OGH vom 29.09.2004, 9Ob76/04y

OGH vom 29.09.2004, 9Ob76/04y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Branka D*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum und Dr. Rainer Toperczer, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Antragsgegner Odo D*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Günther Tews, Rechtsanwalt in Linz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse (§§ 81 ff EheG), über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 25 R 136/03g-22, womit anlässlich von Rekursen beider Streitteile der Beschluss des Bezirksgerichtes Schwechat vom , GZ 8 C 1/02p-14, samt dem vorangegangenen Verfahren als nichtig aufgehoben und dem Erstgericht die Einleitung des streitigen Verfahrens über die Klage aufgetragen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Aufteilungsanträge an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Da sich die Streitteile mit Scheidungsplänen trugen, kam es ab Juni 2001 zu einem Schriftverkehr zwischen der Antragstellervertreterin und der damaligen Vertreterin des Antragsgegners über eine einvernehmliche Ehescheidung und den Abschluss eines Scheidungsvergleiches. Parallel führten die Parteien auch direkte Gespräche zu diesem Thema. Am übersandte die damalige Vertreterin des Antragsgegners mit dessen Wissen und Zustimmung ein Fax an die Antragstellervertreterin, in welchem sie darauf hinweist, dass der Antragsgegner das letzte Anbot zur Durchführung einer einvernehmlichen Scheidung annehmen werde, weshalb um Übermittlung eines Scheidungsvergleichsentwurfes mit folgenden Eckpunkten ersucht wurde:

"1. Verbleib der ehelichen Liegenschaft beim Antragsgegner, 2. wechselseitiger Unterhaltsverzicht, 3. baldiger Auszug der Antragstellerin aus der Ehewohnung, 4. Aufteilung der ehelichen Fahrnisse dadurch, dass die Antragstellerin ausschließlich die in einer von ihr erarbeiteten Liste angeführten Gegenstände mitnimmt, 5. Bezahlung einer Ausgleichszahlung durch den Antragsgegner in der Höhe von S 1,1 Mio." Weiters heißt es wörtlich: "Ich ersuche Sie weiters sehr höflich, den Antrag auf einvernehmliche Scheidung zu stellen, sodass allenfalls in den nächsten 14 Tagen ein Scheidungstermin vor der zuständigen Richterin anberaumt wird." Am übermittelte die Antragstellervertreterin die Entwürfe eines Antrages auf Ehescheidung im Einvernehmen und eines Scheidungsvergleiches im Sinne des Schreibens vom an die damalige Vertreterin des Antragsgegners. Am teilte der nunmehrige Antragsgegnervertreter der Antragstellervertreterin mit, dass er die Vertretung des Antragsgegners übernommen habe und dieser "keines der bisher erstatteten Angebote aufrecht erhalte". Die Antragstellerin brachte daraufhin am eine Scheidungsklage ein. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom wurde die Ehe der Streitteile aus dem alleinigen Verschulden des nunmehrigen Antragsgegners geschieden.

Am brachte die Antragstellerin beim Erstgericht einen Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse ein. Sie erwähnte zunächst im Antrag, dass mit dem Antragsgegner eine Vereinbarung des Inhalts getroffen worden sei, dass der Antragstellerin eine Ausgleichszahlung von S 1,1 Mio zu leisten sei. Diese Ausgleichszahlung in Höhe von EUR 79.940 sei aber auch angemessen und billig, weil dadurch der Verlust der Ehewohnung genauso abgegolten werden solle wie die Mitarbeit der Antragstellerin bei der Schaffung weit überdurchschnittlicher Wohnverhältnisse. Die erste Ehewohnung habe zwar vom Antragsgegner bzw dessen Familie gestammt, doch sei diese zunächst nicht benützbar gewesen. Für die Bewohnbarkeit habe es erheblicher tatsächlicher Leistungen der Antragstellerin bedurft. Aus dem Erlös des Verkaufes dieser ersten Wohnung sei das zuletzt bewohnte Haus angeschafft worden. Auch hier habe die Antragstellerin erhebliche physische Leistungen, wie Bauaufsicht und Reinigungsarbeiten während der Bauarbeiten erbracht.

