OGH vom 13.09.2001, 8ObA166/01x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Dr. Heinz Nagelreiter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Hannelore A*****, Hausfrau, *****, vertreten durch DDr. Manfred Nordmeyer ua, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei L***** AG, *****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung des Pensionsanspruches (Streitwert S 819.684) und Zahlung von S 819.684 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 53/01b-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 16 Cga 143/00f-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 24.451,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 4.075,20 an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte traf mit dem am verstorbenen Ehegatten der Klägerin in einem Zusatz zum Arbeitsvertrag am folgende Vereinbarung:
"Im Falle Ihres Ablebens während der Dauer des Vertragsverhältnisses oder während des Ruhestandes gebühren Ihrer, von Ihnen nicht geschiedenen Ehegattin, Frau Hannelore A*****, geboren ........, 50 % des Ruhegenusses, der sich im Zeitpunkt Ihres Ablebens aus dem vorher Gesagten errechnet. Dieser Ruhegenuss gebührt Ihrer Witwe bis zu ihrem Tod bzw. bis zu ihrer Wiederverehelichung ..."
Der Ehegatte teilte der Klägerin auch mit, dass er sie in die Pensionsvereinbarung mit aufgenommen habe.
Die Ehegatten vereinbarten dann 1981 die Aufhebung der ehelichen Wohngemeinschaft, verzichteten für diese Zeit auf jeden weiteren Unterhalt, das gesetzliche Erbrecht und Pflichtteilansprüche. Kein Unterhaltsverzicht erfolgte für den Fall der Scheidung.
Im Jahre 1984 vereinbarte der Ehegatte der Klägerin dann anlässlich der Auflösung seines Dienstvertrages mit der Beklagten folgende Abänderung:
"Die Gattin Hannelore A*****, hat keinen Anspruch auf einen Versorgungsgenuss. Dafür wird jedoch die Waisenrente für die Tochter Anja auf 60 % des Ruhegenusses erhöht, der sich im Zeitpunkt des Ablebens von Dr. A***** errechnet."
Von dieser Änderung erfuhr die Klägerin erst nach dem Ableben ihres Ehemannes im Jahre 1997. 50 % der Pension des verstorbenen Ehegatten betragen S 22.769,- monatlich.
Die Klägerin stützt ihre Klage auf Zahlung der Pension für den Zeitraum von August 1997 bis Juli 2000 und Feststellung des Anspruchs auf den Versorgungsgenuss zusammengefasst darauf, dass ein echter Vertrag zugunsten Dritter vorliege. Die ihr damit eingeräumten Rechte könnten ihr ohne ihren Willen nicht mehr entzogen werden.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass der Anspruch der Witwe erst mit dem Tod des Ehegatten entstehe. Dieser könne zu Lebzeiten über seinen Pensionsanspruch und den daraus abgeleiteten Witwenpensionsanspruch verfügen. Es sei allein Sache des Arbeitnehmers, dessen "thesauriertes" Entgelt die Firmenpension darstelle und der ja auch primär der Begünstigte sei, über die Firmenpensionsregelung zu disponieren. Diese solle ja auch primär dem Arbeitnehmer zum Vorteil gereichen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging dabei rechtlich davon aus, dass auch der Witwenpensionsanspruch auf der früheren Arbeitsleistung des Arbeitnehmers als "thesauriertes Entgelt" beruhe und daher der Arbeitnehmer auch auf diesen verzichten könne. Bis zum Rechtserwerb durch die Witwe könnten die Arbeitsvertragsparteien die Witwenpensionsansprüche abändern.
