OGH vom 15.07.2011, 8ObA16/11b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gillinger und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Christian A*****, vertreten durch Dr. Andreas Lintl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei U*****, vertreten durch Engelbrecht Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 3.394,81 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 171/10s 13, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 5 Cga 68/10w 8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidung der Vorinstanzen wird dahin abgeändert, dass sie zu lauten hat:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 3.394,81 EUR samt 8,38 % Zinsen seit binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 996,10 EUR (darin enthalten 140,62 EUR USt und 148 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens, die mit 790,13 EUR (darin enthalten 90,69 EUR USt und 246 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 681,68 EUR (darin enthalten 62,28 EUR USt und 308 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der bei der beklagten Universität im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses vom bis als Universitätsassistent für Mathematik beschäftigte Kläger hatte einen Lehrauftrag für vier Semesterwochenstunden. Dementsprechend erbrachte er im Wintersemester 2009/2010 bis zum Ende seines Dienstverhältnisses am diese vier Wochenstunden. Der Kläger erhielt von der Beklagten für dieses letzte Wintersemester für den Zeitraum vom 1. 10. bis 12.054,83 EUR und für den Zeitraum ab 1. 1. bis 12.177,32 EUR (einschließlich Sonderzahlungen). Ferner wurde ihm die Urlaubsersatzleistung für 23 Werktage in Höhe von 3.637,35 EUR und die Abfertigung im Ausmaß von 19.483,53 EUR ausgezahlt, wovon er die Hälfte an die Beklagte wieder zurück zahlte.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage weitere 3.394,81 EUR.
Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
An restlichem Gehalt vom bis inklusive Sonderzahlungen begehrt der Kläger weitere 1.088,88 EUR ([3,5 : 14] x 52.574,80 EUR = 13.143,70 EUR abzüglich bereits gezahlter 12.054,83 EUR). Für den Zeitraum vom 1. 1. bis begehrt er aufgrund einer im Wesentlichen ähnlichen Berechnung, jedoch ausgehend von einem Jahresansatz von 53.104 EUR - an Differenz zum tatsächlich ausbezahlten Betrag weitere 1.098,68 EUR. Ebenfalls ausgehend von diesem Jahresansatz von 53.104 EUR begehrt er eine Abfertigungsdifferenz von 879,04 EUR und hinsichtlich der Urlaubsersatzleistung eine weitere Differenz von 328,21 EUR.
Der Kläger macht geltend, dass er nach § 49q Abs 1 Z 1 VBG Anspruch auf diesen höheren Ansatz habe, da er seine Lehrverpflichtung im Wintersemester im Ausmaß von vier Semesterwochenstunden erfüllt habe. Die Berechnung der Beklagten benachteiligte ihn wegen der Befristung seines Arbeitsverhältnisses, was gegen § 4 der Richtlinie 99/70/EG über befristete Arbeitsverhältnisse und gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Der Kläger stützte sein Begehren ferner auf Schadenersatz und begründete dies damit, dass ihn die Beklagte schuldhaft nicht über die finanziellen Folgen der so gewählten Beschäftigungsdauer aufgeklärt habe.