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OGH vom 10.02.1998, 14Os10/98

OGH vom 10.02.1998, 14Os10/98

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Feber 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Pasquale C***** wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und Abs 4 erster und zweiter Fall StGB, AZ 23 Vr 1.200/97 des Landesgerichtes Feldkirch, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom , AZ 7 Bs 541/97 (= ON 20), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Pasquale C***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Im oben bezeichneten Strafverfahren wurde mit Beschluß des Untersuchungsrichters vom die Voruntersuchung gegen Pasquale C***** wegen des Verdachtes des Verbrechens nach § 164 (Abs 1) und Abs 4 StGB eingeleitet und über ihn aus den Gründen des § 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 4 in ON 5).

Rechtliche Beurteilung

Im Strafantrag vom selben Tag wird dem Beschuldigten angelastet, am in Feldkirch einen in Italien veruntreuten LKW im Wert von mindestens 2 Mio S als Dolmetsch zur Begleitung des Lenkers bei der Überstellung des Fahrzeuges nach Weißrußland in Kenntnis der Herkunft und in gewerbsmäßiger Absicht übernommen zu haben (ON 9). In der Hauptverhandlung vom beantragte der Verteidiger die Aufhebung der Untersuchungshaft unter Anwendung gelinderer Mittel, der Staatsanwalt die Fortdauer der Haft "oder Leistung einer Kaution". Der Einzelrichter ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft an ohne die Haftgründe auf Fluchtgefahr einzuschränken, und ging demgemäß auf die Frage einer Sicherheitsleistung nicht ein (S 265 f; ON 5 in ON 5).

Erst am erhob der Beschuldigte gegen diesen Fortsetzungsbeschluß Beschwerde (ON 18), der das Oberlandesgericht Innsbruck mit der angefochtenen Entscheidung nicht Folge gab, wobei es allerdings nur Fluchtgefahr annahm.

Ungeachtet des Umstandes, daß die Beschwerde gegen einen Beschluß auf Fortsetzung der Untersuchungshaft binnen drei Tagen nach Eröffnung des Beschlusses einzubringen ist, gleichgültig ob die Fortsetzung in einer Haftverhandlung, in der Hauptverhandlung oder gemäß § 181 Abs 5 StPO ohne mündliche Verhandlung schriftlich angeordnet wurde (§§ 182 Abs 4, 181 Abs 3 letzter Satz StPO; vgl Foregger/Kodek StPO7 § 182 Anm III) und daher der Fortsetzungsbeschluß des Einzelrichters mit Verstreichen der ungenützten Beschwerdefrist am (Montag) rechtskräftig wurde, ist die Legitimation zur Erhebung der Grundrechtsbeschwerde zu bejahen, weil die über die unzulässige Beschwerde ergangene angefochtene Entscheidung keineswegs absolut nichtig ist. Sie verfügt - funktional grundrechtsrelevant - die Fortsetzung der Untersuchungshaft, wogegen das Gesetz kein weiteres Rechtsmittel vorsieht, sodaß auch der Instanzenzug als erschöpft anzusehen ist (§ 1 Abs 1 GRBG).

Die Grundrechtsbeschwerde ist jedoch nicht berechtigt.

Den angezweifelten dringenden Tatverdacht konnte der Gerichtshof zweiter Instanz aus den belastenden Angaben des Lenkers des verfahrensgegenständlichen Lastkraftwagens Luigi M*****, wonach ihm Pasquale C***** die Route vorgab (S 61,69), und dem Bericht der italienischen Grenzpolizei (Sektor Brenner), demzufolge der Beschwerdeführer erst am in einem gestohlenen Kraftfahrzeug angehalten und dem Bezirksgericht Bozen angezeigt wurde (ON 14), ableiten.

Hinsichtlich des bekämpften Haftgrundes der Fluchtgefahr ist der Beschwerde zwar einzuräumen, daß das Oberlandesgericht die seit wirksame Änderung des § 190 Abs 1 StPO übersehen hat:

War nach der früheren Rechtslage eine Sicherheitsleistung nur auf Verlangen als gelinderes Mittel zur Abwendung der Untersuchungshaft anwendbar, so ist dieses, die amtswegige Prüfung der Haftvoraussetzungen einschränkende Erfordernis mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1996, BGBl Nr 762, entfallen. Nach § 190 Abs 1 StPO nF muß im Fall einer mit höchstens fünfjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung die Untersuchungshaft gegen Sicherheitsleistung sowie gegen Ablegung der im § 180 Abs 5 Z 1 und 2 StPO erwähnten Gelöbnisse unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn ausschließlich der Haftgrund der Fluchtgefahr vorliegt. Die frühere Judikatur, nach der eine Substituierbarkeit der Untersuchungshaft durch eine Sicherheitsleistung nur auf Verlangen des Beschuldigten und nicht von Amts wegen zu prüfen war (NRsp 1994/154), ist daher überholt (vgl Foregger/Kodek aaO § 190 Anm I).

Der aufgezeigte Fehler des Oberlandesgerichtes Innsbruck wird jedoch dadurch neutralisiert, daß der Gerichtshof rechtsirrtümlich Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO ausschließlich deshalb verneinte, weil sich keine Anhaltspunkte dafür fänden, daß der Beschwerdeführer neuerlich über Österreich ein hehlerisches Tun verwirklichen werde, womit es an einer inländischen Zuständigkeit fehle (S 289). Ein Inlandsbezug der prognostizierten "strafbaren Handlung" (§ 180 Abs 2 Z 3 StPO) ist aber keine gesetzliche Voraussetzung des in Rede stehenden Haftgrundes (vgl die von der inländischen Strafbarkeit unabhängige Verwendung des selben Begriffs in den §§ 62 bis 65 StGB).

Ausgehend vom dringenden Verdacht der Verübung eines Vermögensdeliktes mit schweren Folgen (Wert des verhehlten Gutes ca 2 Mio S) besteht wegen der gleichfalls mit erhöhter Wahrscheinlichkeit anzunehmenden gewerbsmäßigen Begehungsweise der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO) in einer Intensität, welche eine Substituierbarkeit der Haft durch gelindere Mittel ausschließt, zumal diese angesichts der Tatmodalitäten und des bei verdachtskonformer Verurteilung anzuwendenden Strafsatzes weder unverhältnismäßig (§ 180 Abs 1 StPO) noch unangemessen (§ 193 Abs 2 StPO) ist.

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Einwände gegen die Fluchtgefahr.

Da die behaupteten Verfahrensverzögerungen durch den Einzelrichter nur dann grundrechtsverletzend wären, wenn sie zu einer Unangemessenheit der Haft geführt hätten, geht auch der diesbezügliche Einwand ins Leere.

Der Bescherdeführer wurde somit im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, sodaß seine Beschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.