Da im Zeitpunkt der Abänderung die Klägerin noch keinen Witwenpensionsanspruch gehabt habe und dieser auch nicht unwiderruflich vereinbart worden sei, sei die Abänderung wirksam und stehe der Klägerin daher nunmehr ein Witwenpensionsanspruch nicht zu.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es beurteilte die einleitend dargestellten Feststellungen dahin, dass die Frage, wann ein unmittelbarer Rechtserwerb durch den Dritten vorliege aus der Natur und dem Zweck des Vertrages zu beurteilen. Bei Vereinbarungen über Hinterbliebenenpension sei grundsätzlich von einem echten Vertrag zugunsten Dritter auszugehen. Dies ändere aber nichts an der Frage, wann der Rechtserwerb beim Dritten eintrete. Dabei sei nicht nur auf den Aspekt der Versorgung der Hinterbliebenen abzustellen, sondern vielmehr darauf, dass es sich um ein "thesauriertes Entgelt" des Arbeitnehmers handle, das dann den Hinterbliebenen des Arbeitnehmers zugutekomme. Im Hinblick darauf sei anzunehmen, dass der Arbeitnehmer - mangels anderer ausdrücklicher Vereinbarungen - zu Lebzeiten über dieses von ihm erworbene "Entgelt" auch disponieren könne.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Klägerin ist gemäß § 46 Abs 3 Z 3 ASGG jedenfalls zulässig, aber nicht berechtigt.
Streitentscheidend ist hier die Frage, wie lange die Parteien des Arbeits- und Pensionsvertrages die Ansprüche der Hinterbliebenen aus dem Pensionsvertrag noch gestalten können.
Der vom Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer geschlossene Arbeits- und Pensionsvertrag ist ein Vertrag zugunsten Dritter iS des § 881 ABGB.
Die Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers bilden die Voraussetzungen
für diesen Vertrag. Nicht nur Betriebspensionsansprüche des
Arbeitnehmers, sondern auch die dabei vorgesehene
Hinterbliebenenversorgung haben Entgeltcharakter (vgl RIS-Justiz
RS0021639; = DRdA 1991/46 = ZAS
1991/20 = EvBl 1991/60 mwN; = JBl 1991,
471; Grillberger, Drittbegünstigte bei Pensionsvereinbarungen DRdA 1977, 13; Mathiaschitz in Runggaldier - Steindl, HdB der betrieblichen Altersversorgung [1987] 285 ff; uva).
Nach § 881 Abs 2 ABGB richtet sich nicht nur die Frage, ob der Dritte unmittelbar ein Recht erwirbt ("echter Vertrag zugunsten Dritter"), sondern auch wann dies der Fall ist, nach der Vereinbarung und der Natur und zum Zweck des Vertrages. Ein wesentliches Element stellt dabei der vom Vertrag verfolgte Zweck dar (vgl RIS-Justiz RS0017113 mwN etwa EvBl 1984/21). Nach § 881 Abs 1 2. Satz erwirbt der Dritte im Zweifel dieses Recht, wenn die Leistung hauptsächlich ihm zum Vorteil reichen soll (vgl auch RIS-Justiz RS0017107 mwN). Liegt jedoch ein Eigeninteresse des Vertragspartners vor, so ist nur ein unechter Vertrag zugunsten Dritter anzunehmen (vgl RIS-Justiz RS0017145 mwN = EvBl 1984/21, SZ 65/72, SZ 68/114).
Regelmäßig wird auch die Frage der Abänderbarkeit der Ansprüche des Dritten durch die Parteien des Vertrages mit dem Entstehen des Rechtes des Dritten verknüpft (vgl dazu schon den Herrenhausbericht 78 dBlg XXI Session 1912, 280 mwN auf den grundsätzlich auch Rummel in Rummel ABGB I3 § 881 Rz 1 verweist; Gschnitzer in Klang IV, 227; vgl ferner Schellander, Verträge auf Abänderung der in einem Übergabsvertrag festgesetzten Abfindungsleistungen an Drittbegünstigte JBl 1957, 179). Im Ergebnis ähnlich argumentiert auch Mayrhofer (in Ehrenzweig Schuldrecht Allgemeiner Teil3, 184), der für die Möglichkeit der Abänderung auf den Zweck der Vereinbarung abstellt. Versteht man nun unter einem subjektiven Recht, insbesondere dass allein der Berechtigte nach freiem Willen über die Geltendmachung der Rechtsposition entscheiden kann (vgl Koziol/Welser Bürgerliches Recht11, 42 f), so lässt sich dies bei aus vertraglichen Vereinbarungen abgeleiteten Rechten Dritter ohnehin nur aus der zwischen den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarung und deren Zweck ableiten.