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Nach § 49q VBG stehe dann eine Erhöhung des Grundgehalts von 44.314,60 EUR zu, wenn der Assistent im Durchschnitt des Studienjahres mehr als vier Semesterstunden gelehrt habe. Nur unter dieser Voraussetzung gebühre das erhöhte Entgelt im Sinne des Ansatzes des Klägers von 53.104 EUR. Da der Kläger im Studienjahr aber nur im Wintersemester diese Leistung erbracht habe, sei nur vom Durchschnitt zwischen 53.104 EUR und 44.314,60 EUR, also von 48.219,30 EUR bzw ab von 48.709,30 EUR auszugehen. Eine Differenzierung für befristete Arbeitsverhältnisse sei nicht vorgesehen, da § 49q VBG auch für dauerhaft Beschäftigte gelte und im Übrigen auch sachlich gerechtfertigt sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach § 49q VBG sei stets das gesamte Studienjahr zugrunde zu legen, sodass sich der von der Beklagten angewendete durchschnittliche Ansatz als richtig erweise. Dies stelle keine unsachliche Benachteiligung der Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen dar, da alle Arbeitsverträge nach dem Zeitpunkt ihrer Auflösung gleich behandelt würden. Auch eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers liege nicht vor, da der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht über alle finanziellen Eventualitäten informieren müsse.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es schloss sich im Wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts an. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer vor allfälligen nachteiligen Folgen der Erklärungen des Arbeitnehmers zu schützen. Insoweit sei die Beklagte auch nicht verpflichtet gewesen, die gesetzlichen Entgeltregelungen näher zu erörtern. Nach § 49q VBG sei von einem „jährlichen Bruttoentgelt“ und einem „Jahresentgelt“ auszugehen. Daher sei der Berechnung des Entgelts der Assistenten der Zeitraum des Studienjahres vom 1. 10. bis 30. 9. des Folgejahres zugrundezulegen. Der höhere Ansatz könne nur für jene Assistenten zur Anwendung kommen, die während des gesamten Studienjahres vier Semesterstunden abgehalten haben. Dies treffe aber auf den Kläger nicht zu. Eine unter dem Aspekt des § 4 der RL 1999/70/EG über befristete Arbeitsverträge bedenkliche Benachteiligung von im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse beschäftigten Arbeitnehmern liege nicht vor, da § 49q VBG genauso auf unbefristete Dauerbeschäftigte anzuwenden sei, deren Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt gelöst werde.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO als nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und auch berechtigt. Eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung des § 49q Abs 1 Z 1 VBG liegt nicht vor. Im Hinblick auf die allgemeine Bedeutung dieser Bestimmung kommt aber der Beurteilung der hier strittigen Rechtsfrage erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO für die Wahrung der Rechtseinsicht und der Rechtsentwicklung zu.
§ 49q VBG im Unterabschnitt über die „Assistenten“ lautet unter der Überschrift „Entgelt“ wie folgt:
„(1) Das jährliche Bruttoentgelt bei Vollbeschäftigung beträgt
1.) für Assistenten, die nicht von Z 2 oder 3 erfasst sind,
a) 44.691,03 EUR,
b) 53.555,04 EUR, wenn der Assistent Lehrveranstaltungen gemäß § 49n Abs 3 VBG im Ausmaß von durchschnittlich vier Semesterstunden abhält; …
…
(3) das Jahresentgelt ist in 14 gleiche Teile zu teilen, 12 davon sind als Monatsentgelt, 2 als Sonderzahlungen nach § 8a Abs 2 auszuzahlen.
(4) Wird der Assistent nur während eines Teils des Jahres verwendet, ist das Entgelt anteilig zu kürzen. Wird der Assistent während eines Kalenderjahres teils im klinischen, teils im nichtklinischen Bereich als Arzt verwendet, gebührt das Entgelt gemäß Abs 1 Z 2 und Z 3 anteilig nach der Dauer der Verwendung im jeweiligen Bereich.
(5) Hält der Assistent nur in einem Semester, nicht aber im Durchschnitt eines Studienjahres, Lehrveranstaltungen im Ausmaß von wenigstens vier Semesterstunden ab, gebührt das Bruttoentgelt gemäß lit d des Abs 1 Z 1 bis 3 anteilig für dieses Semester.
(6) Mit dem Entgelt sind auch alle mengenmäßigen und zeitlichen Mehrleistungen abgegolten … .“
Im Jahr 2009 betrugen die Ansätze nach § 49q Abs 1 Z 1 VBG 43.863,08 EUR bzw 52.574,08 EUR.
