OGH vom 17.04.2007, 10Ob75/06m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Kinder Adisa K*****, geboren am , und Ariana K*****, geboren am , beide *****, beide vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters Marcus K*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Roswitha Ortner, Rechtsanwältin in Villach, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 57/06t-U15, womit infolge Rekurses der Minderjährigen und des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom , GZ 20 P 136/02b-U10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Dem Revisionsrekurs des Vaters wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Beschlüsse der Vorinstanzen - einschließlich der in Rechtskraft erwachsenen Teile - insgesamt folgendermaßen zu lauten haben:
„Marcus K*****, ist verpflichtet, zum Unterhalt der mj Adisa K*****, geboren am , und der mj Ariana K*****, geboren am , beide *****, zu Handen der Mutter Mandana K*****, ebendort, für den Zeitraum von bis einen rückständigen Unterhalt von EUR 195,-- für die mj Adisa K***** und von EUR 146,-- für die mj Ariana K***** binnen 14 Tagen ab Rechtskraft dieses Beschlusses zu bezahlen.
Das Mehrbegehren auf Festsetzung eines monatlichen Unterhalts von insgesamt EUR 525,-- je Kind für den Zeitraum von bis und den Zeitraum von bis abgewiesen. Die weitere Beschlussfassung über den Zeitraum ab bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Der Vater Marcus K***** hat die Kosten seiner Rekursbeantwortung selbst zu tragen."
2. Der Antrag des Vaters, die Minderjährigen zum Ersatz der Kosten des Revisionsrekurses zu verpflichten, wird abgewiesen.
3. Die Revisionsrekursbeantwortung der Kinder wird zurückgewiesen. Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die am geborene Adisa K***** und die am geborene Ariana K***** entstammen der mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom , 20 C 1/04f, geschiedenen Ehe der Mutter Mandana K***** und des Vaters Marcus K*****. Aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Linz vom , 20 P 136/02b-S22, kommt der Mutter allein die Obsorge zu. In der Scheidungsvereinbarung war seinerzeit die Obsorge beider Eltern - bei einem hauptsächlichen Aufenthaltsort bei der Mutter - vereinbart worden; weiters war festgelegt worden, dass „die bisherige Ehewohnung ..., was die alleinigen Untermietverhältnisse betrifft, der Antragstellerin Frau Mandana K***** übertragen" wird. In der Scheidungsvereinbarung hat sich der Vater verpflichtet, für seine beiden Töchter einen (im Hinblick auf das anhängige Unterhaltsverfahren) vorläufigen Unterhalt von je EUR 250,-- ab zu bezahlen. Ein weiters in der Vereinbarung angesprochener Unterhaltsrückstand bezieht sich offensichtlich auf die Ehegattin (die Ehegatten verzichteten im Übrigen wechselseitig auf Unterhalt). Im anhängigen Unterhaltsfestsetzungsverfahren begehren die beiden Kinder für die noch verfahrensgegenständlichen Zeiträume von bis und von bis die Festsetzung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von je EUR 525,-- (20 P 136/02b-U6). Der Vater bestreitet jedenfalls für den Zeitraum von bis - im Hinblick auf erbrachte Naturalleistungen - eine Verletzung seiner Unterhaltspflicht (20 P 136/02b-31) und ist mit einer herabgesetzten Unterhaltsfestsetzung in folgender Höhe einverstanden: je Kind EUR 249,-- von bis , je Kind EUR 184,-- von bis , je Kind EUR 165,-- von bis , weiters für den Zeitraum von bis EUR 185,-- für Adisa und EUR 156,-- für Ariana.
Das Erstgericht wies den Antrag der Kinder, den Vater im Zeitraum von bis sowie im Zeitraum bis zu einem Unterhalt von monatlich je EUR 525,-- zu verpflichten, ab und den Antrag des Vaters auf Unterhaltsherabsetzung ab zurück.
