VfGH vom 24.09.2007, B2073/06
Sammlungsnummer
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Spruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführer haben mit Sammelantrag die einheitliche Betriebsprämie für das Jahr 2005 beantragt. Der Vorstand des Geschäftsbereiches II der Agrarmarkt Austria hat mit Bescheid bestimmte flächenbezogene Zahlungsansprüche endgültig festgesetzt sowie eine einheitliche Betriebsprämie in bestimmter Höhe gewährt. Die Beschwerdeführer hatten ferner am die Anerkennung des Sonderfalls Investition in die Tierhaltung beantragt, da sie einen Stallumbau getätigt hätten. Da der in § 7 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die einheitliche Betriebsprämie (Betriebsprämie-Verordnung), BGBl. II Nr. 336/2004, (im Folgenden: BP-VO) vorgesehene Grenzwert von 10% und € 1.000,-- höhere Direktzahlungen in den Jahren 2003 und 2004 bzw. 2004 nicht erreicht worden seien, wurde der Antrag auf Anerkennung als Sonderfall nicht anerkannt. Die dagegen erhobene Berufung wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ab. Er begründete die Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:
"Der Referenzbetrag bei Vorliegen eines Sonderfalls errechnet sich - analog zur Berechung des Referenzbetrags im Bezugszeitraum - anhand der gewährten Direktzahlungen für die beantragten prämienfähigen Tiere (bzw Flächen) der Jahre 2003 und 2004 oder des Jahres 2004 (§5 Abs 3 Betriebsprämie-Verordnung). Erst bei Erhöhung der Direktzahlungen im Fall der Investitionen in die Tierhaltung von mindestens 10% und 1.000 € kann das Vorliegen eines Sonderfalls anerkannt werden. Es steht außer Streit (siehe vorläufige Begründung der Zahlungsansprüche), dass sich die Direktzahlungen des Jahres 2004 (dieser Wert ist höher als der Durchschnitt der Jahre 2003 und 2004) um weniger als 1.000 € erhöht haben und somit der Grenzwert gemäß § 7 Abs 3 Z 1 der Betriebsprämie-Verordnung nicht erreicht wurde.
Die von der AMA vorgenommene Berechnung ist auf Basis der maßgeblichen Bestimmungen des EG-Rechts und der Betriebsprämie-Verordnung erfolgt und korrekt vorgenommen worden. Für eine abweichende Vorgangsweise besteht keine rechtliche Basis, sodass Ihre Berufung abzuweisen ist."
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung von Rechten wegen Anwendungen einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und u.a. angeregt wird, ein Verordnungsprüfungsverfahren einzuleiten und die gesamte BP-VO idF BGBl. II 336/2004 als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G21/07, V20/07, die BP-VO in ihrer Stammfassung BGBl. II 336/2004 zur Gänze als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Gemäß Art 139 Abs 6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art 139 Abs 6 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988). Im Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid, dem ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. II.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein ().
3. Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren begann am . Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als gesetzwidrig aufgehobene Verordnung an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass dadurch die Rechtssphäre der Beschwerdeführer nachteilig beeinflusst wurde. Hiebei wird zu beurteilen sein, ob die mit der Aufhebung der BP-VO entstehende Rechtslücke allenfalls durch gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen ausgefüllt werden kann.
Die Beschwerdeführer wurden somit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
III. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VfGG. In den antragsgemäß zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 180,-- enthalten.