OGH vom 11.11.2016, 10Ob72/16k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und durch den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Gottfried Stoff, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei X*****, vertreten durch Gütlbauer Sieghartsleitner Pichlmayr, Rechtsanwälte in Wels, wegen 5.999 EUR sA, über die Rekurse der klagenden und der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 69/16b 50, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom , GZ 13 C 827/14s 46, aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Rekurse werden zurückgewiesen.
Die Kosten der Rekursbeantwortungen werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Begründung:
Der Geschäftsführer der klagenden Gesellschaft und seine Lebensgefährtin kauften im Februar 2012 bei der beklagten Gesellschaft ein dunkelrotes Lederecksofa („Wohnlandschaft“) um 5.999 EUR. Das Sofa wurde nach Übergabe im Mai 2012 im Wohnzimmer frei stehend entlang einer bis zum Fußboden reichenden Glasfront (Terrassenschiebetüre) aufgestellt, wobei der Abstand zwischen der (auf besonderen Wunsch ebenfalls mit Leder tapezierten) Rückwand des Sofas und der Glasfront nur 25 cm betrug. Obwohl Leder von ausgezeichneter Qualität verarbeitet worden war, das keinen Mangel aufwies, waren an dem Sofa bereits im September 2012 erstmals Ausbleichungen bzw Farbveränderungen (von dunkelrot zu rosa) wahrzunehmen. Jene Teile die sich direkt neben der Glasfront befinden, weisen die größten Farbveränderungen auf. Diese wurden vom Gutachter auf die direkte Sonneneinstrahlung zurückgeführt, die so lange gegeben ist, bis bei einer Rauminnentemperatur von über 28 Grad Celsius automatisch Rollläden herunterfahren.
Die Klägerin begehrt Wandlung des Kaufvertrags und Rückerstattung des Kaufpreises. Die Farbbeständigkeit des Leders sei bei einem derart hochpreisigen Sofa eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft. Im Hinblick auf den üblichen Verwendungszweck, nämlich der Aufstellung in einem lichtdurchfluteten Wohnzimmer, sei das Sofa als mangelhaft anzusehen. Außerdem habe ihr Geschäftsführer bzw dessen Lebensgefährtin beim Kaufgespräch den Plan des Hauses mitgehabt, aus dem für den Verkaufsberater der Beklagten der beabsichtigte Aufstellungsort des Sofas vor der Glasfront ersichtlich gewesen sei. Dieser hätte daher erkennen müssen, dass der Farbbeständigkeit besondere Bedeutung zukomme. Er hätte darauf hinweisen müssen, dass die Färbung des Leders ungeeignet sei, einer direkten UV Strahlung standzuhalten und die Gefahr des Ausbleichens bestehe. Bei entsprechender Aufklärung wäre der Ankauf unterblieben.
