VfGH vom 27.09.2000, B2031/98

VfGH vom 27.09.2000, B2031/98

Sammlungsnummer

15934

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Beschränkung der Anerkennung von Fremdkapitalzinsen für einen Beteiligungserwerb bei Ermittlung der Körperschaftsteuer auf die Jahre der Beteiligungsveräußerung; unzulässige Anwendung des Grundsatzes der periodenrichtigen Zuordnung der Zinsen; fehlende Beurteilung des Zusammenhanges der aufgewendeten Fremdkapitalzinsen mit Beteiligungserträgen einerseits und Veräußerungserlösen andererseits

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 29.500 S bestimmten Kosten des Verfahrens bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit dem angefochtenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom wurde die Berufung gegen Bescheide des Finanzamtes Wels betreffend Körperschaftsteuer 1994 zur Gänze abgewiesen und betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer für 1993 sowie Körperschaftsteuer für 1995 und 1997 und Folgejahre nur teilweise stattgegeben. Die geltend gemachten Finanzierungskosten der Beteiligung an österreichischen Unternehmen durch Erwerb von Aktien von 57.000 S 1993), 225.000 S 1994) und 353.000 S 1995), aus denen die beschwerdeführende Gesellschaft 1993 83.888 S 1994 79.254 S und 1995 146.329 S an Gewinnanteilen zugefallen seien, stehe in direktem wirtschaftlichen Zusammenhang mit (nach § 10 KStG 1988) steuerfreien Beteiligungen und könne daher nach § 12 Abs 2 KStG 1988 nicht gewinnmindernd geltend gemacht werden.

Der Berufungssenat gelangt nach Würdigung der jüngeren Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (, und VfGH VfSlg. 14.784/1997) und der hiezu ergangenen Literatur im Hinblick auf den Grundsatz der periodenrichtigen Zuordnung von Betriebsausgaben zu folgendem Schluß:

"Der Senat kann sich aus diesen Gründen der Meinung nicht anschließen, daß der gesamte Betrag an Zinsen und sonstigen Finanzierungskosten, der seit Anschaffung der Beteiligungen bis zu deren Veräußerung angefallen ist, im Jahr der Veräußerung der Beteiligungen nachträglich als Betriebsausgaben berücksichtigt werden kann. Ebenso wenig kann er der Ansicht folgen, daß diese Zinsen einen Teil der Anschaffungskosten für die strittigen Beteiligungen darstellen und daher die Veräußerungserlöse kürzen müßten.

Um jedoch der im zitierten Erkenntnis des zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung Rechnung zu tragen, erachtet es der Senat für geboten, die im Jahr der Veräußerung der strittigen Beteiligungen angefallenen Zinsen - soweit sie auf die Fremdfinanzierung der in den betreffenden Jahren veräußerten Beteiligungen entfallen - im Verhältnis der (körperschaftsteuerpflichtigen) Veräußerungsgewinne zu den aus diesen Beteiligungen in den betreffenden Jahren der Veräußerung erzielten (gem. § 10 KStG 1988 körperschaftsteuerfreien) Beteiligungserträgen als Betriebsausgaben anzuerkennen."

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Im Erkenntnis VfSlg. 14.784/1997 habe der Verfassungsgerichtshof nur ausgesprochen, daß jedenfalls dann, wenn der wirtschaftliche Vorteil aus dem Erwerb der Beteiligung ausschließlich in einem (körperschaftsteuerpflichtigen) Veräußerungsgewinn und nicht in einem (körperschaftsteuerfreien) Beteiligungsertrag bestehen könne, der Gleichheitssatz den Abzug gebiete.

