TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 29.03.2001, 8ObA163/00d

OGH vom 29.03.2001, 8ObA163/00d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Zeitler und Mag. Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Wolfgang V*****, 2. Gerhard R*****, beide vertreten durch Dr. Gerhard Kucher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Arbeiterbetriebsrat der Kurzentrum B***** Gesellschaft mbH & Co KG, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden Gottfried T*****, vertreten durch Waldbauer & Paumgarten & Naschberger, Rechtsanwältepartnerschaft in Kufstein, wegen Nichtigkeit einer Betriebsratswahl (Streitwert S 200.000), infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 259/99h-16, mit dem aus Anlass der Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 34 Cga 108/99d-12, betreffend die Betriebsratswahl vom und das diesem vorausgegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos behoben.

Dem Berufungsgericht wird die Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens an den Obersten Gerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Kläger wurden als Arbeitnehmer der späteren Badeanstalt GmbH, die das Kurbad und Kurzentrum betrieb, am zu Mitgliedern des Betriebsrates gewählt. Mit pachtete die Kurzentrum GesmbH & Co KG den Teilbetrieb Kurbad und Kurzentrum von der Arbeitgeberin der Kläger und gliederte ihn in den von ihr seit 1998 geführten Kurhotelbetrieb ein. Dadurch trat die Kurzentrum GesmbH & Co KG nach den Bestimmungen des AVRAG in die Dienstverhältnisse der Kläger ein.

Zuvor, nämlich am fand bei der Kurzentrum GesmbH & Co KG eine Betriebsratswahl statt; Gottfried T***** wurde zum Arbeiterbetriebsratsvorsitzenden gewählt; dieser schied am einvernehmlich aus dem Unternehmen aus.

Anfang 1999 kamen durch die Übernahme des Betriebes der Badeanstalt GmbH zu den vorhandenen 41 Mitarbeitern weitere 24 zur Kurzentrum GesmbH & Co KG. Ein einheitlicher Betriebsrat konstituierte sich nicht.

Am fanden im nunmehr gemeinsamen Betrieb eine Betriebsratswahl statt, bei der Erika F***** zur Arbeiterbetriebsratsvorsitzenden gewählt wurde. Der neue Betriebsrat konstituierte sich am .

Die Kläger nahmen an der Wahl zum nicht teil. Sie waren seit vom Dienst suspendiert und mit "Hausverbot" belegt, das nach Eröffnung des Kurhotels auf dieses ausgeweitet wurde. Mit Jahresende wurden die Kläger von ihrer Arbeitgeberin von der Sozialversicherung abgemeldet. Erst nachdem sie ihre Entgeltansprüche gerichtlich geltend gemacht hatten, wurden sie von der Kurzentrum GmbH & Co KG am rückwirkend zum angemeldet.

Mit der am zu 34 Cga 85/99x des Erstgerichts eingebrachten, dem beklagten Betriebsrat am zugestellten Klage begehrten die Kläger gegenüber dem beklagten Betriebsrat die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl vom .

Mit der am zu 34 Cga 108/99d des Erstgerichts eingebrachten Klage begehrten die Kläger gegenüber dem danach gewählten Betriebsrat die Wahl vom für ungültig zu erklären und in eventu die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung beider Klagebegehren.

Das Erstgericht, das die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hatte, stellte mit Urteil die Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom fest und erklärte die Betriebsratswahl vom für ungültig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der zu 34 Cga 108/99d des Erstgerichts beklagten Partei betreffend die Betriebsratswahl vom nicht Folge; dieser Entscheidungsteil erwuchs in Rechtskraft.

Hingegen hob es aus Anlass der Berufung der beklagten Partei, die auch eine umfangreiche, vom Berufungsgericht allerdings nicht erledigte Beweisrüge enthielt, das angefochtene Urteil betreffend die Betriebsratswahl vom und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zu 34 Cga 85/99x des Erstgerichts sowie die Berufung der beklagten Partei und die Berufungsbeantwortung der Kläger zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, dem beklagten Arbeiterbetriebsrat, vertreten durch Gottfried T*****, komme keine Parteifähigkeit zu:

