OGH vom 26.06.2012, 12Os43/12h

OGH vom 26.06.2012, 12Os43/12h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian H***** wegen der Verbrechen nach § 3g VG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom , GZ 24 Hv 91/11p 46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Christian H***** des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) nach § 3g VG schuldig erkannt.

Danach hat er sich im Zeitraum 2008 bis Mai 2010 in S***** anlässlich mehrerer Zusammenkünfte mit Gleichgesinnten in der Wohnung des abgesondert wegen § 3g VG verfolgten Sebastian F***** auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, indem er, seine nationalsozialistische Gesinnung bekräftigend und mit dem Vorsatz, dadurch nationalsozialistische Symbole verherrlichend zur Schau zu stellen, mehrmals „Heil Hitler“ bzw „Sieg Heil“ rief.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf Z 4, 6 und 11a des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Nach der auf Z 4 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Rüge wurde dem mit den Verlesungsbeschränkungen des § 252 Abs 1 StPO verbundenen Umgehungsverbot des § 252 Abs 4 StPO widersprochen, indem die ausdrücklich nicht verlesenen (S 9 in ON 45) Seiten 105 bis 277 der ON 7 nicht ausgesondert, sondern mit dem gesamten Akt samt Beiakten bzw Kopien den Geschworenen zur Beratung übergeben worden seien (S 12 in ON 45).

Den Ausführungen der Nichtigkeitsbeschwerde ist insoweit beizupflichten, als Verstöße gegen die in § 322 StPO angeführten Vorschriften vom taxativen Katalog des § 345 Abs 1 Z 4 StPO grundsätzlich nicht erfasst werden (RIS Justiz RS0100697). Missachtet der Vorsitzende jedoch den gesetzlichen Auftrag, Vernehmungsprotokolle oder andere von § 252 Abs 1 StPO erfasste Schriftstücke auszusondern, die in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden oder sonst prozessförmig vorgekommen sind, und werden diese Beweisergebnisse den Geschworenen bekannt, verstößt er gegen das Umgehungsverbot des § 252 Abs 4 StPO (vgl Ratz , WK StPO § 345 Rz 9; RIS Justiz RS0118038).

Auf den vorliegenden Fall bezogen übersieht die Rüge jedoch, dass es sich bei den in Rede stehenden Aktenteilen ausschließlich um die Auswertung einer sichergestellten CD (mit Inhalten, die iR § 207a StGB geprüft wurden) handelt, die im Übrigen in keinem Bezug zu dem vom Urteil erfassten Tatvorwurf stehen. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt daher nicht vor.

Die Fragenrüge (Z 6) fordert unter Zugrundelegung mehrerer Zeugenaussagen zu den Zeitpunkten der gemeinsamen Anwesenheit des Angeklagten und anderer Personen anlässlich von Zusammenkünften beim abgesondert verfolgten Sebastian F***** die Stellung „mehrerer, mindestens zweier der Hauptfrage 2./ inhaltlich gleichlautender Hauptfragen, diese jedoch konkretisiert nach den einzelnen näher einzugrenzenden Tatzeitpunkten der 13 oder 14 Treffen bei Sebastian F*****, bei denen die Zeugin S***** anwesend war“, da die inkriminierten Äußerungen nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens entweder zu einem oder aber zu mehreren unterschiedlichen Zeitpunkten gefallen sein könnten.

Weshalb die in der Hauptfrage 2./ deutlich vorgenommene Zusammenfassung einer pauschal individualisierten unbestimmten Anzahl gleichartiger Taten (gleichartige Verbrechensmenge; vgl Ratz , WK StPO § 345 Rz 37) dem in § 312 StPO normierten Gebot zur Konkretisierung der Taten durch Aufnahme der den einzelnen Deliktsmerkmalen entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten (vgl Schindler , WK StPO § 312 Rz 24) nicht genügen sollte, bleibt jedoch unklar.

Inwiefern der genaue Zeitpunkt der Begehung einzelner Taten im angegebenen Zeitraum von entscheidender Bedeutung (siehe dazu RIS Justiz RS0098557) sein und insbesondere die Gefahr einer Doppelverfolgung bestehen sollte, der nur durch eine hinreichend konkrete Fragestellung begegnet werden könne, wird von der Rüge ebensowenig nachvollziehbar begründet wie der Vorwurf, die gerügte Art der Interrogation habe „die freie Beweiswürdigung der Geschworenen in der Art und Weise antizipiert, indem es ihnen die ihnen allein obliegende Beweiswürdigungsarbeit abgenommen hat, sich damit auseinanderzusetzen, wenn, dann wann und in wessen Anwesenheit die Äußerung gefallen ist, und den Geschworenen damit im Sinne der Anklage und zu Lasten des Zweifelsgrundsatzes die Entscheidungsfindung erleichtert“.

Im Übrigen streiten aus einer pauschalen Individualisierung durch einen Schuldspruch wegen einer gleichartigen Verbrechensmenge resultierende Zweifel im Fall einer nachfolgenden Verurteilung für die Annahme von Tatidentität und somit für das Vorliegen des Verfolgungshindernisses des ne bis in idem (vgl RIS Justiz RS0119552 [T8 und T 10]). Ferner hatten die Laienrichter gemäß § 330 Abs 2 StPO die Möglichkeit, durch bloß teilweise Bejahung der Hauptfrage 2./ nur eine Tathandlung des Angeklagten als erwiesen anzunehmen.

Der Einwand der Rechtsrüge (Z 11 lit a), die „bloße Feststellung“ im Urteilsspruch, der Beschwerdeführer habe sich in sonstiger Weise betätigt, indem er, seine nationalsozialistische Gesinnung bekräftigend und mit dem Vorsatz, dadurch nationalsozialistische Symbole verherrlichend zur Schau zu stellen, mehrmals „Heil Hitler“ bzw „Sieg Heil“ rief, genüge nicht für die Beurteilung, ob er auch mit dem Vorsatz gehandelt hat, sich in sonstiger Weise nationalsozialistisch zu betätigen, da der Schuldspruch offen lasse, ob das Betätigen im nationalsozialistischen Sinn vorsätzlich oder fahrlässig erfolgte, ist nicht verständlich.

Überdies kann dann, wenn die Schuldform der Vorsätzlichkeit im Gesetzestext nicht ausdrücklich angeführt ist (wie hier im § 3g VG), im Hinblick auf § 7 Abs 1 StGB (der gemäß Art I des Strafrechtsanpassungsgesetzes, BGBl 1974/422, auch auf im gerichtlichen Nebenstrafrecht enthaltene Verbrechenstatbestände wie § 3g VG anzuwenden ist) ihre Erwähnung ohne Verletzung der Vorschrift des § 312 StPO auch bei Formulierung der entsprechenden, an die Geschworenen zu richtenden Fragen aufgrund der in der Rechtsbelehrung enthaltenen (vgl S 2 und 8 der Beilage ./1 zu ON 45) und aufzunehmenden Aufklärung, wonach der Täter sich vorsätzlich im nationalsozialistischen Sinn betätigen muss, unterbleiben (13 Os 45/00 mwN; Schindler , WK StPO § 312 Rz 60 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.