VfGH vom 26.02.2004, b203/01
Sammlungsnummer
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Spruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Kärnten ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit 2.143,68 €
bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Arnoldstein erteilte mit Bescheid vom der Bauwerberin, einer Pflegeheim- und Sozialgebäude Errichtungs- und Verwertungsgesellschaft gemäß §§3, 6, 17 und 18 Kärntner Bauordnung 1996, LGBl. Nr. 62, die Baubewilligung zur Errichtung eines Gesundheitspflegeheims auf den Grundstücken Nr 300/5, 300/6, 300/7, 300/8, 300/11, 300/12 und 300/13, alle KG Arnoldstein. Mit Eingabe vom beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft die Zuerkennung der Parteistellung im oben genannten Baubewilligungsverfahren. Die Grundstücke Nr. 256/2 und 305/306, KG Arnoldstein, auf welchen die beschwerdeführende Gesellschaft ein Sägewerk als gewerbebehördlich genehmigte Betriebsstätte betreibe, seien von den Baugrundstücken nur durch ein weiteres Grundstück und eine öffentliche Verkehrsfläche getrennt. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Arnoldstein wies mit Bescheid vom den Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft als unbegründet ab. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Gemeindevorstand der Marktgemeinde Arnoldstein mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen.
Die Kärntner Landesregierung wies die Vorstellung mit Bescheid vom als unbegründet ab. Sie führte aus, dass die Parteistellung des Inhabers einer Betriebsanlage nach § 23 Abs 2 litb Kärntner Bauordnung 1996, anders als die Parteistellung des Anrainers nach lita, nicht die Lage eines Grundstückes im Einflussbereich eines Bauvorhabens voraussetze, sondern lediglich daran anknüpfe, ob das Grundstück, auf dem sich eine Anlage befinde, an das Baugrundstück angrenze oder von diesem nur durch eine Verkehrsfläche getrennt sei. Zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück der beschwerdeführenden Gesellschaft würden zwei weitere Liegenschaften und eine öffentliche Verkehrsfläche liegen. Demnach sei die Parteistellung als Inhaberin einer Betriebsanlage gemäß § 23 Abs 2 litb leg. cit. nicht gegeben. Auf den Einflussbereich des Vorhabens komme es dabei gar nicht an. Die beschwerdeführende Gesellschaft sei jedoch auch Grundstückseigentümerin und habe behauptet, durch das Bauvorhaben beeinträchtigt zu werden. Eine Parteistellung der beschwerdeführenden Gesellschaft nach § 23 Abs 2 lita leg. cit. sei jedoch ebenso zu verneinen, da ein Pflegeheim keine emittierende Anlage darstelle und auch zu weit entfernt sei, um mit der Möglichkeit der Beeinträchtigung des Grundstücks der beschwerdeführenden Gesellschaft durch das Bauvorhaben rechnen zu müssen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die beschwerdeführende Gesellschaft die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG), sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (Flächenwidmungsplan) und eines verfassungswidrigen Gesetzes (§23 Abs 2 und 4 Kärntner Bauordnung 1996) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt. Auf den Grundstücken der beschwerdeführenden Gesellschaft befinde sich seit 1912 ein großes Sägewerk mit einem jährlichen Einschnitt zwischen 150.000 bis 200.000 Festmetern Holz und Nebenanlagen. Die vom Landesgesetzgeber bestimmte unterschiedliche Behandlung von Anrainern gemäß § 23 Abs 2 lita und b leg. cit. und die vorgenommene Einschränkung der Parteistellung von Inhabern von Anlagen, deren Emissionen sehr weitreichend sein könnten, sei unsachlich. Die gesetzlichen Bestimmungen stünden insbesondere auch im Widerspruch zu den vom Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur zur "heranrückenden Wohnbebauung" (VfSlg. 15.561/1999 mwH) aufgestellten Grundsätzen.
3. Die Kärntner Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
4. Die Marktgemeinde Arnoldstein erstattete eine Äußerung.
II. 1. Aus Anlass der vorliegenden Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen mit Beschluss vom gemäß Art 140 Abs 1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs 2 litb und Abs 4 der Kärntner Bauordnung 1996, Kundmachung der Landesregierung vom , Zl. Verf-915/1/1996, mit der die Kärntner Bauordnung 1992 wiederverlautbart wird, LGBl. Nr. 62/1996, eingeleitet.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, protokolliert zu G226/03, hat der Verfassungsgerichtshof § 23 Abs 2 litb und Abs 4 der Kärntner Bauordnung 1996 als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Die belangte Behörde hat daher eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Im Hinblick auf die Übertragbarkeit der mit dem grundlegenden Erkenntnis zur Wiener Bauordnung VfSlg. 12.468/1990 beginnenden Judikatur zur "heranrückenden Wohnbebauung" auf die nunmehr bereinigte Rechtslage, ist es offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft nachteilig war. Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10.404/1985).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 327,- € und eine Eingabegebühr in der Höhe von 181,68 € enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Fundstelle(n):
QAAAD-89442