Die beklagte Partei wendet ein, es sei allgemein bekannt, dass Leder ein Naturprodukt sei, das auf Umwelteinflüsse, wie etwa Sonnenlicht mit Farbveränderungen (Ausbleichen) reagiere. Es sei nicht üblich, Wohnlandschaften aus Leder direkter Sonneneinstrahlung auszusetzen. Ihr Mitarbeiter sei über die geplante Situierung des Sofas – insbesondere was die Sonnenlichtexposition betreffe – nicht informiert worden. Zusagen über Farbbeständigkeit seien nicht erfolgt. Jedenfalls sei von einem überwiegenden Mitverschulden der Klägerin auszugehen, weil die Benutzungs- und Pflegehinweise laut dem bei Übergabe mitgeliefertem Informationshandbuch in grob sorgloser Weise unbeachtet gelassen worden seien.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es traf bisher – soweit für das Rekursverfahren wesentlich – noch folgende weitere Feststellungen:
„Leder kann durch direkte Sonnen- bzw Hitzeeinwirkung ausbleichen sowie austrocknen. Dem kann durch entsprechende Platzierung entfernt von solchen Einwirkungen sowie durch Pflege mit einem UV-Schutz enthaltenden Lederpflegeprodukt entgegengewirkt werden. Dennoch wurde alle 14 Tage ein Lederpflegemittel ohne UV Schutz aufgebracht. Das für das Sofa verwendete Leder hatte vor der Verarbeitung eine Schutzbehandlung erfahren. Diese sollte allerdings in erster Linie einem einheitlichen Aussehen und einer Vorbeugung von Flecken und Alterserscheinungen dienen, nicht aber einer Verhinderung oder Verzögerung des Ausbleichungsprozesses. Beim Verkaufsgespräch hatte der Verkäufer angegeben, dass das Sofa bester Qualität entspreche und ein Aufstellen vor einem Fenster kein Problem darstelle. Bei direkter Sonneneinstrahlung empfehle er aber das Schließen der Rollläden.“
Rechtlich ging das Erstgericht zusammengefasst davon aus, der Verkaufsberater habe über die allgemein bekannte Tatsache, dass Leder bei Sonneneinstrahlung und Hitzeeinwirkung ausbleichen könne, nicht extra aufklären müssen. Da weder ein Mangel festgestellt worden sei, der den üblichen Gebrauch des Sofas verhindere, noch eine Aufklärungspflichtverletzung vorliege, sei die Klage abzuweisen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und hob das Ersturteil zur neuerlichen Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung auf.
Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, die Klägerin könne sich nicht auf das Fehlen gewöhnlich vorausgesetzter Eigenschaften des Leders bzw dessen Einfärbung berufen, weil Sitzgarnituren üblicherweise im Eckbereich eines Raumes oder im Bereich von Wänden plaziert würden, die über Lichtdurchlässe in Form von Fenstern in einer Höhe über dem Abschluss der Rückenlehne verfügen, sodass es zu keiner dauerhaften und intensiven Sonnenbestrahlung komme. Unter diesem Aspekt sei das Ausbleichen auf eine mit dem üblichen Gebrauch einer Ledersitzgarnitur unvereinbaren Überbeanspruchung durch Sonneneinstrahlung zurückzuführen. Die Rechtssache sei aber dennoch nicht spruchreif, weil zu prüfen sei, ob nicht die Farbbeständigkeit des Leders ausdrücklich oder stillschweigend zugesagt worden sei. Dazu fehlten Feststellungen zum Inhalt des Verkaufsgesprächs, insbesondere dazu, ob der Geschäftsführer der Klägerin bzw dessen Lebensgefährtin den Hausplan mit hatten, aus dem für den Verkaufsberater der Aufstellungsort des Sofas unmittelbar vor einer Glasfront ersichtlich gewesen wäre. In diesem Fall hätte er darüber informieren müssen, dass die Färbung des Leders ungeeignet sei, einer dauerhaften direkten UV Strahlung standzuhalten. Der allgemeine Hinweis, bei Sonneneinstrahlung empfehle er das Schließen der Rollläden, sei zur Aufklärung nicht ausreichend.
Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil auch die Ansicht vertreten werden könne, es mangle der Sitzgarnitur an einer gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaft, und weil zu einem vergleichbaren Sachverhalt keine Entscheidung aufzufinden gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Weder in der Begründung des zweitinstanzlichen Zulassungsausspruchs noch in den von beiden Parteien erhobenen Rekursen wird eine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt:
1. Zur gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaft:
1.1. Grundsätzlich ist es Sache des Käufers, der keine Bedingung stellt, keine Auskünfte und Belehrungen und damit die Zusage einer bestimmten Eigenschaft verlangt und auch nach dem Verhalten des Verkäufers keine bestimmten Eigenschaften annehmen kann, zu beurteilen, ob eine bestimmte Sache aus dem Verkaufsprogramm des Verkäufers für seine Zwecke geeignet ist (2 Ob 234/14x).
