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OGH vom 07.10.2019, 14Os101/19p

OGH vom 07.10.2019, 14Os101/19p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Dr. Bachner-Foregger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Setz-Hummel in Gegenwart des Schriftführers Bodinger in der Strafsache gegen Mattheo-Sebastian S***** wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom , GZ 48 Hv 21/19d-50, und weiters über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten und einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mattheo-Sebastian S***** des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in der Nacht zum in N***** den etwa vier Monate alten Damien K***** vorsätzlich am Körper verletzt und dadurch fahrlässig dessen Tod herbeigeführt, indem er ihn mit beiden Armen vor sich in der Luft hielt und ihn mehrfach schnell vor und zurück bewegte, ohne seinen Kopf zu stabilisieren, wodurch der Säugling ein SchädelHirnTrauma mit Blutung in die Schädelhöhle und Blutungen im Gehirn mit wässriger Hirnschwellung erlitt und am infolge einer daraus resultierenden Atem- und Hirnlähmung verstarb.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung zum Verletzungsvorsatz begegnet deren Ableitung aus dem äußeren Tatgeschehen und dem Eingeständnis des Angeklagten, es sei selbstverständlich und auch ihm bewusst gewesen, dass der Kopf eines Säuglings gestützt werden muss (US 9 f), unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken (vgl RISJustiz RS0116882).

Inwieferne die diesbezüglichen Konstatierungen, nach denen der Beschwerdeführer es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dem Tatopfer durch seine Vorgehensweise (mehrfaches schnelles Schütteln ohne Stabilisierung des Kopfes) Verletzungen am Körper zuzufügen (US 5), nicht „ausreichend“ sein sollten (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a), erklärt die Beschwerde nicht (RISJustiz RS0116569).

Soweit sie kritisiert, dass auch die „Urteilsannahmen … zur subjektiven Zurechenbarkeit des Todeserfolgs … in keiner Weise ausreichend begründet“ seien (nominell Z 10, der Sache nach Z 5 vierter Fall) und im Folgenden die subjektive Vorhersehbarkeit des eingetretenen Erfolgs – auf Basis eigener beweiswürdigender Überlegungen – in Zweifel zieht, lässt sie außer Acht, dass objektive und subjektive Vorhersehbarkeit als Teil der objektiven und subjektiven Sorgfaltswidrigkeit (vgl Burgstaller/Schütz in WK2 StGB § 6 Rz 35 f, 96 f) nicht Gegenstand von (Tatsachen)Feststellungen, sondern als Rechtsfragen einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen sind (Burgstaller/Schütz in WK² StGB § 7 Rz 21 ff, 27; RISJustiz RS0089253, RS0089151; zuletzt 13 Os 27/19y und 14 Os 50/16h; allgemein Ratz, WKStPO § 281 Rz 391 und § 288 Rz 19).

Welche über jene zur objektiven und subjektiven Tatseite sowie zur Kausalität des Täterverhaltens für den Tod des Säuglings (US 4 ff) hinausgehenden Feststellungen (zu positiven Tatbestandserfordernissen) für die vorgenommene rechtliche Beurteilung erforderlich gewesen wären, legt die Rüge, die sich in diesem Zusammenhang in der Behauptung erschöpft, dem Urteil sei nicht zu entnehmen, ob der Täter überhaupt fähig war, die Folgen seines Tuns abzuschätzen, geschweige denn eine Todesfolge vorherzusehen, nicht dar (vgl dazu 15 Os 166/12v).

Mit dem Hinweis auf einzelne Urteilspassagen (wonach der Angeklagte erstmals allein mit seinem Sohn übernachtete, von Zeugen als bemühter Vater beschrieben wurde und anzunehmen sei, dass er „die Tathandlung aus Überforderung mit der Situation gesetzt hat“; US 5, 8 und 10) sowie das geringe Alter des Beschwerdeführers und mit der – ohne Aktenbezug aufgestellten – Behauptung, er sei ein „Heimkind“ gewesen und „im Wesentlichen“ im Umgang mit Säuglingen unerfahren, werden in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse, die Konstatierungen zu einem Ausnahmesatz (konkret zu einem atypischen Kausalverlauf oder dazu, dass der Angeklagte infolge seiner individuellen geistigen Verhältnisse nicht wie jedermann in der Lage gewesen wäre, die Möglichkeit zu erkennen, dass sein Verhalten den Tod des Opfers in einer den Anforderungen des Adäquanz- und Risikozusammenhangs entsprechenden Weise nach sich zieht) indiziert hätten, nicht aufgezeigt (vgl zum Ganzen erneut Burgstaller/Schütz in WK² StGB § 7 Rz 27 iVm § 6 Rz 96 ff; Burgstaller/Fabrizy in WK² StGB § 86 Rz 8 ff; RISJustiz RS0118580 [zu den Voraussetzungen prozessordnungsgemäßer Geltendmachung eines Feststellungsmangels]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00101.19P.1007.000

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