OGH vom 09.11.2010, 10Ob75/10t

OGH vom 09.11.2010, 10Ob75/10t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj L*****, geboren am , vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirk 10, Van der Nüll Gasse 20, 1100 Wien), über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 351/10a 12, womit infolge Rekurses des Kindes der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 8 PU 68/10p 5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die am geborene L***** ist die Tochter von H***** und G*****. Sie ist in Obsorge ihrer Mutter.

Der Vater anerkannte am vor dem Jugendwohlfahrtsträger die Vaterschaft. In einer vor dem Jugendwohlfahrtsträger am abgeschlossenen Unterhaltsvereinbarung verpflichtete sich der Vater, ab einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 160 EUR monatlich zu zahlen. Es wurde auch festgelegt, dass die bereits fälligen Unterhaltsbeträge binnen zwei Tagen zu zahlen sind, dass der Unterhalt von 160 EUR für Februar 2010 am fällig ist und dass die künftig ab März 2010 fällig werdenden Unterhaltsbeträge am Ersten eines jeden Monats im Voraus zu zahlen sind.

Am beantragte das Kind die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe (160 EUR monatlich); am wurde klargestellt, dass die Vorschüsse ab begehrt werden (ON 4). Mit dem Vorschussantrag wurde die Gleichschrift eines mit datierten Antrags vorgelegt, nach dessen Inhalt das Kind hinsichtlich des im Zeitraum vom bis entstandenen Unterhaltsrückstands in Höhe von 371,61 EUR die Bewilligung der Forderungsexekution nach § 294a EO gegen den Vater begehrte. Dem Vorschussantrag war weiters ein Telefax-Deckblatt samt Sendebericht angeschlossen, wonach der Exekutionsantrag am um 8:07 Uhr per Telefax an das Bezirksgericht Donaustadt mit der Bitte um Weiterleitung an die „E-Abteilung Buchstabe Z“ übermittelt worden war.

Aus dem Inhalt des Aktes ist zu ergänzen, dass der per Telefax übermittelte Exekutionsantrag tatsächlich am Freitag, beim Bezirksgericht Donaustadt einlangte; das Original des Antrags ging laut Eingangsvermerk am Mittwoch, ein. Das Ergebnis der Drittschuldnerabfrage des Bezirksgerichts Donaustadt ist mit datiert.

Mit Beschluss vom gewährte das Erstgericht dem Kind Titelvorschüsse für den Zeitraum vom bis und wies das auf Vorschussgewährung auch für den Februar 2010 gerichtete Mehrbegehren mit der Begründung ab, dass im Sinne des § 3 Z 2 UVG Unterhaltsvorschüsse zu gewähren seien, wenn der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Unterhaltstitels den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leiste; im Februar 2010 seien nur rückständige Unterhaltszahlungen fällig geworden.

Das Rekursgericht gab dem gegen die Abweisung des Vorschussantrags für Februar 2010 gerichteten Rekurs des Kindes nicht Folge. Aus dem elektronischen VJ-Register des Bezirksgerichts Donaustadt ergebe sich, dass das Kind tatsächlich im Februar 2010 kein Exekutionsverfahren gegen den Vater eingebracht habe. Die Gleichschrift des Exekutionsantrags, verbunden mit einem Sendebericht über die Einbringung des Exekutionsantrags mittels Telefax reiche für die gemäß § 3 Z 2 UVG vorzunehmende Bescheinigung einer Exekutionsführung nicht aus. Selbst nach dem vorgelegten Sendebericht sei der Exekutionsantrag am letzten möglichen Werktag des Monats Februar 2010 eingebracht worden. Demnach müsse die nachträglich vorzunehmende, im Übrigen nicht bescheinigte Verbesserung durch Vorlage des Originals beim zuständigen Exekutionsgericht jedenfalls erst in den März 2010 fallen. Insgesamt habe die Antragstellung die von § 3 Z 2 UVG geforderte Voraussetzung eines „tauglichen“ Exekutionsantrags nicht erfüllt.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 3 Z 2 UVG in der Fassung des FamRÄG 2009 vorliege.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Kindes mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Vorschussgewährung bereits ab dem .