Der Antragsgegner wendete ein, dass zwischen den Parteien keine wirksame Vereinbarung über eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse zustande gekommen sei. Diese Vereinbarung sei nur für den Fall der einvernehmlichen Ehescheidung bedingt abgeschlossen worden. Da der Antragsgegner berechtigt von seinem Anbot auf einvernehmliche Scheidung zurückgetreten sei, habe auch die Vereinbarung keinen Bestand. Im Übrigen wurde vorgebracht, dass alle wesentlichen Bestandteile des vorhandenen Vermögens vom Antragsgegner im Erbweg erworben worden seien und daher nicht in die Aufteilungsmasse fielen. Er stellte ausdrücklich den Antrag (AS 21 ff), die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse in der Weise vorzunehmen, "dass die frühere Ehewohnung in L*****, im Alleineigentum des Antragsgegners verbleiben solle" und dass der Antrag der Antragstellerin auf Zuspruch einer Ausgleichszahlung abgewiesen werde.

Die Antragstellerin bestritt, dass es sich bei den Vermögensgegenständen ausschließlich um im Erbwege erworbene Güter gehandelt habe. Der Bedingungseintritt hinsichtlich des vereinbarten Scheidungsvergleiches sei vom Antragsgegner vereitelt worden. Weiters brachte die Antragstellerin vor (Schriftsatz ON 9), dass während der Ehe auch Bar- und Lebensversicherungsguthaben über ATS 7,600.000 angeschafft worden seien. In Anbetracht der enormen Höhe der in der Ehe erwirtschafteten Ersparnisse entspreche die Zuteilung der von ihr beantragten Ausgleichszahlung der Billigkeit.

Dem hielt der Antragsgegner entgegen (Schriftsatz ON 10, 11), dass es sich bei diesen Vermögenswerten nicht um eheliche Ersparnisse, sondern um Guthaben seiner Mutter handle. In die Aufteilung sei der vom Antragsgegner benützte PKW Mercedes SLK einzubeziehen, welcher einen Restwert von ATS 350.000 gehabt habe. Dieser sei jedoch nur teilweise aus während der Ehe angeschafften Mitteln erworben worden, sodass nur ein Teilrestwert von ATS 132.650 der Aufteilung unterliege. Die Antragstellerin müsse sich hingegen Bausparguthaben über ATS 23.242 und ATS 54.457 anrechnen lassen, welche nur zum Schein auf andere Personen ausgestellt seien, aber Vermögen der Antragstellerin darstellten.

Das Erstgericht stellte mit Beschluss fest, dass zwischen den Parteien im August 2001 eine wirksame Vereinbarung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse getroffen wurde und wies daher den Antrag der Antragstellerin, eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse im Außerstreitverfahren durchzuführen, ab. Wenngleich es nicht zu einer einvernehmlichen, sondern zu einer strittigen Scheidung gekommen sei, sei dadurch die Bedingung für die Vereinbarung eingetreten. Die Durchsetzung der Vereinbarung sei daher im streitigen Rechtsweg geltend zu machen. Die materiellen Grundlagen für ein außerstreitiges Aufteilungsverfahren fehlten.

Gegen diese Entscheidung erhoben beide Parteien Rekurse. Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Rekursgericht aus Anlass der Rekurse den angefochtenen Beschluss und das vorangegangene außerstreitige Verfahren als nichtig auf und trug dem Erstgericht die Einleitung des streitigen Verfahrens über die Klage auf. Die Kosten des nichtigen Verfahrens hob es mit Ausnahme des verfahrenseinleitenden Antrages gegenseitig auf. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Antragstellerin nur die Durchsetzung einer behaupteten wirksamen Vereinbarung habe erreichen wollen. Dies könne nur im streitigen Verfahren erfolgen, sodass das darüber abgeführte außerstreitige Verfahren nichtig sei. Gemäß § 40a JN sei aber der Antrag nicht abzuweisen, vielmehr sei darüber im streitigen Verfahren so zu erkennen, als ob eine Klage eingebracht worden wäre. Das Rekursgericht tätigte keinen Ausspruch im Sinn des § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht die meritorische Entscheidung über den Rekurs des Antragsgegners unter Abstandnahme vom gebrauchten Nichtigkeitsgrund aufzutragen; in eventu, die Entscheidungen erster und zweiter Instanz aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen; in eventu, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass nur das Verfahren und der angefochtene Beschluss so weit als nichtig aufgehoben werden, als sich die Antragstellerin darauf stützt, dass eine Scheidungsfolgenvereinbarung unabhängig von der tatsächlich durchgeführten Scheidung und Scheidungsart zustande gekommen sei, im Übrigen jedoch den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Aufteilungsverfahrens über die Aufteilungsanträge beider Parteien, jedenfalls aber über den Aufteilungsantrag des Antragsgegners aufzutragen.

