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OGH vom 15.02.2005, 14Os100/04

OGH vom 15.02.2005, 14Os100/04

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Petö als Schriftführer, in der Strafsache gegen Jürgen L***** wegen des teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 erster Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom , GZ 18 Hv 11/04w-24, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Strafausspruch werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jürgen L***** des teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 erster Fall SMG (I) sowie der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (II) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.

Demnach hat er

I) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen

Menge (§ 28 Abs 6 SMG), minimal beinhaltend 20 g reines THC, erzeugt, wobei die Tat teilweise beim Versuch geblieben ist, und zwar

1) im Jahr 2002 in Dornbirn insgesamt ca 30 g Marihuana aus eigenem Anbau geerntet;

2) im Jahr 2003 in Dornbirn 69,5 g Marihuana durch Anbau und Aufzucht von drei Cannabispflanzen erzeugt und weitere 631 g Marihuana zu erzeugen versucht;

II) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben und besessen, und zwar

1) vom Sommer 1998 bis Anfang Dezember 2003 im Raum Dornbirn unerhobene Mengen Marihuana (aus Inlandsbezügen) konsumiert;

2) vom Herbst 2002 bis Anfang Dezember 2003 im Raum Dornbirn insgesamt ca 30 g Kokain konsumiert;

3) vom Frühjahr 2002 bis 2003 im Raum Dornbirn unerhobene Mengen Substidol-Tabletten (Wirkstoff: Morphin-sulfatpentahydrat) konsumiert;

4) vom Herbst 2002 bis in Dornbirn eine Ecstasy-Tablette erworben und besessen;

III) die auf der Straße gefundenen Führerscheine nachgenannter Personen, mithin Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweise eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich der Berechtigung zur Lenkung von Kraftfahrzeugen, gebraucht werden, und zwar

1) vom Sommer 2002 bis in Vorarlberg den Führerschein des Hakan K*****, indem er ihn an sich nahm und für sich behielt;

2) von Anfang September 2003 bis in Vorarlberg den Führerschein des Ulrich S*****, indem er ihn an sich nahm und für sich behielt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 1, 3, 4, 5a, 8, 9 lit a, b und c, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl. Der eine Verletzung des § 88 Abs 3 dritter Satz StPO in Bezug auf die Protokolle der Sicherstellung und Probenziehung der beim Angeklagten vorgefundenen Cannabispflanzen behauptende Verfahrensrüge (per analogiam Z 3; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 194) genügt zu erwidern, dass der Beschlagnahme der Pflanzen eine (weder als Augenschein noch als Hausdurchsuchung iSd § 88 Abs 3 StPO zu wertende) freiwillige Nachschau am zugrunde lag (S 13, 15, 19, 25) und der Staatsanwalt erstmals durch spätere Anzeigeerstattung am mit dem Fall befasst wurde (S 5; vgl Mayerhofer, StPO5 § 88 E 36). Unbeschadet davon verblieb dem Angeklagten die - teils wahrgenommene (vgl unten zu Z 4) - Möglichkeit, die mangelnde Beweiskraft der Proben in Frage zu stellen (vgl Khan gg UK, ÖJZ-MRK 2001/21).

Behauptete Unzukömmlichkeiten der sicherheitsbehördlichen Ermittlungen sind nicht mit Nichtigkeit bewehrt (WK-StPO § 281 Rz 183). Schlicht aktenwidrig ist die Behauptung des Angeklagten, er sei nicht über die Möglichkeit der Beiziehung eines Rechtsanwalts zur Vernehmung belehrt worden (hiezu S 25).

Insofern der Nichtigkeitswerber seinerseits Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) in Bezug auf eine Äußerung des Vorsitzenden über das Absenden einer Probe behauptet (S 211), verkennt er, dass eine solche nur in Bezug auf entscheidende im Urteil festgestellte Tatsachen geltend gemacht werden kann.

In dem Umstand, dass in der am neu durchgeführten und am beendeten Hauptverhandlung andere Schöffen als in der am stattgefundenen (bloß eine kursorische Befragung des Angeklagten enthaltenden) Hauptverhandlung beigezogen wurden, liegt keine - nur bei willkürlichem Austausch der Laienrichter schlagende (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 107) - Nichtigkeit iSd Z 1 des § 281 Abs 1 StPO vor. Abgesehen davon, dass die erkennbar andere Besetzung der Laienrichter vom Angeklagten nicht sofort geltend gemacht wurde (Z 1 zweiter Halbsatz), besteht kein Anspruch darauf, dass in einer neu durchgeführten Hauptverhandlung ausschließlich jene Laienrichter teilzunehmen hätten, die der früheren beiwohnten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 108).

Weitwendig vorgebrachte vorgebliche Protokollierungsmängel (nominell Z 3) wie etwa die (nur für - hier nicht angeordnete - gänzliche stenografische Aufzeichnung vorgesehene) 48-stündige Frist zur Übertragung des Protokolls in Langschrift sei nicht eingehalten (§ 271 Abs 4 StPO), der Name einer Schöffin unrichtig protokolliert und diverse Aussagen nicht vollständig wiedergegeben worden, hätten bloß zum Gegenstand eines Protokollsberichtigungsantrages gemacht werden können. Sie bewirken jedoch keine Nichtigkeit, die bloß in der gänzlichen Unterlassung der Protokollierung gelegen wäre (Mayerhofer, StPO5 § 271 E 22). Inhaltlich des keiner Berichtigung unterzogenen Protokolls wurde die Hauptverhandlung am gemäß § 276a StPO wegen Richterwechsels neu durchgeführt (S 193), in der der Verteidiger sehr wohl eine Gegenausführung erstattete (S 195), deren Inhalt aber, weil kein Beweismittel, im Protokoll nicht festgehalten werden musste (Fabrizy, StPO9 § 271 Rz 1a).

