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OGH vom 01.10.1996, 11Os135/96

OGH vom 01.10.1996, 11Os135/96

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Scholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Reinhard B***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom , GZ 20 Vr 1092/94-26 nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im freisprechenden Teil unberührt bleibt, im Schuldspruch und demzufolge auch im Strafausspruch sowie im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit den Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Reinhard B***** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt, weil er am in Traiskirchen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Marianne F***** unter der Vorspiegelung, er werde ihr auf Grund eines von ihm entwickelten Wettsystems hinsichtlich der Fußballweltmeisterschaft 1990 bis Ende Juli 1991 40 - 50 % der Erlöse ausfolgen, bei allfälligem Verlust des gesamten Spielkapitals jedoch 500.000,-- S bar übergeben, sohin durch Täuschung über Tatsachen zur Ausfolgung von 1,550.000,-- S, sohin zu einer Handlung verleitet hat, wodurch Marianne F***** um 1,180.000,-- S an ihrem Vermögen geschädigt wurde.

Vom Anklagevorwurf, darüberhinaus einen weiteren Betrag von 320.000,-- S betrügerisch herausgelockt zu haben, wurde er gemäß § 259 Z 3 StGB freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte ficht das Urteil mit einer auf die Z 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, die berechtigt ist.

Nach den Urteilsannahmen war der von Marianne F***** dem Angeklagten übergebene Betrag von 1,550.000,-- S zur ausschließlichen Verwendung als Wetteinsatz bestimmt (US 6), wobei der Angeklagte einerseits ein "todsicheres" System zu kennen vorgab (US 17), andererseits aber auch den Verlust des gesamten von Marianne F***** bezogenen Spielkapitals nicht ausschloß; dies wurde im sogenannten "Partnerschaftsvertrag" vom auch ausdrücklich festgehalten (US 7). Da der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen den von Marianne F***** erhaltenen Geldbetrag tatsächlich - wenn auch erst mit einer der Vereinbarung nicht entsprechenden zeitlichen Verzögerung - als Wetteinsatz verwendete (US 11), fehlt es insoweit schon an einer objektiven Täuschungshandlung, zumal der zeitlichen Komponente der geplanten Geldverwendung für Wetten angesichts des aleatorischen Charakters der Zweckwidmung keine entscheidende Bedeutung zukommen kann. Das Verlustrisiko war bei (im Sinne der Vereinbarung) "rechtzeitigem" Wetteinsatz nicht anders einzuschätzen.

Soweit das Ersturteil die ausschließliche Zweckwidmung der dem Angeklagten von Marianne F***** überlassenen Geldbeträge zu Dispositionen in Wetteinsätzen hervorhebt (US 6) und diese Gelder als "anvertraut" bezeichnet (US 7), wobei das Erstgericht in der zeitlich verzögerten Geldverwendung durch den Angeklagten eine unrechtmäßige Bereicherung erblickt (US 17), läßt sich daraus kein dem Tatbestand der Veruntreuung nach § 133 StGB entsprechendes Verhalten ableiten. Die Übergabe von Geld für Wetteinsätze in einem bestimmten vorgegebenen Zeitraum mit einer dabei einkalkulierten totalen Verlustmöglichkeit begründet kein Anvertrauen im Sinne der sachbezogenen Fürsorgepflicht eines Verwahrers. Das Verhalten des Angeklagten kann auf der Grundlage der erstinstanzlichen Feststellungen aber auch dem Tatbestand der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB nicht unterstellt werden, weil er die Gelder im eigenen Namen setzen und nur den Gewinn mit der Geldgeberin teilen sollte.

Nach dem Inhalt der Anklageschrift liegt dem Angeklagten aber auch die Vorspiegelung einer Verlustdeckungsgarantie in der Höhe von 500.000,-- S zur Last, die mitursächlich für die Überlassung des Geldes durch Marianne F***** gewesen sein soll. Dazu fehlen aber - wie der Beschwerdeführer in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) sinngemäß richtig zum Ausdruck bringt - im angefochtenen Urteil Feststellungen über eine derartige vom Angeklagten bewirkte Täuschung über seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit.

Das Erstgericht stellte außerdem fest, daß Reinhard B***** im Zeitraum von September 1990 bis Juli 1991 mit dem Geld der Privatbeteiligten insgesamt drei Wetten um 55.500,-- S gesetzt hatte, ohne Marianne F***** von dem in diesen drei Fällen erzielten Nettogewinn den ihr nach dem "Partnerschaftsvertrag" vom zustehenden 40 %igen Anteil auszufolgen (US 12). Es fehlen allerdings auch dazu Feststellungen darüber, inwieweit der Angeklagte schon beim Abschluß des Partnerschaftsvertrages mit dem Vorsatz handelte, die (allenfalls) erzielten Nettogewinnanteile vereinbarungswidrig einzubehalten. Die Tatrichter stellten lediglich fest, daß der Beschwerdeführer Marianne F***** über seine Absicht täuschte, die übernommenen Gelder vorerst in Aktien anzulegen und mit Kursgewinnen zu spekulieren (US 12). Nach den Urteilsannahmen hat der Angeklagte diese Geldbeträge allerdings in der Folge - mit Ausnahme eines Nettoaktienspekulationsverlustes von 23.804,01 S (US 9) - für Wetteinsätze verbraucht. Daß der Angeklagte über die zeitliche Begrenzung des von ihm geplanten Wetteinsatzes und über die Existenz eines todsicheren Wettsystems täuschte, ist aber für die Beurteilung des Tatverhaltens nach § 146 f StGB nach dem Dargelegten nicht maßgeblich.

Insgesamt zeigt sich somit, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung in erster Instanz nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat, weswegen gemäß § 285 e StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung spruchgemäß zu erkennen war.