 261 Abs 1 StPO seine sachliche Unzuständigkeit aus, weil die der Anklage zu Grunde liegenden Tatsachen in Verbindung mit in der Hauptverhandlung hervorgekommenen Umständen einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten und damit die – in die Zuständigkeit des Geschworenengerichts fallenden – Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB begründen könnten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 (vgl dazu: RIS-Justiz RS0099554) und 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Prüfungsinhalt eines Unzuständigkeitsurteils (§ 261 Abs 1 StPO) ist kein Schuldnachweis, sondern ein Anschuldigungsbeweis (RIS-Justiz RS0098095; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 497), welcher dann als erbracht gilt, wenn sich aus dem Anklagevorbringen – allenfalls in Verbindung mit einem in der Hauptverhandlung rechtmäßig vorgekommenen Beweismittel – der naheliegende Verdacht ergibt, der inkriminierte Sachverhalt wäre im Fall eines Schuldspruchs als eine in die Zuständigkeit des Geschworenengerichts fallende strafbare Handlung zu beurteilen (RIS-Justiz RS0124012, RS0098830). Diese Voraussetzung liegt bei strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben im Regelfall dann vor, wenn die äußeren Begleitumstände die Annahme eines Tatentschlusses in Richtung Mord nahelegen; hängt es doch allein von der inneren Tatseite des Täters ab, ob die angeklagte Tat nach § 87 StGB oder nach § 75 StGB zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0107021).

Aus der von dem mit einer Jacke bekleideten N***** erlittenen, immerhin 8 cm tiefen Stichwunde sowie der Verletzung des zwischen dem Angeklagten und N***** stehenden Zeugen K***** erschloss das Erstgericht die erhebliche Wucht und Unkontrolliertheit der Stichführung und führte unter Bezugnahme auf eine Passage in der Aussage des Angeklagten (aktenkonform; ON 41 S 12) ein Beweismittel ins Treffen, das bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabs (RIS-Justiz RS0098830) mängelfrei einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz indiziert (US 6).

Diesem vom Schöffengericht für wahrscheinlich gehaltenen Sachverhalt, der durch den aus § 281 Abs 1 Z 6 StPO eröffneten Anfechtungsrahmen nur nach Maßgabe der Z 5 und 5a, nicht aber rein beweiswürdigend in Frage gestellt werden kann (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 498 f mwN), setzt der Nichtigkeitswerber nur entgegen, dass „nach der Lebenserfahrung“ die „Mordabsicht … auf einem Motiv“ basieren müsse, die Motivlage des Angeklagten aber unklar sei (RIS-Justiz RS0098400; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 450).

Die Kritik (dSn Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe den Umstand nicht gewürdigt, dass auf der mutmaßlichen Tatwaffe keine Spuren des Muharem N***** festgestellt wurden, übersieht, dass der Anschuldigungsbeweis seinem Wesen nach nicht mit der Behauptung einer unzureichenden Erörterung von (regelmäßig gleichfalls vorliegenden) entlastenden Verfahrensergebnissen bekämpft werden kann (12 Os 3/89 = SSt 60/7; RIS-Justiz RS0124013). Die Beschwerde zeigt insofern auch kein „Paradebeispiel für eine Aktenwidrigkeit“ (RIS-Justiz RS0099547) auf, sondern zieht nur die vom Schöffengericht vorgenommene Verdachtsbewertung anhand eigener Erwägungen in Zweifel.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher – wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte – schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00136.16H.0117.000
Schlagworte:
Strafrecht

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