Ausgehend von der "Prozentsatzmethode" stehe den Kindern Unterhalt im Ausmaß von 16 % des Einkommens des Vaters im Zeitraum von bis und im Ausmaß von 19 % (Adisa) bzw 16 % (Ariana) von bis zu. In den beiden fraglichen Zeiträumen stünden dem Unterhaltsanspruch von Adisa (EUR 4.007,--) und Ariana (EUR 3.846,--) anrechenbare Unterhaltsleistungen des Vaters in Form von Geld- und Naturalunterhalt in Höhe von jeweils EUR 5.779,10 gegenüber, weshalb eine Unterhaltspflichtverletzung des Vaters zu verneinen sei. Beim anrechenbaren Naturalunterhalt seien unter anderem die Zahlungen für Miete (monatlich EUR 425,30) und Betriebskosten sowie Strom und GIS zur Gänze zu berücksichtigen, wenn auch mit der Maßgabe, dass die Zahlungen - weil sie auch der Mutter zugute kämen - auf drei Köpfe aufzuteilen seien. Da der Vater in den fraglichen Zeiträumen seine Unterhaltspflicht nicht verletzt habe, sei der Antrag der Kinder bis nicht gerechtfertigt. Da eine Unterhaltsbemessung ab nicht erfolgt sei, sei der Antrag des Vaters auf Unterhaltsherabsetzung zurückzuweisen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters (gegen die Zurückweisung des Herabsetzungsantrags) Folge und dem Rekurs der Kinder teilweise Folge. Der erstgerichtliche Beschluss wurde dahin abgeändert, dass der Vater verpflichtet wurde, für den Zeitraum von bis einen rückständigen Unterhalt von je EUR 1.759,28 und für den Zeitraum von bis einen rückständigen Unterhalt von EUR 195,-- für Adisa und EUR 146,-- für Ariana zu bezahlen; das auf Gewährung eines monatlichen Unterhalts von EUR 525,- je Kind ab wurde hinsichtlich des Zeitraums bis abgewiesen; die weitere Beschlussfassung für den Zeitraum ab wurde dem Erstgericht vorbehalten.
Das Rekursgericht verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, übernahm den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und führte in seiner rechtlichen Beurteilung unter anderem aus, dass Aufwendungen, die der Vater lediglich deshalb erbringe, um die von den Unterhaltsberechtigten (mit-)benützte Wohnung in benutzungsfähigem Zustand zu erhalten, (auch) der Beistellung von Wohnraum für die Unterhaltsberechtigten dienten und deshalb als Naturalunterhaltsleistungen zu beurteilen seien. Zu diesen Wohnungsbenützungskosten gehörten etwa die Betriebskosten, die Kosten für elektrische Energie, Gas und Heizung, während Mietzinszahlungen des Unterhaltsverpflichteten für die vom anderen Elternteil und den Kindern bewohnte Ehewohnung nicht als auf den zu leistenden Geldunterhalt anrechenbare Naturalleistungen anzusehen seien. Daraus folge, dass die vom Unterhaltsschuldner geleisteten Zahlungen für Betriebskosten, Strom und GIS-Gebühren sehr wohl als Naturalleistungen zu berücksichtigen seien, während seine Zahlungen auf Mietzins keinen Naturalunterhalt darstellten. Ausgehend davon, dass die Betriebskosten, die Strom- und GIS-Gebühren-Zahlungen lediglich zu 2/3 zugunsten der Kinder anzurechnen seien, ergebe sich, dass der Vater im Zeitraum von bis insgesamt Natural- und Geldunterhaltsleistungen von EUR 1.022,72 je Kind erbracht habe. Demgegenüber bestehe ein Gesamtunterhaltsanspruch von EUR 2.782,-- je Kind, woraus sich ein Unterhaltsrückstand von EUR 1.759,28 je Kind für den Zeitraum bis errechne.
Für den Zeitraum von bis habe das Erstgericht den Unterhaltsanspruch der Kinder richtig berechnet (je Kind EUR 190,-- im Februar 2005; für Adisa EUR 212,-- und für Ariana EUR 179,-- monatlich von 1. 3. bis ). Dem Gesamtunterhaltsanspruch von Adisa in Höhe von EUR 1.250,-- und von Ariana in Höhe von EUR 1.085,-- stünden Geldunterhaltsleistungen des Vaters in Höhe von EUR 1.055,-- bzw EUR 939,-- gegenüber, sodass der Unterhaltsrückstand EUR 195,-- bzw EUR 146,-- betrage. Da bereits eine rechtskräftige Unterhaltsfestsetzung durch das Erstgericht vorgelegen sei, sei der Herabsetzungsantrag des Vaters zu Unrecht zurückgewiesen worden; der Zurückweisungsbeschluss sei demnach ersatzlos aufzuheben.