Auch die Verfahrensrüge (Z 4) versagt.

Die Anträge auf Einholung von Gutachten eines Drogenexperten (S 159 iVm 217 f) und eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Botanik (S 251) zum Beweis dafür, dass die sichergestellten Cannabispflanzen nicht das von den Gendarmeriebeamten festgestellte Gewicht haben konnten, verabsäumen es darzutun, warum die beantragten Beweisaufnahmen angesichts der Aussagen sowohl der Gendarmeriebeamten G***** und H***** über das Abstreifen der Blätter und Dolden (S 213, S 237 ff) als auch der sicherheitsbehördlichen Berichte über die sichergestellten Suchtgiftmengen ON 7a und 8 das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten ließen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327). Einer sachbezogenen Erörterung unzugänglich bleibt die begehrte Einholung eines botanischen Gutachtens zum Beweis dafür, "dass das Verhältnis von Blättern einerseits und Blütenständen andererseits bei solchen sichergestellten Pflanzen in etwa im Ausmaß 2 : 1 wiegen, insofern der korrekten Probenziehung ganz entscheidende Ermittlung auf die Gesamtmenge zukommt (S 251)." Erstmals im Rechtsmittel angestellte Spekulationen, es sei denkbar, dass bei der ersten (verloren gegangenen) Probenziehung überwiegend Blätter, bei der zweiten (der Untersuchung zugrunde gelegten) überwiegend Dolden enthalten gewesen wären, weisen lediglich in Richtung unzulässiger Erkundungsbeweisführung (WK-StPO § 281 Rz 330 f).

Die im Rechtsmittel vorgenommene Umdeutung des - ungerügt - unbegründet gebliebenen Antrags des Angeklagten auf Rückleitung des Aktes an den Untersuchungsrichter (S 251) ist unbeachtlich (WK-StPO § 281 Rz 325).

Der Antrag auf Vernehmung des Zeugen Chefinspektor Herbert M***** "zum Beweis dafür, dass die dem Angeklagten unter dem Faktum I) 2) vorgeworfene Menge im ausgedehnten Ausmaß weit geringer war, weil CI Herbert M***** bei der Ermittlung des Gewichts der sichergestellten Pflanzenteile inkorrekt gearbeitet hat bzw weil die in ON 7 und ON 8 angeführten Gewichte der gezogenen Proben unwahr sind, weiters beim Ablauf des Ziehens der zweiten Probe inkorrekt gearbeitet wurde" (S 249), verfiel zu Recht der Abweisung, weil - zumal wegen der Anwesenheit des Genannten bei der Probenziehung (S 255) - neuerlich nicht dargelegt wurde, warum, die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse.

Aus den Akten ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (Z 5a).

Mangelnde Erwähnung des Reinheitsgehalts ändert nichts an der Identität von Anklage- und Urteilsfaktum (I; Z 8).

Die die Subsidiaritätsklausel des § 44 SMG ignorierende Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt eine methodisch vertretbare Ableitung aus dem Gesetz (WK-StPO § 281 Rz 588; 13 Os 151/03 = JBl 2004, 531), weshalb - entgegen ständiger Rechtsprechung (Foregger/Litzka/Matzka, SMG [1998], Erl IV.4 zu § 27, 12 Os 88/99, 12 Os 141/97, 12 Os 48/04) - die Erzeugung von Suchtgift iSd § 28 Abs 2 erster Fall SMG nicht bereits mit dem Anbau von Suchtgift einsetzt und jeden Akt der Aufzucht bis zur (die Vollendung des Delikts bedingenden) Erntereife erfasst.

Das auch hier wiederholte Vorbringen zu diversen Verfahrensfehlern enthält keine prozessordnungsmäße Darstellung des angerufenen materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Die "Feststellungs- und Ermittlungsmängel" zum Rücktritt vom Versuch behauptende Rüge (Z 9 lit b) hinwieder führt nicht aus, warum dem Umstand, dass der Angeklagte nach Intervention der Gendarmeriebeamten selbst die Cannabispflanzen "fällte", strafbefreiende Wirkung zufolge freiwilliger Abstandnahme von der Ausführung zukommen soll. Soweit sie mangelnde Strafwürdigkeit der Tat geltend macht sagt sie nicht, warum § 42 StGB trotz eines aktuellen Strafrahmens von bis zu 5 Jahren zur Anwendung gelangen könnte.

Die den konstatierten Additionseffekt (US 6 f, 12) prozessordnungswidrig übergehende Subsumtionsrüge (Z 10) verabsäumt es darzulegen, warum der Zweck des Erzeugens für den Eigenkonsum festgestellt hätte werden sollen und welchen gesetzlichen Bestimmungen die Taten zu unterstellen gewesen wären. Mit der Behauptung, das Erstgericht habe bei der Strafbemessung bestimmte Milderungsgründe übergangen, wird keine Nichtigkeit (Z 11 dritter Fall) aufgezeigt, sondern nur ein Berufungsvorbringen erstattet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 728).

Zu mehrfach gefordertem Vorgehen nach Art 89 Abs 2 B-VG sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht bestimmt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Gleiches gilt für die angemeldete, im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Berufung wegen Schuld.

Über jene gegen den Strafausspruch wird der Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.