Die übrigen Verfahrensparteien haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher nicht zur Frage Stellung genommen hat, ob es für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 3 Z 2 UVG ausreicht, dass der für den Monat, in dem vor dem Jugendwohlfahrtsträger eine Unterhaltsvereinbarung geschlossen wird, zu leistende Unterhaltsbeitrag laut dem Inhalt der Unterhaltsvereinbarung nicht am Monatsersten, sondern zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Monat (nach dem Datum der Unterhaltsvereinbarung) fällig wird. Er ist jedoch nicht berechtigt.

In seinen Rechtsmittelausführungen macht das Kind im Wesentlichen geltend, dass § 89 Abs 3 GOG telegraphische Eingaben an das Gericht zulasse. Der Exekutionsantrag sei am per Telefax beim Exekutionsgericht eingelangt und dort umgehend zur Bearbeitung übernommen worden, wie die Hauptverbandsabfrage zeige. Entscheidend sei, dass ein Exekutionsantrag in jedem Fall als an jenem Tag eingebracht gelte, an welchem er mittels Faxeingabe beim zuständigen Exekutionsgericht einlange. Da dies im konkreten Fall im Februar 2010 geschehen sei, seien konsequenterweise die Vorschussvoraussetzungen nach § 3 Z 2 UVG bereits im Februar 2010 erfüllt.

Mit diesen Ausführungen wird außer Acht gelassen, dass die von § 3 Z 2 UVG in der Fassung des FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, geforderten Voraussetzungen von der Antragstellerin im Februar 2010 noch keinesfalls erfüllt waren, und zwar unabhängig davon, ob der Exekutionsantrag als im Februar oder erst im März 2010 eingegangen gilt. In diesem Zusammenhang ist vorweg darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof im Fall der Ausführung einer gesetzmäßigen Rechtsrüge nicht auf die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung im Rahmen der vom Rechtsmittelwerber ausdrücklich aufgeworfenen Rechtsfragen beschränkt ist; vielmehr ist die Berechtigung der Rechtsrüge dann nach einem allgemeinen Grundsatz des Rechtsmittelverfahrens allseitig zu prüfen (anstatt vieler Zechner in Fasching/Konecny 2 § 503 ZPO Rz 189 zur vergleichbaren Rechtslage nach der Zivilprozessordnung).

Der Oberste Gerichtshof hat zuletzt in einer Reihe von Entscheidungen (siehe RIS-Justiz RS0126137) darauf hingewiesen, dass § 3 Z 2 UVG in der Fassung des FamRÄG 2009 auf die nicht vollständige Leistung des laufenden Unterhaltsbeitrags nach Eintritt der Vollstreckbarkeit abstellt, weshalb es für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen unerheblich ist, ob allenfalls bestehende Unterhaltsrückstände nicht gezahlt werden. Die Frage, ob ein zu leistender Unterhaltsbeitrag als „laufender“ oder als Rückstand zu qualifizieren ist, ist ausgehend vom Titel zu lösen: Im konkreten Fall wurde im Sinne der ganz herrschenden Ansicht, wonach Unterhalt im Vorhinein zu leisten ist (RIS-Justiz RS0001011; Koziol in KBB 3 § 1418 Rz 2), vereinbart, dass ab März 2010 der laufende Unterhalt „am Ersten eines jeden Monats im Voraus zu zahlen“ ist. Die weitere Vereinbarung, wann die Unterhaltsbeiträge für die Monate Dezember 2009, Jänner 2010 und Februar 2010 zu leisten sind, ist im Licht des Umstands zu sehen, dass die Unterhaltsvereinbarung vom datiert. Unabhängig von der Formulierung in der Vereinbarung handelt es sich dabei jedenfalls um Unterhaltsrückstände, deren Nichtleistung nach der zitierten Rechtsprechung für sich allein nicht zu einem Vorschussanspruch führt. Dieser hängt vielmehr davon ab, dass der Unterhaltsschuldner den am fällig gewordenen Unterhaltsbeitrag nicht leistete. Auf dieser Grundlage kann das Kind aber vor dem keinen Vorschussanspruch erwerben. Auf die im Revisionsrekurs aufgeworfenen Fragen kommt es nicht mehr an.