Der ordentliche Revisionsrekurs wurde zunächst mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zugelassen. Über Zulassungsvorstellung des Vaters (§ 63 AußStrG) änderte das Rekursgericht diesen Ausspruch dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG doch zulässig sei, da die Frage der Anrechnung von Naturalunterhalt in Form von Mietzinszahlungen durch den geldunterhaltspflichtigen Elternteil hinsichtlich der von den Kindern (mit-)benützten Wohnung im Hinblick auf eine uneinheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung eine Frage von erheblicher Bedeutung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung darstelle.
In seinem Revisionsrekurs, zu dem die Kinder eine Beantwortung erstattet haben, stellt der Vater den Antrag, den Beschluss des Rekursgerichtes hinsichtlich des rückständigen Unterhalts von je EUR 1.759,28 je Kind für den Zeitraum von bis aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.
Die Rechtsmittelausführungen lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass die vom Vater im Zeitraum von bis geleisteten Mietzinszahlungen (für die von den Kindern und ihrer Mutter bewohnten Wohnung) auf den Kindesunterhalt anzurechnen gewesen wären, um eine Doppelalimentierung der Kinder zu vermeiden. Wäre - entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur - eine Anrechnung vorgenommen worden, hätte sich ergeben, dass für den genannten Zeitraum gar kein Unterhaltsrückstand bestehe.
Diese Ausführungen sind berechtigt.
Vorerst ist klarzustellen, dass sich das Revisionsrekursvorbringen allein auf den Zeitraum von bis , also auf den Zeitraum vom Auszug des Vaters aus der ehelichen Wohnung bis zur Scheidung der Ehe der Eltern im Einvernehmen mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom bezieht.
Der primär geschuldete Naturalunterhalt wandelt sich in zwei Fällen in eine Geldunterhaltsschuld, nämlich wenn Kind und Unterhaltsschuldner nicht im gemeinsamen Haushalt leben oder bei auch nur teilweiser Verletzung der Unterhaltspflicht (Neuhauser in Schwimann, ABGB3 I, § 140 Rz 110 mwN). Da diese beiden Voraussetzungen nicht kumulativ vorliegen müssen, haben die Kinder für den fraglichen Zeitraum von bis fraglos einen Anspruch auf Geldunterhalt. Damit ist die weitere Frage zu beantworten, ob sich dieser Anspruch (ausnahmsweise) aufgrund anrechenbarer Naturalleistungen - konkret im Hinblick auf die vom Unterhaltspflichtigen zur Verfügung gestellte Wohnversorgung - vermindert.
Nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bedarf ein Unterhaltsberechtigter, der nicht auch für die Kosten seiner Wohnversorgung aufzukommen hat, regelmäßig nicht mehr des gesamten Geldunterhalts, um seinen vollständigen Unterhalt zu decken (RIS-Justiz RS0047254; 7 Ob 52/03b = ÖA 2003, 276/U 405 = EFSlg 103.326). Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in einigen Entscheidungen (siehe etwa die Nachweise bei Deixler-Hübner, Zur Anrechnung von Geld- und Naturalunterhalt, ecolex 2001, 110 unter FN
11) ausgesprochen hat, dass im Rahmen der Kindesunterhaltsbemessung nach § 140 ABGB nur Betriebskosten abzugsfähig seien, während Mietzinszahlungen das familienrechtliche Verhältnis der Eltern nach § 97 ABGB betreffen würden. In der Entscheidung 4 Ob 41/05s (= JBl 2005, 782 = ÖA 2005, 246/U 456) ist der Oberste Gerichtshof - mit Darstellung des Standes der Rechtsprechung - ausführlich auf das Spannungsverhältnis zwischen dem familienrechtlichen Verhältnis der Ehegatten (§ 97 ABGB; Aufteilungsansprüche) und der Vermeidung einer Doppelalimentierung der Kinder eingegangen. Demnach ist grundsätzlich eine Anrechnung von anteiligen Wohnungskosten vorzunehmen, außer es würde dem Recht, die bisherige Ehewohnung weiter zu benützen, eine Gegenleistung des betreuenden Elternteils gegenüberstehen (insbesondere auch im Zusammenhang mit einem Aufteilungsverfahren) oder wenn sich aus einem Vergleich ergäbe, dass die Wohnversorgung des Kindes zusätzlich zur eingegangenen Geldunterhaltsverpflichtung geleistet werden sollte.