Nach § 62c ArbVG bildeten Betriebsräte, wenn Betriebe oder Betriebsteile zu einem neuen Betrieb iSd § 34 ArbVG zusammengeschlossen würden, bis zur Neuwahl eines Betriebsrates, längstens aber bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Zusammenschluss ein Organ der Arbeitnehmerschaft (einheitlicher Betriebsrat), der sich unverzüglich zu konstituieren habe. § 62c ArbVG normiere für den einheitlichen Betriebsrat eine eigenständige Tätigkeitsdauer (bis zur Neuwahl längstens für ein Jahr). Daraus folge, dass die Tätigkeitsdauer des Betriebsrates des zusammengeschlossenen Betriebes vorzeitig ende, wenn im neuen Betrieb ein neuer Betriebsrat gewählt werde. § 62a ArbVG sehe für die Beendigung der Tätigkeitsdauer nach § 61 ArbVG und für die Fälle der vorzeitigen Beendigung der Tätigkeitsdauer wegen dauernder Betriebsstilllegung und dauernder Funktionsunfähigkeit des Betriebsrates während eines Gerichtsverfahrens, in dem der Betriebsrat Partei sei, eine Verlängerung der Partei- und Prozessfähigkeit im Bezug auf dieses Verfahren bis zu dessen Abschluss, längstens jedoch bis zur Konstituierung eines neuen Betriebsrates vor. § 62a ArbVG regle nur die Partei- und Prozessfähigkeit während eines Verfahrens in der Weise, dass das damit andernfalls verbundene Prozesshindernis der fehlenden (wegfallenden) Partei- und Prozessfähigkeit keinesfalls den Verfahrensausgang beeinträchtigen solle, insoferne die Partei- und Prozessfähigkeit am Anfang des Verfahrens bestanden habe. Damit werde in Abkehr von § 406 erster Satz ZPO nicht auf den Schluss der Verhandlung in erster Instanz, sondern in einer § 29 JN vergleichbaren Weise, auf den Beginn des Verfahrens abgestellt. Dies entspreche strukturell der Ergänzung des § 54 Abs 1 ASGG durch die ASGG-Nov 1994, wonach die Verringerung der betreffenden Arbeitnehmer nach Streitanhängigkeit nicht mehr zur Abweisung des ansonsten berechtigten Feststellungsbegehrens führe, wenn die besondere Form des Feststellungsinteresses zwar zu Beginn des Verfahrens, nicht aber zu dem gemäß § 406 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt gegeben gewesen sei. Solange sich kein neuer Betriebsrat konstituiert habe, der für den Zuständigkeitsbereich des früheren Betriebsrates zuständig geworden sei, komme dem früheren Betriebsrat nach § 62a ArbVG noch die Partei- und Prozessfähigkeit (bis zum Ende der Funktionsperiode) zu.

Im Anlassfall sei es durch Zupachtung zur Bildung eines neuen Betriebes gekommen, in dem der Betriebsrat, dem die Kläger angehörten, mit dem Betriebsrat der Hotelbetreiberin nach § 62c ArbVG einen einheitlichen Betriebsrat zu bilden gehabt hätte. Ein solcher habe sich aber nicht konstituiert. Die durchgeführte Neuwahl am im neuen Betrieb habe aber dennoch zur vorzeitigen Beendigung der Tätigkeitsdauer der Betriebsräte der früheren Betriebsteile geführt. Der neue Betriebsrat habe sich am konstituiert. Daraus folge, dass zum Zeitpunkt des Eintrittes der Streitanhängigkeit (§ 232 Abs 1 ZPO), nämlich bei Zustellung der Klage an den beklagten Betriebsrat am die Tätigkeitsdauer dieses Betriebsrates beendet und er somit weder prozess- noch parteifähig gewesen sei. Die mangelnde Parteifähigkeit sei in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen und bewirke Nichtigkeit des mit dem parteiunfähigen Gebilde abgewickelten Verfahrens.

Gegen diesen Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der klagenden Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche (meritorische) Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei - im Sinne einer Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung - aufzutragen; gegebenenfalls möge der Oberste Gerichtshof selbst die erstgerichtliche Entscheidung wiederherstellen.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.

