VfGH vom 28.11.2011, b204/11

VfGH vom 28.11.2011, b204/11

Sammlungsnummer

19537

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der Anrechnung der Zeit der Tätigkeit als Rechtsreferent beim Österreichischen Gewerkschaftsbund als Ersatzzeit auf die praktische Ausbildung als Rechtsanwalt; keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die RAO; keine Inländerdiskriminierung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer war Rechtsanwaltsanwärter in Wien. Mit Antrag vom begehrte er die Anrechnung der Zeit seiner Tätigkeit als Rechtsreferent beim Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft vida (im Folgenden: ÖGB), vom bis als Ersatzzeit auf die praktische Ausbildung als Rechtsanwalt gemäß § 2 Abs 1 Rechtsanwaltsordnung, RGBl. 96/1868 idF BGBl. I 111/2007 (im Folgenden: RAO). Mit Beschluss vom wies der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien den Antrag ab.

2. Der dagegen gerichteten Vorstellung wurde mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom keine Folge gegeben.

3. Auch die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung wurde mit Bescheid der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission (im Folgenden: OBDK) vom abgewiesen. Begründend führte die OBDK aus, beim ÖGB handle es sich um eine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Berufsvertretung der Arbeitnehmerschaft; eine solche Institution könne nicht als Verwaltungsbehörde im weitesten Sinn aufgefasst werden.

4. Gegen diesen Bescheid der OBDK richtet sich die Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Freiheit der Erwerbsausübung, der Berufswahl und der Berufsausbildung geltend gemacht wird. Begründend führt der Beschwerdeführer aus, der ÖGB sei insbesondere auf Grund verschiedener Entsende- bzw. Vorschlagsrechte und seiner Kollektivvertragsfähigkeit als Verwaltungsbehörde iSd § 2 Abs 1 RAO anzusehen. Weiters weisen die Arbeiterkammer und der ÖGB hinsichtlich ihrer Zielsetzung und der Entsende- bzw. Vorschlagsrechte eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf. Da der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 14.305/1995 die Tätigkeit des damaligen Beschwerdeführers bei der Arbeiterkammer im Rahmen der Anrechnung als Ersatzzeit auf die praktische Ausbildung als Rechtsanwalt gemäß § 2 Abs 1 RAO berücksichtigt habe, müsse auch die - sich von der Tätigkeit bei der Arbeitkammer nicht unterscheidende - Tätigkeit des Beschwerdeführers beim ÖGB berücksichtigt werden. Die erstinstanzliche Behörde habe zur Beurteilung der Frage, ob die Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich ist, keine Ermittlungen angestellt. Weiters rügt der Beschwerdeführer die Anwendung des von ihm als verfassungswidrig erachteten § 2 RAO. Diese Bestimmung verstoße gegen das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung, der Berufswahl und der Berufsausbildung, weil mit der in § 2 RAO festgelegten Ausbildungsdauer österreichischer Rechtsanwaltsanwärter im Vergleich zum "Ausbildungslehrgang[,] den europäische Anwälte absolvieren" nicht das gelindeste Mittel gewählt worden sei. Es liege ein Fall von Inländerdiskriminierung vor, weil Rechtsanwaltsanwärter in Österreich zur Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte weit mehr Voraussetzungen zu erfüllen haben als europäische Anwälte, die die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte in Österreich nach dem Europäischen Rechtsanwaltsgesetz (im Folgenden: EIRAG) anstreben.

5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete aber keine Gegenschrift.

II. Rechtslage

1. § 1 Rechtsanwaltsordnung, RGBl. 96/1868 zuletzt geändert durch BGBl. I 164/2005, lautet auszugsweise:

"Rechtsanwaltsordnung.

I. Abschnitt.

Erfordernisse zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft.