Daraus folgert die Beschwerde:

"Bei dem Sachverhalt, der diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zugrundelag, sind die gesamten Schuldzinsen in dem Veranlagungszeitraum angefallen, in dem auch der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn erzielt wurde. Nichts anderes kann aber gelten, wenn die Schuldzinsen - wie in unserem Fall - auch in anderen Veranlagungsszeiträumen als dem der Veräußerung angefallen sind. Der Verfassungsgerichtshof stützte sich in vorstehend angeführten Erkenntnis nämlich in erster Linie darauf, daß es gleichheitswidrig wäre, einen Veräußerer, der das Wirtschaftsgut mit Fremdkapital angeschafft hat, ungeachtet des größeren Aufwandes, der nötig war, einen Veräußerungserlös zu erzielen, ebenso zu besteuern, wie einen Veräußerer, der dazu eigenes Vermögen verwenden konnte. Die Verfassungswidrigkeit der Gleichbehandlung von eigen- und fremdfinanzierten Beteiligungserwerben kann aber nicht davon abhängen, ob sich der Erwerb und die Veräußerung in einem einzigen Veranlagungszeitraum abgespielt oder aber über einen längeren Zeitraum erstreckt haben (M. Lang, SWK-Heft 25/1998, Seite S 531).

Ebensowenig läßt es die vom Verfassungsgerichtshof gewählte Begründung zu, zwischen Beteiligungen an thesaurierenden und anderen Gesellschaften zu differenzieren. Es wäre nicht einzusehen, den Schuldzinsenabzug im Falle des Erwerbes einer Beteiligung an einer thesaurierenden Gesellschaft anzuerkennen, ihn aber bei auch nur geringfügigen Ausschüttungen völlig zu versagen. Derart weitreichende Unterschiede in den Rechtsfolgen bei fast völlig gleichem Sachverhalt wären gleichheitsrechtlich bedenklich.

Die Auslegung des § 12 Abs 2 KStG durch die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich stellt weiters eine gleichheitswidrige Schlechterstellung derjenigen Gesellschaften dar, die mittel- und langfristig Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften mit Fremdkapital erwerben."

Die Gegenschrift der belangten Behörde vom stützt die These von der Unanwendbarkeit des Erkenntnisses VfSlg. 14.784/1997 im vorliegenden Fall mit folgenden weiteren Ausführungen:

"Zudem ist ein Sachverhalt, bei dem die Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge in derselben Veranlagungsperiode stattfinden insofern nicht mit dem vorliegenden vergleichbar, als bei einer solchen Vorgangsweise - anders wie im Berufungsfall - wohl hauptsächlich die Erzielung von (steuerpflichtigen) Veräußerungsgewinnen (= Realisierung von Substanzwertsteigerungen) angestrebt wird und nicht - wie im Fall des längerfristigen Haltens der Beteiligungen - die Erzielung von laufenden (steuerfreien) Beteiligungserträgen.

Eine Differenzierung in der steuerlichen Behandlung zwischen Beteiligungen an thesaurierenden Gesellschaften einerseits und anderen Gesellschaften andererseits, ist nach Ansicht der belangten Behörde durch die sachlichen Unterschiede in den Möglichkeiten der Ertragserzielung und in der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung dieser Erträge (steuerpflichtige Substanzgewinne einerseits und steuerfreie Beteiligungserträge andererseits) gerechtfertigt. Überdies hat der Berufungssenat die Abzugsfähigkeit der strittigen Zinsaufwendung nicht gänzlich, sondern nur insoweit versagt, als sie Beteiligungen betroffen haben, die in den betreffenden Veranlagungszeiträumen nicht veräußert wurden, für die also in jenen Veranlagungszeiträumen keine steuerpflichtigen Veräußerungsgewinne angefallen sind. Die Begründung für die Nichtanerkennung des strittigen Zinsenaufwandes liegt darin, daß insoweit ein objektiver, unmittelbarer Zusammenhang mit steuerfreien Beteiligungserträgen besteht und daher das Abzugsverbot des § 12 Abs 2 KStG 1988 zur Anwendung kommt (siehe auch Seite 6 der BE). Der Veranlassungszusammenhang zwischen den strittigen Zinsen und steuerfreien Beteiligungserträgen ist nämlich in diesen Veranlagungsperioden, in denen keine Veräußerungsvorgänge stattgefunden haben, jedenfalls enger als der Zusammenhang mit den erst in späteren Veranlagungsperioden angefallenen Veräußerungsgewinnen. Dem Argument der behaupteten gleicheitswidrigen Schlechterstellung der Gesellschaften, die mittel- und langfristige Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften mit Fremdkapital erwerben ist bei Zutreffen des behaupteten schlechten Verhältnisses zwischen erzielbaren Dividendenerträgen und Finanzierungsaufwendungen entgegenzuhalten, daß in einem solchen Fall die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der Anschaffung fremdfinanzierter Beteiligungen im Betriebsvermögen einer Gesellschaft mbH überhaupt zweifelhaft erscheint. Eine sinnvolle betriebliche Funktion - etwa Stärkung des Betriebsvermögens - derartiger Beteiligungen scheint dann nämlich nicht mehr gegeben zu sein (die ständige hohe Zinsenbelastung würde im Gegenteil zu einer Schwächung des betrieblichen Vermögens führen). Es wäre daher in einem solchen Fall fraglich, ob diese Beteiligungen überhaupt Bestandteile des (gewillkürten) Betriebsvermögens sein können."