Die Antragstellerin beteiligte sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist im Umfang des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass ein Ausspruch gemäß § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG erforderlich gewesen wäre: § 14 Abs 1 AußStrG macht nämlich keinen Unterschied zwischen Beschlüssen des Rekursgerichtes, mit denen in der Sache selbst erkannt und solchen, mit denen nur formell über ein Rechtsmittel entschieden wird, sodass die Zulässigkeit des Revisionsrekurses sowohl über Zurückweisungsbeschlüsse als auch Überweisungsbeschlüsse vom außerstreitigen in das streitige Verfahren vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG abhängt (RIS-Justiz RS0012384, insbesondere [T 1] = SZ 73/129; RS0007169, insbesondere [T 2]). Da jedoch der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 jedenfalls übersteigt und die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes, wonach das gesamte Verfahren erster Instanz an einer Nichtigkeit leide, nicht zu teilen ist, steht jetzt schon fest, dass eine erhebliche Rechtsfrage vorliegt, über die der Oberste Gerichtshof gleich entscheiden kann.

Zunächst ist die Beschwer des Antragsgegners zu bejahen, weil auch aus einem nur von einem Ehegatten gestellten Aufteilungsantrag dem anderen ein verfahrensrechtlicher Entscheidungsanspruch erwächst (RIS-Justiz RS0057603 [T1]).

Ein Begehren auf Durchsetzung (Zuhaltung) oder Anfechtung einer Vereinbarung im Sinn des § 97 Abs 2 EheG ist grundsätzlich im Streitverfahren zu verfolgen (RIS-Justiz RS0008518; SZ 53/150). Die Antragstellerin hat wohl vorgebracht, dass eine solche Vereinbarung geschlossen worden sei, aber gleichzeitig darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner den "Bedingungseintritt verhindert habe". Gerade die detaillierten Ausführungen dazu, dass ihr "Aufteilungsanspruch" im Hinblick auf ihren Anteil an der Schaffung von Vermögen und Ersparnissen berechtigt sei, lassen deutlich erkennen, dass sie einen erst durch das Gericht im Verfahren außer Streitsachen zu bestimmenden Anspruch nach §§ 81 ff EheG verfolgt.

Damit erweist sich aber die Überweisung der Rechtssache in das streitige Verfahren gemäß § 40a JN samt der Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Verfahrens durch das Rekursgericht als nicht zutreffend.

Das Erstgericht hat zwar - im Hinblick auf das eigene Tatsachenvorbringen der Antragstellerin - zunächst richtig selbst geprüft, ob nicht ein allenfalls wirksam abgeschlossener Scheidungsfolgenvergleich einer weiteren Aufteilung entgegensteht (vgl RIS-Justiz RS0008474); doch ist dem Ergebnis dieser Prüfung, nämlich der Bejahung eines wirksamen, von der Art der Scheidung unabhängigen Vergleiches, nicht beizupflichten. Der aus dem Schriftverkehr hervorgehende Parteiwille - ein darüber hinausgehender ist aus dem Verfahren nicht hervorgekommen - lässt unzweifelhaft erkennen, dass der Vergleich nur für den Fall einer einvernehmlichen, nicht jedoch auch für eine streitige Scheidung Gültigkeit haben sollte. Mit dem Nichtzustandekommen einer einvernehmlichen Scheidung, sei es auch, weil sich der Antragsgegner dazu nicht mehr bereit fand, konnte der Scheidungsfolgenvergleich mangels Bedingungseintritt nicht wirksam werden (RIS-Justiz RS0106968). Von einer vorwerfbaren Bedingungsvereitelung durch den Antragsgegner kann nicht die Rede sein. Kann nämlich jeder Ehegatte den Antrag auf einvernehmliche Scheidung bis zur Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses - sanktionslos - zurücknehmen (§ 224 Abs 1 AußStrG), so muss es ihm umso mehr unbenommen sein, einen solchen Antrag erst gar nicht einzubringen.

Eine Kostenentscheidung nach Billigkeit (§ 234 AußStrG) über den Revisionsrekurs ist derzeit nicht zu treffen, weil noch nicht endgültig entschieden wurde. Diese Kosten sind daher der Endentscheidung vorzubehalten (7 Ob 28/02x mwN).