Zu beurteilen ist also - ausgehend von der Annahme der Vereinbarung durch den Dritten (vgl § 882 Abs 1 ABGB) - wann unter Berücksichtigung allfälliger Eigeninteressen der Vertragsparteien aus dem Zweck der Vereinbarung abzuleiten ist, dass dem Dritten ein Recht in diesem umfassende Sinne eingeräumt werden sollte.
Mit der Vereinbarung eines Pensionsanspruches auch für den Ehegatten
will der Arbeitnehmer dessen Unterhalt auch nach seinem Tod
sicherstellen. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird
primär der Anspruch des Pensionisten auf seine Pensionsbezüge
existent. Erst mit dem Tod des Pensionisten tritt der Bezugsfall für
die Hinterbliebenenpension ein. Der dann existent gewordene Anspruch
auf Hinterbliebenenversorgung schließt als sekundäre Folge an das
Dienstverhältnis an ( = DRdA 1991/46 =
ZAS 1991/20 = EvBl 1991/60 mwN = Arb 8827; vgl auch EvBl 1974/220 =
Arb 9192). Nach dem Zweck des Vertrages soll dann der unmittelbare
Anspruch des Hinterbliebenen im Sinne eines echten Vertrages
zugunsten Dritter (vgl = DRdA 1991/46
= ZAS 1991/20 = EvBl 1991/60; = JBl
1991, 471; SZ 43/206 = EvBl 1971/222; RIS-Justiz RS0017054; Bydlinski
in FS Schnorr Witwenpensionszusage, Zweitehe und Vertragsauslegung, 6; Rummel aaO Rz 2 zu § 881; die Entscheidung vom GlUNF 7523 erging noch zum mittlerweile aufgehobenen § 1019 ABGB-"Zahlungsmandat"; die Entscheidungen SZ 15/84 und RZ 1932, 83 befassen sich nur mit den Ansprüchen der Witwen) entstehen. Jedenfalls bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist aber mangels anderer Vereinbarung (vgl dazu etwa = EvBl 1974/220 = Arb 9192) schon im Hinblick auf den Entgeltcharakter der Pensionsvereinbarung auch ein Eigeninteresse des Arbeitnehmers anzunehmen. Geht es doch darum, dass auch für die Höhe des laufenden Entgeltes oder allfälliger Abfertigungsvereinbarungen die mit der Pensionsvereinbarung verbundenen zukünftigen Belastungen entscheidend sind. In Hinblick auf dieses Eigeninteresse des Arbeitnehmers, um dessen Entgelt es geht, kann aber der Dritte - der Hinterbliebene - auch keine unmittelbaren alleinigen Rechte aus der Pensionsvereinbarung ableiten. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Dritten unmittelbare, allein von ihm gestaltbare Rechte eingeräumt werden sollen, der Arbeitnehmer sich also binden will (vgl dazu auch Grillberger aaO; 15; Binder DRdA 1984, 63; vgl im Übrigen § 166 Abs 2 VersVG und zur Regelung des § 328 BGB Rainer/Jagmann in Staudinger BGB13 § 328 Rz 53).
Da also der Klägerin nach dem Zweck des Vertrages im Zeitpunkt der Vertragsänderung im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls kein unmittelbarer unwiderrufbarer Anspruch gegenüber der Beklagten zukam, bestanden keine Einschränkungen der Änderungsmöglichkeiten. Die von den Parteien des Arbeitsvertrages vorgenommene Änderung ist daher auch gegenüber der Klägerin wirksam.
Im Ergebnis war daher der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.