Da die belangte Behörde ungeachtet der Einladung in der Aufforderung zur Gegenschrift auf das am ergangene Erkenntnis VfSlg. 15.229/1998 mit keinem Wort eingegangen war, wurde ihr der Verwaltungsakt am mit der neuerlichen Einladung zurückgestellt, die Stellungnahme zu diesem Erkenntnis nachzureichen oder die sich daraus allenfalls ergebenden Veranlassungen zu treffen.

In der hierauf am eingelangten Stellungnahme (in der die Behörde darauf hinweist, daß das Erkenntnis aus 1998 erst im Dezember und daher nach Erlassung des angefochtenen Bescheides veröffentlicht wurde) hält die Behörde auch den dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt mit jenem im Beschwerdefall für nicht vergleichbar:

"Im Fall des Erkenntnisses vom sind keinerlei steuerfreien Beteiligungserträge, sondern es ist lediglich ein steuerpflichtiger Veräusserungsgewinn angefallen und die Beteiligung wurde nur ein Jahr gehalten.

Im Beschwerdefall erfolgte die Anschaffung der Beteiligungen z. T. einige Jahre vor deren Veräusserung bzw. wurden die Finanzierungsaufwendungen in jenen Fällen ohnehin anerkannt, in denen die Anschaffung und Veräusserung in derselben Periode erfolgte (sh. Aufgliederung des Beschwerdeführers in der Vorhaltsbeantwortung vom , OZ. 21). Soweit jedoch Finanzierungsaufwendungen ausserhalb (vor) jenen Gewinnermittlungsperioden angefallen sind, in denen die Veräusserungen stattgefunden haben, ist nach Ansicht der belangten Behörde ein unmittelbarer Verursachungszusammenhang mit den in den Perioden des Anfalles dieser Aufwendungen angefallenen (steuerfreien) Erträgen aus diesen Beteiligungen und nicht mit den in späteren Perioden erzielten Veräusserungsgewinnen gegeben, sodass der Abzug dieser Aufwendungen zu Recht unter Hinweis auf die Bestimmung des § 12 Abs 2 KStG verwehrt wurde."

Die belangte Behörde beantragt demgemäß neuerlich die Abweisung der Beschwerde. Sollte das hievon verständigte Bundesministerium für Finanzen diese Rechtsansicht nicht teilen, werde der Verfassungsgerichtshof von einer beabsichtigten Klaglosstellung verständigt werden.

Eine solche Mitteilung ist nicht eingelangt.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Im Erkenntnis VfSlg. 15.229/1998 hat der Gerichtshof die Frage der Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen für den Erwerb von Beteiligungen neuerlich geprüft und bekräftigt, daß er zwar nach wie vor gegen eine Anwendung des § 12 Abs 2 KStG 1988 auf weiter gehaltene Beteiligungen keinen verfassungsrechtlichen Einwand hat, der Gleichheitssatz bei Vorliegen von steuerpflichtigen Veräußerungserlösen aber eine andere Beurteilung verlangt. Er hat nämlich ganz allgemein und ohne Beschränkung auf den ihm damals vorgelegenen Sachverhalt folgendes ausgeführt (Hervorhebung nicht im Original):