§. 1. (1) Zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in

(Anm.: jetzt: Republik Österreich) bedarf es keiner behördlichen Ernennung, sondern lediglich der Nachweisung der Erfüllung der nachfolgenden Erfordernisse und der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte. (§§5 und 5a)

(2) Diese Erfordernisse sind:

a) (Anm.: jetzt: die österreichische Staatsbürgerschaft);

b) die Eigenberechtigung;

c) die Zurücklegung der rechts- und staatswissenschaftlichen Studien sowie der nach Ablegung der vorgeschriebenen strengen Prüfungen an einer in der Republik Österreich befindlichen Universität erlangte akademische Grad eines Doktors der Rechte oder die Zurücklegung des rechtswissenschaftlichen Diplomstudiums nach dem Bundesgesetz vom , BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften und der auf Grund dieses Studiums erlangte akademische Grad eines Magisters der Rechtswissenschaften;

d) die praktische Verwendung in der gesetzlichen Art und Dauer;

e) die mit Erfolg zurückgelegte Rechtsanwaltsprüfung;

f) die Teilnahme an den nach den Richtlinien für die Ausbildung von Rechtsanwaltsanwärtern erforderlichen Ausbildungsveranstaltungen im Ausmaß von höchstens

42 Halbtagen, davon zwingend 6 Halbtage Mediationsausbildung;

g) der Abschluß einer Haftpflichtversicherung nach § 21a.

(3) - (5) [...]"

2. § 2 Rechtsanwaltsordnung, RGBl. 96/1868 idF

BGBl. I 111/2007, lautet auszugsweise:

"§. 2.

(1) Die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung hat in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft und bei einem Rechtsanwalt zu bestehen; sie kann außerdem in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei einem Notar oder, wenn die Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich ist, bei einer Verwaltungsbehörde, an einer Hochschule oder bei einem beeideten Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bestehen. Die Tätigkeit bei der Finanzprokuratur ist der bei einem Rechtsanwalt gleichzuhalten. [...]

(2) Die praktische Verwendung im Sinn des Abs 1 hat fünf Jahre zu dauern. Hievon sind im Inland mindestens neun Monate bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft und mindestens drei Jahre bei einem Rechtsanwalt zu verbringen.

(3) - (4) [...]"

3. § 18 Europäisches Rechtsanwaltsgesetz, BGBl. I 27/2000, lautet auszugsweise:

"2. Hauptstück

Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nach dreijähriger

Tätigkeit

Allgemeine Voraussetzungen

§18. (1) Wer eine mindestens dreijährige effektive und regelmäßige Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Österreich auf dem Gebiet des österreichischen Rechts, einschließlich des Gemeinschaftsrechts, gemäß § 19 nachweist, ist auf Antrag in die Liste der Rechtsanwälte (§1 Abs 1 der Rechtsanwaltsordnung) einzutragen.

(2) - (3) [...]"

4. § 24 Europäisches Rechtsanwaltsgesetz, BGBl. I 27/2000 idF BGBl. I 111/2007, lautet:

"3. Hauptstück Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nach Ablegung einer Eignungsprüfung

Voraussetzungen

§24. (1) Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie der Schweizerischen Eidgenossenschaft, die einen Ausbildungsnachweis erlangt haben, aus dem hervorgeht, dass der Inhaber über die beruflichen Voraussetzungen verfügt, die für den unmittelbaren Zugang zu einem in der Anlage zu diesem Bundesgesetz angeführten Beruf erforderlich sind, sind auf Antrag in die Liste der Rechtsanwälte (§1 Abs 1 der Rechtsanwaltsordnung) einzutragen, wenn sie mit Erfolg eine Eignungsprüfung abgelegt haben.

(2) Ausbildungsnachweise im Sinn des Abs 1 sind

Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstige Befähigungsnachweise im Sinn der Richtlinie 2005/36/EG. Ein Ausbildungsnachweis auf Grund einer Ausbildung, die nicht überwiegend in der Europäischen Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum stattgefunden hat, berechtigt zur Niederlassung im Sinn des Abs 1, wenn der Inhaber einen in der Anlage zu diesem Bundesgesetz angeführten Beruf tatsächlich und rechtmäßig mindestens drei Jahre ausgeübt hat und dies vom Mitgliedstaat der Europäischen Union oder vom Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum bescheinigt wird, der den Ausbildungsnachweis ausgestellt oder anerkannt hat."

