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OGH vom 19.12.2007, 9Ob76/07b

OGH vom 19.12.2007, 9Ob76/07b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Kuras und Dr. Hopf als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin Katharina P*****, geboren , *****, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirk 21, Am Spitz 1, 1210 Wien, gegen die Antragsgegner 1. Hans P*****, und 2. Karl P*****, vertreten durch Dr. Sylvia Maria Dornhackl, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung der Abstammung (§§ 163, 163b ABGB), über den Revisionsrekurs des Zweitantragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 551/07h-30, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom , GZ 59 FAM 3/06b-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die minderjährige Antragstellerin wurde am von Margarete P***** geboren, welche damals mit Hans P***** aufrecht verheiratet war. Die Antragstellerin, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie, beantragte am die Feststellung der Vaterschaft des Karl P*****, welcher - entgegen der gesetzlichen Vermutung der Vaterschaft des Ehemanns der Mutter - der leibliche Vater sei. Die Antragstellerin gründete ihr Begehren auf § 163b ABGB iVm § 163 Abs 1 ABGB (durch Einholung eines DNA-Gutachtens) und § 163 Abs 2 ABGB (Beiwohnung in der gesetzlichen Vermutungsfrist vom bis ). Während der als Erstantragsgegner bezeichnete frühere Ehemann der Mutter den Antrag nicht bestritt, beantragte der Zweitantragsgegner Karl P***** die Abweisung bzw Zurückweisung des Antrages. Dieser sei verfristet. Zum Zeitpunkt der Geburt der Antragstellerin sei aufgrund der damals geltenden Rechtslage eine Bestreitung der ehelichen Abstammung nur durch Klage des Ehemanns gegen das Kind innerhalb der Frist von einem Jahr ab Geburt des Kindes möglich gewesen. Eine solche Klage sei nicht erhoben worden. Gemäß Art IV § 5 des FamErbRÄG 2004 würden vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits abgelaufene abstammungsrechtliche Fristen unberührt bleiben. Der Antrag sei aber auch nach der nunmehr geltenden Rechtslage verfristet. Die Mutter habe jedenfalls länger als zwei Jahre vor Antragstellung, im Wesentlichen bereits nach der Geburt der Antragstellerin, dem Zweitantragsgegner gegenüber immer geäußert, dass das Kind von ihm stammen würde.

Das Erstgericht stellte mit seinem Beschluss fest, dass 1. Karl P*****, der Vater der Antragstellerin Katharina P*****, welche von Margarete P***** am geboren wurde, ist und dass 2. die von Margarete P***** geborene minderjährige Katharina P***** kein Kind des Erstantragsgegners Hans P*****, aus seiner mit Margarete P***** geschlossenen Ehe ist. Es stellte fest, dass Karl P***** der Mutter der Antragstellerin im empfängniskritischen Zeitraum vom bis beigewohnt habe und der leibliche Vater der Antragstellerin sei. Es hielt weiters fest, dass der Erstantragsgegner mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 % als Vater der Antragstellerin auszuschließen ist. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass das Antragsrecht des Kindes nach § 163b ABGB keinesfalls verfristet sei.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichtes. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass ein Kind nach der alten Rechtslage zur Bestreitung der Ehelichkeit überhaupt nicht legitimiert gewesen sei. Erst durch § 163b ABGB idF des FamErbRÄG 2004 sei die Möglichkeit des Kindes geschaffen worden, auch bei feststehender Vaterschaft eines Mannes die Feststellung der Vaterschaft eines anderen Mannes zu erwirken, ohne zuerst die „bestehende Vaterschaft" beseitigen zu müssen. Mit Ausnahme der Feststellung der Abstammung von einem bereits verstorbenen Mann im Weg der Beiwohnungsvermutung (§ 163 Abs 2 ABGB nF) komme dem Kind dabei ein zeitlich unbegrenztes Antragsrecht zu. Mit einer stattgebenden Beschlussfassung nach § 163b ABGB sei die Wirkung verbunden, dass eine - bisher bestehende Vaterschaftsvermutung eines anderen Vaters aufgehoben sei - was im Feststellungsbeschluss auch deklarativ auszusprechen gewesen sei. Für die Antragstellerin habe eine Frist für den neu geschaffenen, von ihr in Anspruch genommenen abstammungsrechtlichen Behelf gemäß § 163b ABGB nicht vor dem zu laufen beginnen können, wobei jedoch hervorzuheben sei, dass das nur über Antrag des Kindes einzuleitende Verfahren nach § 163b ABGB ohnehin unbefristet sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass mangels Rechtsprechung zu § 163b ABGB und zu den Übergangsbestimmungen des FamErbRÄG 2004 der Revisionsrekurs zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners Karl P***** aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Feststellungsantrag abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die anderen Parteien beteiligten sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass eigentlicher „Antragsgegner" im Verfahren nach § 163b ABGB nur der als „Zweitantragsgegner" bezeichnete Karl P***** sein kann, weil nur dieser mit der Feststellung der Vaterschaft belangt wird. Dies ist jedoch insoweit ohne Belang, als auch der „rechtliche" Vater dem Verfahren jedenfalls als Partei beizuziehen war (§ 82 Abs 2 AußStrG;6 Ob 150/07p; Schwimann, ABGB I³ § 163b Rz 9 bis 11).