"Der Gerichtshof sieht aber kein Hindernis, das in VfSlg. 13.724/1994 aus dem Gleichheitssatz abgeleitete Gebot der Berücksichtigung von Aufwendungen bei Besteuerung von Veräußerungserlösen auf Fälle zu übertragen, in denen nicht schon von vornherein bloß ein solcher Veräußerungserlös in Betracht kommt. Denn auch wenn es verfassungsrechtlich zulässsig ist, zunächst von einem Zusammenhang der Zinsen mit steuerfreien Beteiligungserträgen auszugehen und den Finanzierungsaufwand vorderhand vom Abzug auszuschließen, steht doch jedenfalls im Veräußerungszeitpunkt fest, ob und in welchem Ausmaß die Erwerbsquelle 'Beteiligung' zu steuerfreien oder steuerpflichtigen Einkünften geführt hat. Das Verbot des Abzuges von Aufwendungen ist aber nur gerechtfertigt, 'soweit' sie mit nichtsteuerpflichtigen Vermögensvermehrungen und Einnahmen im Zusammenhang stehen.

Für die Fälle des Zusammentreffens von Ausschüttungen und einer späteren Veräußerung steht es dem Gesetzgeber wohl frei, auch unter Bedachtnahme auf die seit dem Beteiligungserwerb verstrichene Zeit eine ihm angemessen erscheinende und auch Mißbräuche verhindernde Lösung zu treffen. Eine vollständige Außerachtlassung eindeutig für den Beteiligungserwerb aufgewendeter Schuldzinsen in jedem Fall der Erzielung eines Veräußerungsgewinnes kann vor dem Gleichheitssatz jedoch nicht bestehen. Der Veräußerer, der die Beteiligung mit Fremdkapital angeschafft hat, würde nämlich dann ungeachtet des größeren Aufwandes, der nötig war, einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn zu erzielen, ebenso besteuert wie ein Veräußerer, der dazu eigenes Vermögen verwenden konnte. Der vorliegende Fall macht das unsachliche Ergebnis deutlich: Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen, an dem der allgemeine Hinweis der Gegenschrift auf nicht näher umschriebene mögliche Manipulationen nichts ändern kann, hat die bf. Gesellschaft aus einer nur ein Jahr gehaltenen Beteiligung keine laufenden (steuerfreien) Erträge, sondern nur einen (steuerpflichtigen) Veräußerungsgewinn von an die 5,9 Mio S erzielt, dem Zinsen von rund 5,3 Mio S gegenüberstehen. Es gelten daher hier dieselben Überlegungen, die auch den Erkenntnissen VfSlg. 13.724/1994 und 14.784/1997 zugrunde liegen."

Die Zinsen von rund 5,3 Mio S waren - wie der Sachverhaltsdarstellung des Erkenntnisses zu entnehmen ist - 1989 und 1990 angefallen, die Veräußerung war 1990 erfolgt. Nichts läßt den Schluß zu, der Gerichtshof sei der Meinung gewesen, nur die auf das Veräußerungsjahr entfallenden Zinsen müßten abzugsfähig sein. Daß der Grundsatz der periodenrichtigen Zuordnung der Zinsen für den Fall eines Veräußerungsgewinnes nicht in Betracht kommt, ergibt sich außerdem schon aus VfSlg. 13.724/1994 und dem sachlichen Gehalt der bisher ergangenen Entscheidungen zur verfassungsrechtlichen Lage (weshalb sich eine neuerliche Darlegung erübrigt).

Der Verfassungsgerichtshof hat allerdings eine Aufteilung der Fremdkapitalzinsen auf allfällige Beteiligungserträge und den Veräußerungserlös für sachgerecht angesehen und den Gesetzgeber für berechtigt gehalten, nähere Regelungen zur Verhütung von Mißbräuchen zu treffen. In dieser Richtung trägt die Behörde aber nichts vor.

Durch die Beschränkung der Anerkennung der geltend gemachten Fremdkapitalzinsen auf die Veräußerungsjahre (1993 mit 97,71 % von 10.600 S und 1995 mit 1.300 S) wurde die beschwerdeführende Gesellschaft im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Der Bescheid ist daher aufzuheben.

Im fortgesetzten Verfahren wird ohne Beschränkung auf das Veräußerungsjahr zu prüfen sein, inwieweit die für veräußerte Beteiligungen aufgewendeten Fremdkapitalzinsen mit Beteiligungserträgen und inwieweit sie mit Veräußerungserlösen in Zusammenhang stehen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 4.500 S an Umsatzsteuer enthalten.

Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs 4 erster Satz VerffG).