Das Berufungsgericht übersieht, dass vorliegendenfalls nicht der

durch die Nov BGBl 1986/394 eingefügte § 62a erster Satz ArbVG zur

Anwendung kommt. Es kann daher dahinstehen, wie die Wendung "endet

die Tätigkeitsdauer des Betriebsrates während eines Verfahrens vor

Gericht .... " zu interpretieren ist, nämlich ob für die Verlängerung

der Partei- und Prozessfähigkeit genügt, dass das Verfahren bereits

gerichtshängig ist (so ohne nähere Begründung 8 ObA 219/97g = DRdA

1999/7 [Wachter] = JBl 1998, 262 in Anlehnung an § 29 JN) oder ob es

- wie das Rechtsmittelgericht meint - notwendig ist, dass die

Rechtssache bereits streitanhängig (analog § 234 ZPO) ist (zur

Gerichtshängigkeit und Streitanhängigkeit Frauenberger in Rechberger

Komm ZPO2 Rz 2 ff zu § 232 ZPO mwN).

Durch die Nov BGBl 1990/408 wurde nämlich dem § 62a ArbVG ein dritter Satz angefügt, der sich mit der Verlängerung der Partei- und Prozessfähigkeit bei Wahlanfechtungen befasst: danach besteht im Falle des § 62 Z 5 ArbVG (vorzeitige Beendigung der Tätigkeitsdauer des Betriebsrates, wenn das Gericht die Wahl für ungültig erklärt hat) die Partei- und Prozessfähigkeit des Betriebsrates, dessen Wahl angefochten worden ist, in Bezug auf dieses gerichtliche Verfahren bis zu dessen Abschluss weiter. Darauf, ob bei Klagseinbringung ein Verfahren bereits anhängig war, kommt es ebenso wenig an wie darauf, ob zwischenzeitig bereits nach den Regeln des § 61 Abs 2a ArbVG ein neuer Betriebsrat gewählt wurde (Strasser/Jabornegg, Die Betriebsratswahl 203; Strasser/Jabornegg ArbVG3 Anm 9 zu § 62a ArbVG).

Durch diese Bestimmung soll offenbar in Anlehnung an gesellschaftsrechtliche Anfechtungstatbestände sichergestellt werden, dass sich der betroffene Betriebsrat, dessen Wahl für ungültig erklärt werden soll, gegen die Wahlanfechtung selbst wehren kann und er im Falle der zwischenzeitigen Neuwahl eines Betriebsrates nicht darauf angewiesen ist, dass dieser die Anfechtung der Wahl des früheren Betriebsrates bekämpft. Der Betriebsrat, dessen Wahl angefochten wird, kann selbst dann weitervertreten, wenn er nicht mehr im Betrieb beschäftigt ist (Preiss in Cerny ua, Arbeitsverfassungsrecht II2 447).

Dies muss auch dann gelten, wenn es nicht um den ausdrücklich genannten Fall einer binnen Monatsfrist zu erhebenden Anfechtungsklage nach § 59 ArbVG, sondern um eine nicht fristgebundene und nur vom Vorliegen eines rechtlichen Interesses abhängige (Strasser/Jabornegg, Betriebsratswahl aaO 209) Feststellung der Nichtigkeit einer Wahl nach § 60 ArbVG wegen Verletzung der elementarsten Grundsätze einer Wahl geht (Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht8 738; Marhold/Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht II2 177; aA offenbar Preiss aaO 423 iVm 441).

Dies ist schon deshalb erforderlich, weil die Abgrenzung zwischen anfechtbarer und nichtiger Betriebsratswahl im Gesetz sehr vage gezogen ist (vgl die Beispiele bei Strasser/Jabornegg, Betriebsratswahl 195 ff, 209 f) und in der Regel, sofern die Anfechtungsfrist noch nicht abgelaufen ist, sowohl die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl als auch hilfsweise deren Anfechtung geltend gemacht wird, und es gänzlich unverständlich wäre, dass zwei verschiedene Betriebsräte als Beklagte einzuschreiten hätten, je nachdem über welches Begehren gerade verhandelt wird.

Der angefochtene Beschluss des Rekursgerichtes auf Nichtigerklärung des Verfahrens und Zurückweisung der Klage ist daher ersatzlos zu beheben und dem Rechtsmittelgericht die meritorische Erledigung der Berufung der erstbeklagten Partei gegen die klagsstattgebende Entscheidung, dass die Betriebsratswahl vom nichtig sei, aufzutragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 58 Abs 1 ASGG.