Das Fehlen eines eigenen Ehelichkeitsbestreitungsrechts des Kindes führte zur Aufhebung der maßgeblichen §§ 156 ff ABGB durch den Verfassungsgerichtshof (Erkenntnis des , kundgemacht mit BGBl I Nr 85/2003). Die Aufhebung des Ehelichkeitsbestreitungsrechts durch den Verfassungsgerichtshof trat mit Ablauf des , das neue Außerstreitgesetz jedoch erst mit in Kraft. Dadurch entstand zwischen dem Wirksamkeitsbeginn der Aufhebung und der Überstellung des Abstammungsverfahrens in das außerstreitige Verfahren eine zeitliche Kluft, die nicht durch ein Inkrafttreten des neuen Rechtes bereits zum und eine gleichzeitige - vorverlegte - Überstellung des Abstammungsverfahrens in das Außerstreitgesetz geschlossen werden sollte. Vielmehr ersetzte Art IV § 11 FamErbRÄG für die Zeit vom bis die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Bestimmungen über die Ehelichkeitsbestreitung durch neue - verfassungskonforme - Regelungen (ErlRV 471 BlgNR XXII. GP zu § 11). Auch im Allgemeinen Teil der Erläuterungen der Regierungsvorlage wird darauf hingewiesen, dass die Reform in zwei Schritten durchgeführt werden soll. Zum sollte der dringende Reformbedarf durch Ersetzung der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Regelungen über die Ehelichkeitsbestreitung durch Schaffung einer Klagebefugnis des Kindes und des Ehemannes der Mutter befriedigt werden. Die übrigen Regelungen des Gesetzesvorschlags sollten zeitgleich mit dem neuen Außerstreitgesetz BGBl I 2003/111 am in Kraft treten, zumal mit diesem Reformschritt die völlige Überstellung des Abstammungsverfahrens aus dem Zivilprozess in das außerstreitige Verfahren vorgenommen werde und damit Verfahrensrecht und materiellrechtliche Bestimmungen aufeinander abgestimmt werden müssen.

Gemäß Art IV § 4 FamErbRÄG bleiben vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bestehende Abstammungsverhältnisse durch das bloße (Hervorhebung durch das Gericht) In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes unberührt. Art IV § 5 Abs 1 FamErbRÄG bestimmt, dass auf abstammungsrechtliche Fristen, die am Tag des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen waren, die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden sind. Nach Abs 2 beginnen Fristen zur Geltendmachung von abstammungsrechtlichen Ansprüchen, die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes nicht bestanden haben, frühestens mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes zu laufen. Schon aus dieser Gegenüberstellung geht hervor, dass der Gesetzgeber zwischen dem „Abstammungsverhältnis" an sich und „abstammungsrechtlichen Ansprüchen" unterscheidet. Wie schon vom Berufungsgericht zutreffend dargestellt, trat die Bestimmung des § 163b ABGB nF erst mit in Kraft, sodass dieses Rechtsinstitut der Antragstellerin auch erst ab diesem Zeitpunkt zur Verfügung stand. Ebenso wenig zielführend sind die Hinweise des Revisionsrekurswerbers auf den Fristenlauf (nach § 156 Abs 1 ABGB aF bzw § 158 Abs 1 ABGB nF). § 163b ABGB ergänzt die Bestimmung des § 163 ABGB insoweit, als das Bestehen einer - auch ehelichen - Vaterschaft die Antragstellung nach § 163b ABGB nicht hindert (Erl zur RV aaO zu § 163b ABGB). Gegenstand des Verfahrens über einen Antrag nach § 163b ABGB ist die Feststellung, dass das Kind vom Antragsgegner abstammt. Die Nichtabstammung des Kindes vom bisherigen Vater ist gesetzlich zwingende automatische Folge der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft des Antragsgegners (Schwimann aaO § 163b Rz 8, 13).

Der Antrag auf „Vätertausch" nach § 163b ABGB steht dem Kind zeitlich unbeschränkt offen (Erl zur RV Allgemeiner Teil; Schwimann aaO Rz 6; Rosenmayr, „Änderungen im Abstammungsrecht durch das FamErbRÄG 2004" in NZ 2004/94). Der Ausnahmefall des § 163 Abs 2 zweiter Satz ABGB (Einschränkung der Feststellung bis zum Ablauf von zwei Jahren nach dem Tod des Mannes) ist hier ohne Belang. Die Feststellung der Vaterschaft des Karl P***** erfolgte daher unter richtiger Anwendung des § 163b ABGB.