Die Entscheidung 4 Ob 41/05s wurde in einer Entscheidung des 7. Senats zustimmend zitiert (7 Ob 95/05d). In einer weiteren Entscheidung des 7. Senats wurde jedoch die auf § 97 ABGB gestützte, von Deixler-Hübner (aaO ecolex 2001, 110 ff) kritisierte Differenzierung zwischen Wohnungsbenützungs- und Wohnungsbeschaffungskosten wiederum aufrecht erhalten (7 Ob 191/05x = FamZ 2006, 32 = Zak 2006, 113 [kritisch Kolmasch]). Der 4. Senat konnte in seiner Entscheidung 4 Ob 142/06w (Zak 2006, 433) die Frage unbeantwortet lassen, weil eine Bindung durch § 97 EheG jedenfalls mit der Beendigung eines Aufteilungsverfahrens nach den §§ 81 ff EheG oder mit dem ungenutzten Ablauf der Frist des § 95 EheG fortfällt. Zuletzt hat auch der 2. Senat ausgesprochen, dass das Zurverfügungstellen einer Wohngelegenheit auch beim Kindesunterhalt nicht von vornherein von der Berücksichtigung als Naturalunterhalt ausgeschlossen sei; im konkreten Fall wurde aber aus dem bloßen Miteigentum allein kein Anspruch auf Anrechnung eines fiktiven Mietzinses als Naturalunterhalt auf den den Kindern geschuldeten Geldunterhalt abgeleitet (2 Ob 169/05z = RIS-Justiz RS0080373 [T6]). Dieser Fall ist aber mit dem vorliegenden, in dem der Vater die Mietzinse für die von den Kindern mit ihrer Mutter bewohnte Wohnung beglichen hat, nicht vergleichbar.
Die Lehre steht einer Differenzierung zwischen Wohnungsbenützungs- und Wohnungsbeschaffungskosten kritisch gegenüber (Deixler-Hübner aaO, ecolex 2001, 110 ff; Gitschthaler, Unterhaltsrecht [2001] Rz 56; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3 [2004] 98; Neuhauser in Schwimann, ABGB3 I § 140, Rz 117).
Der erkennende Senat schließt sich der vom 4. Senat in der Entscheidung 4 Ob 41/05s und von Deixler-Hübner (aaO ecolex 2001, 110 ff) in überzeugender Weise geäußerten Ansicht an, wonach eine Differenzierung zwischen Wohnungsbenützungs- und Wohnungsbeschaffungskosten in aller Regel nicht gerechtfertigt ist und zur Vermeidung einer Doppelalimentierung alle Wohnungskosten nach Kopfteilen auf die die Wohnung benützenden Unterhaltsberechtigten zu gleichen Teilen aufzuteilen sind.
Ausgehend von einem vom Unterhaltspflichtigen geleisteten monatlichen Mietzins von EUR 425,30 entfallen auf jedes Kind EUR 141,77 im Monat, für dreizehn Monate insgesamt EUR 1.842,97, womit der vom Rekursgericht angenommene Unterhaltsrückstand (je EUR 1.759,28) überschritten wird. Demnach hat der Vater die ihm obliegenden Unterhaltsleistungen im Zeitraum von bis vollständig erbracht, sodass ihm insoweit keine weitere Leistung aufzuerlegen ist.
Ein Kostenersatz findet in Verfahren über Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder nicht statt (§ 101 Abs 2 AußStrG). Der darauf gerichtete Antrag im Revisionsrekurs ist daher abzuweisen. Die Revisionsrekursbeantwortung der Kinder ist hingegen als verspätet zurückzuweisen. Die Freistellung der Revisionsrekursbeantwortung wurde dem Vertreter der Kinder am zugestellt. Die Revisionsrekursbeantwortung wurde am , demnach erst nach Ablauf der 14-tägigen Frist des § 68 Abs 1 AußStrG zur Post gegeben.