5. § 25 Europäisches Rechtsanwaltsgesetz, BGBl. I 27/2000, lautet:

"Zweck der Eignungsprüfung

§25. Die Eignungsprüfung ist eine ausschließlich die beruflichen Kenntnisse des Bewerbers betreffende staatliche Prüfung, mit der seine Fähigkeit, den Beruf eines Rechtsanwalts in Österreich auszuüben, beurteilt werden soll. Die Eignungsprüfung muß dem Umstand Rechnung tragen, dass der Bewerber in einem Staat, der Mitglied der Europäischen Union oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, über eine berufliche Qualifikation zur Ausübung eines Anwaltsberufs verfügt."

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Beschwerdeführer erachtet § 2 RAO unter dem Aspekt der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsausübung, der Berufswahl und der Berufsausbildung sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz als verfassungswidrig. Es sei zu bezweifeln, dass der Gesetzgeber mit der festgelegten Ausbildungsdauer österreichischer Rechtsanwaltsanwärter das "mildeste" Mittel, also jenes, das die Grundrechtsposition so wenig wie möglich einschränkt, gewählt habe. Auf Grund des Umstandes, dass die RAO vom österreichischen Berufsanwärter zur Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte fünf Jahre praktische Verwendung und die Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung fordere, während das EIRAG von europäischen Anwälten lediglich drei Jahre effektive und regelmäßige Tätigkeit als niedergelassener Anwalt oder die Absolvierung einer Eignungsprüfung verlange, liege ein Fall von Inländerdiskriminierung vor.

1.1. Diesen Ausführungen kann sich der Verfassungsgerichtshof nicht anschließen.

1.1.1. Der Verfassungsgerichtshof hegte bislang keine Bedenken gegen § 2 RAO (vgl. VfSlg. 12.337/1990, 12.670/1991, 13.575/1993, 17.980/2006, 19.118/2010; ). Auch aus Anlass dieses Beschwerdefalles besteht kein Grund, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Die Festlegung der Dauer einer praktischen Verwendung, die jemand vor der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nachzuweisen hat, fällt in den rechtspolitischen Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, der der nachprüfenden Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes auf ihre Übereinstimmung mit der Bundesverfassung, insbesondere auch mit dem Gleichheitsgebot, unterliegt. Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, dass der Gesetzgeber die ihm durch die Bundesverfassung, insbesondere die durch Art 7 Abs 1 B-VG und Art 2 StGG sowie durch Art 6 StGG, gezogenen Grenzen überschritten hat, wenn er anordnet, dass die für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung fünf Jahre zu betragen hat (VfSlg. 13.575/1993; ).

1.1.2. Soweit der Beschwerdeführer vom Vorliegen

eines Falles von Inländerdiskriminierung ausgeht, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten:

Sowohl die RAO als auch das EIRAG eröffnen einen Weg zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Österreich. Mit dem EIRAG (vormals EuRAG) wurde die Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufes in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (ABl. Nr. L 77 vom , sog. Rechtsanwalts-Niederlassungsrichtlinie), umgesetzt (vgl. RV 59 BlgNR 21. GP, 13). Gemäß § 18 EIRAG können europäische Rechtsanwälte die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nach dreijähriger effektiver und regelmäßiger Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Österreich auf dem Gebiet des österreichischen Rechts, einschließlich des Gemeinschaftsrechts, beantragen. Alternativ dazu sieht § 24 EIRAG die Möglichkeit vor, die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nach Ablegung einer Eignungsprüfung zu erlangen.

Gemäß § 1 iVm § 2 RAO haben Rechtsanwaltsanwärter zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft unter anderem die praktische Verwendung in der Dauer von fünf Jahren und die mit Erfolg zurückgelegte Rechtsanwaltsprüfung nachzuweisen.

Die sachliche Rechtfertigung für diese Unterschiede in den Voraussetzungen für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Österreich ist in der Verschiedenartigkeit der von den Regelungsinhalten angesprochenen Personenkreise zu finden:

Während das EIRAG jene Voraussetzungen enthält, bei deren Erfüllung europäische Rechtsanwälte die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte in Österreich beantragen können, regelt § 2 RAO, unter welchen Voraussetzungen Rechtsanwaltsanwärter in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen werden. Bei europäischen Rechtsanwälten handelt es sich gemäß § 1 EIRAG um Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie der Schweizerischen Eidgenossenschaft, die berechtigt sind, als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt unter einer der in der Anlage zu diesem Bundesgesetz angeführten Bezeichnungen beruflich tätig zu sein. Diese Personen verfügen in den genannten Staaten über eine berufliche Qualifikation zur Ausübung eines Anwaltsberufes. Sie haben demnach die in dem jeweiligen Staat zur Ausübung des Anwaltsberufes vorgesehenen Anforderungen bereits erfüllt. Demgegenüber handelt es sich bei den von § 2 RAO angesprochenen Personen um Rechtsanwaltsanwärter, also Personen, die sich in Ausbildung befinden und demnach noch nicht über die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft verfügen. Dass der Gesetzgeber für diese Personen andere Voraussetzungen für die Erlangung der Berechtigung zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes in Österreich vorsieht als für Personen, die bereits in den oben genannten Staaten über eine Qualifikation zur Ausübung des Anwaltsberufes verfügen, ist sachlich gerechtfertigt. Dementsprechend normiert auch § 25 EIRAG, dass die von europäischen Rechtsanwälten gemäß § 24 EIRAG abzulegende Eignungsprüfung dem Umstand Rechnung tragen muss, dass der Bewerber in einem Staat, der Mitglied der Europäischen Union oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, über eine berufliche Qualifikation zur Ausübung eines Anwaltsberufes verfügt.

Da im EIRAG an eine bereits bestehende Berechtigung angeknüpft wird, während die RAO erst die Voraussetzungen für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte normiert, werden nicht vergleichbare Sachverhalte geregelt. Die Frage der Inländerdiskriminierung stellt sich daher von vornherein nicht.

1.2. Der Beschwerdeführer ist daher nicht in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes verletzt.

2. Der Beschwerdeführer rügt weiters eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Begründend bringt er vor, die belangte Behörde habe § 2 Abs 1 RAO einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, indem sie die Tätigkeit des Beschwerdeführers beim ÖGB, die sich nicht von jener Tätigkeit unterscheide, die Anlass für das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 14.305/1995 gewesen sei, bei der Anrechnung auf die praktische Verwendung nicht berücksichtigt habe. Zudem habe die belangte Behörde die Rechtsstellung des ÖGB verkannt; bei gleichheitskonformer Interpretation des § 2 Abs 1 RAO hätte sie nämlich zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass der ÖGB eine Verwaltungsbehörde im Sinne dieser Bestimmung sei.

2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

2.2. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Im Erkenntnis VfSlg. 14.305/1995 hat der Verfassungsgerichtshof seine bereits im Erkenntnis VfSlg. 13.560/1993 geäußerte Ansicht wiederholt und ausgeführt, dass eine verfassungskonforme Interpretation des § 2 Abs 1 RAO zu dem Ergebnis führt, dass eine rechtsberufliche Tätigkeit bei Kammern und Sozialversicherungsträgern im Rahmen dieser Gesetzesstelle nicht generell unberücksichtigt bleiben kann. Aus diesem Grund hat der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde, in der die Versagung der Anrechnung einer rechtsberuflichen Tätigkeit bei der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich bekämpft wurde, mit dem Erkenntnis VfSlg. 14.305/1995 stattgegeben.

Der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall war jedoch nicht bei einer Kammer oder einem Sozialversicherungsträger, sondern beim ÖGB tätig. Wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, handelt es sich beim ÖGB im Gegensatz zur Arbeiterkammer, die eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist und der per Gesetz alle Arbeitnehmer angehören, um eine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Berufsvertretung der Arbeitnehmerschaft. Eine solche rein private Einrichtung ist keine Verwaltungsbehörde iSd § 2 Abs 1 RAO. Der belangten Behörde ist weiters nicht entgegenzutreten, wenn sie auch aus dem Umstand der Kollektivvertragsfähigkeit des ÖGB keine Qualifikation als Verwaltungsbehörde ableiten kann.

2.3. Da die belangte Behörde § 2 RAO denkmöglich angewendet hat, ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

3. Das zur Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz Gesagte gilt auch für das Vorbringen, der angefochtene Bescheid verletze den Beschwerdeführer in den durch Art 6 und Art 18 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid daher auch nicht in diesen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt.

4. Die behauptete Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

5. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

6. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

7. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.