1.2. § 922 Abs 1 ABGB enthält die Vermutung, dass die geschuldete Leistung die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat und dass sie der Natur des Geschäfts oder der getroffenen Vereinbarung gemäß verwendet werden kann (2 Ob 176/10m mwN). Mangels gegenteiliger Abrede sind diese Eigenschaften als stillschweigend mitvereinbart anzusehen, wobei für die Konkretisierung des Leistungsinhalts im Einzelnen die Verkehrsauffassung und die Natur des Geschäfts (§ 923 ABGB) von Bedeutung sind (RIS Justiz RS0114333 [T4] ; P. Bydlinski in KBB 4 § 922 Rz 9). Dabei ist grundsätzlich auf die verkehrstypische Verwendung der Ware abzustellen ( Ofner in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 923 Rz 1). Als „gewöhnlich vorausgesetzte“ Eigenschaft wurde bisher beispielsweise die Freiheit einer Wohnung von gesundheitsschädlichen Substanzen (2 Ob 176/10m); die Freiheit von Zeilensprüngen bei einer Textverarbeitungsanlage (5 Ob 502/88, SZ 61/24) und die Betriebs- und Verkehrssicherheit eines Gebrauchtwagens (7 Ob 23/90, SZ 63/160) angesehen.
1.3. Im Hinblick auf diese Rechtsprechung ist die Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, im Rechtsverkehr werde nicht allgemein erwartet, dass eine dunkel eingefärbte Ledersitzgarnitur („Wohnlandschaft“), die in einem Abstand von nur 25 cm entlang einer bis zum Fußboden reichenden Glasfront plaziert wird, auf längere Sicht der dadurch bedingten direkten Sonneneinstrahlung standhält ohne auszubleichen. Misst man die berechtigte Erwartungshaltung an der Verkehrsauffassung, stellt die Ansicht, ein durchschnittlicher Käufer gehe unter diesen speziellen Aufstellbedingungen nicht ohne weitere Zusicherung von dauerhafter Farbechtheit aus, keine Fehlbeurteilung dar. Das Berufungsgericht verweist dazu auch auf das Sachverständigengutachten, nach dem in der Autoindustrie das für Autositze verwendete Leder zwecks Erzielung von UV-Beständigkeit mehrfach deckend gefärbt und darauf hin getestet wird, während in der Möbel- und Bekleidungsindustrie Lederhäute meist nur schwach pigmentiert werden, um deren Geschmeidigkeit und den weichen Griff zu erhalten.
2. Zur Zusage einer bestimmten Eigenschaft:
Eine Zusage einer Eigenschaft oder Gebrauchsmöglichkeit kann auch schlüssig erfolgen (RIS Justiz RS0014177, RS0107682). Kennt der Veräußerer die vom Erwerber gewünschte Eigenschaft oder muss er sie erkennen, so ist bei Nichtaufklärung über die Untauglichkeit die Eignung als stillschweigend zugesagt anzusehen (RIS-Justiz RS0018468).
Wenn das Berufungsgericht unter Beachtung dieser Grundsätze der Rechtsprechung wegen des Fehlens von Feststellungen zum konkreten Inhalt des Verkaufsgesprächs den Sachverhalt noch als ergänzungsbedürftig erachtet hat, kann dem der Oberste Gerichtshof nicht entgegentreten (RIS Justiz RS0042179). Art und Ausmaß der Aufklärung richtet sich jeweils nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (2 Ob 234/14x).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS-Justiz RS0123222). Beide Parteien haben in ihrer Rekursbeantwortung jeweils auf die Unzulässigkeit des von der Gegenseite erhobenen Rekurses hingewiesen. Da die beiderseits verzeichneten Kosten gleich hoch sind, sind die den Parteien im Rekursverfahren erwachsenen Kosten gegeneinander aufzuheben (8 Ob 80/12s).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00072.16K.1111.000