OGH vom 05.03.2013, 14Os10/13x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kogler als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Marcus S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 6 Hv 79/12k 32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marcus S***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Danach hat er am in Graz unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, beruht, Manuela T***** mit Gewalt gegen ihre Person eine Packung Zigaretten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem er ihr einen Schlag ins Gesicht versetzte, sie anschließend an den Handgelenken erfasste und mit dem Knie in ihre Rippenregion stieß, wodurch sie einen Bruch der elften Rippe links erlitt, und dadurch das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB begangen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 3 und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen verfehlt ihr Ziel.
Die Verfahrensrüge (Z 3) kritisiert, dass der Sachwalter des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung über für die Aufklärung der Tat wesentliche Wahrnehmungen zu Tatsachen (vgl § 154 Abs 1 StPO) ausgesagt habe (vgl ON 31 S 15), ohne „auf sein Entschlagungsrecht hingewiesen“ worden zu sein oder auf dieses verzichtet zu haben. Ein Aussageverweigerungsrecht kommt dem Sachwalter indes nicht in dieser Funktion, sondern nur als Angehörigem eines der in § 157 Abs 1 StPO genannten Personenkreise unter den dortigen Voraussetzungen zu (zutreffend Nimmervoll , AnwBl 2012, 520 [534]; aA Böhm , iFamZ 2007, 240). Die Rechtsrichtigkeit einer prozessleitenden Verfügung vorliegend der (der Sache nach) zeugenschaftlichen Vernehmung des Sachwalters ohne Informationserteilung im Sinn des § 159 Abs 1 StPO ergibt sich aus einem Vergleich mit der vom Erstgericht (nach dem Protokoll über die Hauptverhandlung hier allerdings nicht erkennbar) herangezogenen Sachverhaltsgrundlage (RIS Justiz RS0118016; vgl auch RS0113818). Die gesetzmäßige Geltendmachung einer auf § 281 Abs 1 Z 3 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde erfordert die deutliche und bestimmte Bezeichnung von Verfahrensergebnissen, die dem Erstgericht eine Sachverhaltsgrundlage für die Annahme eines Aussageverweigerungsrechts (etwa nach § 157 Abs 1 Z 2 oder 3 StPO) im Zeitpunkt der kritisierten Verfahrenshandlung indiziert hätten (RIS-Justiz RS0115644; zum Ganzen Ratz , WK-StPO § 281 Rz 37, 49 f und 223). Diesen Anforderungen entspricht das Beschwerdevorbringen mit der bloßen vom Akteninhalt übrigens nicht gedeckten (vgl ON 2 S 9 und 44) (Rechts-)Behauptung eines dem Sachwalter gemäß § 157 Abs 1 Z 2 StPO zustehenden Aussageverweigerungsrechts nicht.
Im Übrigen wäre die Verfahrensrüge selbst bei Bejahung der behaupteten Formverletzung nicht berechtigt, weil ein für den Beschwerdeführer nachteiliger Einfluss der angesprochenen von den Tatrichtern auch nicht als Entscheidungsgrundlage herangezogenen (US 2 und 5) Bemerkung des Sachwalters im Anschluss an die mündliche Gutachtenserörterung, wonach der Betroffene in mehreren Gasthäusern jeweils bereits beglichene Schulden aufgrund seiner Zechprellereien hatte (ON 31 S 15), mangels Entscheidungsrelevanz unzweifelhaft auszuschließen ist (§ 281 Abs 3 StPO).
Mit der der Sache nach aufgestellten Behauptung undeutlicher Feststellungen zur Zurechnungsunfähigkeit des Beschwerdeführers (zur Undeutlichkeit als Gegenstand der Z 5 erster Fall und Z 9 lit a [sowie Z 10]: vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 570 f) wird die Nichtigkeitsbeschwerde unzulässig zu seinem Nachteil ausgeführt (vgl RIS-Justiz RS0124358, RS0126727; Ratz in WK² StGB Vorbem zu §§ 21 bis 25 Rz 15). Zudem leitet die Rüge den entsprechenden Einwand prozessordnungswidrig ausschließlich aus einer Passage der rechtlichen Beurteilung (wonach sämtliche Voraussetzungen des § 21 Abs 2 StGB vorliegen; US 6) ab (vgl dazu RIS-Justiz RS0114640, RS0122721), die überdies auf einem erkennbaren Schreibfehler beruht (vgl schon die unter einem erfolgte Bezugnahme auf § 429 Abs 1 StPO).
Indem die Beschwerde (Z 10) auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz und somit das Vorliegen einer von § 21 Abs 1 StGB vorausgesetzten (nämlich mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten) Anlasstat in Abrede stellt, bekämpft sie die dazu getroffenen Feststellungen und verfehlt den (auf der Sachverhaltsebene) gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (US 3; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 581).
Welcher zusätzlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite es neben den in der Rechtsmittelschrift ohnehin vollständig zitierten entsprechenden Konstatierungen (US 3) zur rechtsrichtigen Subsumtion bedurft hätte, legt sie nicht dar.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).