Strittig ist die Frage, wie das Entgelt eines Assistenten zu beurteilen ist, der nicht „synchron“ mit dem Studienjahr (1. 10. bis 30. 9. des Folgejahres), sondern „schiefsemestrig“ tätig ist, also etwa vom 1. 3. bis 28. 2. des Folgejahres. Die von der Beklagten gewählte Berechnung führt dazu, dass „schiefsemestrig“ arbeitende Assistenten, die wie hier der Kläger - durchgehend die vier Semesterstunden im Rahmen der Lehre erbringen, bei identer Beschäftigungsdauer im letzten Halbjahr weniger Entgelt erhalten als Assistenten die „synchron“ mit dem Studienjahr einsteigen und ihr Arbeitsverhältnis beenden. Die Beklagte geht bei „schiefsemestrigen“ Assistenten von einer „fiktiven“ Dauer des Beschäftigungsverhältnisses zum Ende des gesamten Studienjahres, also zum 30. September aus. Ausgehend davon nimmt sie an, dass der Assistent im „fiktiven“ Sommersemester keine vier Semesterstunden gelehrt hat und damit auch im gesamten Studienjahr nicht durchgehend die vier Semesterstunden für Lehrveranstaltungen erbracht hat.
Dies ist aber dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Die wesentliche Intention bei der Schaffung des Entgeltsystems des § 49q VBG war es, entsprechend den internationalen Gepflogenheiten auf ein fixes „All Inklusive Entgelt“ umzusteigen, bei dem anstelle von Monatsentgelten und verschiedenen Zulagen ein Jahresbruttobetrag zugrundegelegt wird (vgl dazu Ziehensack , Vertragsbedienstetengesetz §§ 49a bis 49v Rz 30).
Für den Fall, dass ein Assistent nicht während des gesamten Jahres beschäftigt wird, sieht die Bestimmung des § 49q Abs 4 1. Satz VBG vor, dass das Jahresentgelt anteilig zu kürzen ist. Abs 4 regelt - wenngleich für andere Assistentengruppen -, dass bei Verwendung in verschiedenen Entgeltstufen das Entgelt „anteilig“ nach der Dauer der Verwendung während des Jahres zu berechnen ist. Schon aus der Wahl des Wortes „Verwendung“ zeigt sich aber, dass es sich nicht um Zeiträume handeln kann, in denen wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine „Verwendung“ gar nicht mehr in Betracht kommt. Daher bleibt es bei der einleitenden Anordnung des Abs 4 des § 49q VBG, dass das Entgelt „anteilig“ zu kürzen ist.
Dieses Verständnis ist auch der Auslegung des Abs 5 zugrundezulegen, der zwar nicht mehr ausdrücklich auf die „Verwendung“ verweist, aber doch vom Begriff des „Assistenten“ ausgeht, was ebenfalls für eine im Rahmen eines Dienstverhältnisses zumindest mögliche Verwendung für Lehrveranstaltungen iSd Abs 1 Z 1 lit b des § 49q Abs 1 VBG spricht.
Dass der Gesetzgeber sich nicht grundsätzlich gegen Beschäftigungsverhältnisse wendet, die nicht ein gesamtes Studienjahr dauern, und diese Beschäftigungsverhältnisse auch entgeltmäßig nicht benachteiligen will, zeigt auch der erste Satz des § 49q Abs 4 VBG, wonach die kürzer als eine Jahr beschäftigten Assistenten Anspruch auf das anteilige Entgelt haben.
Als Ansatz für die Beurteilung, in welche Entgeltstufe (lit a oder lit b des § 49q Abs 1 Z 1 VBG) der Assistent einzustufen ist, ist im Ergebnis nur der Teil des Studienjahres heranzuziehen, für den eine Verwendung im Hinblick auf die Dauer des Dienstverhältnisses überhaupt in Betracht kommt. Dies ist bei den „schiefsemestrigen“ Assistenten nur das Semester, in dem das Arbeitsverhältnis besteht, beim Kläger also das Wintersemester.
Im Wintersemester hat der Kläger aber - wie im Übrigen offenbar auch in den davor liegenden Semestern - die Lehrveranstaltung im Ausmaß von durchschnittlich vier Semesterstunden abgehalten. Dementsprechend gebührt ihm auch der höhere Ansatz und sind seine Ansprüche ausgehend davon zu berechnen.
Der Revision war daher Folge zu geben und die Urteile der Vorinstanzen im klagsstattgebenden Sinne abzuändern.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 2 ASGG,§§ 50 und 41 ZPO.