OGH vom 04.11.2010, 8Ob115/10k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners A***** R*****, geboren am *****, vertreten durch Ochsenhofer Heindl Rechtsanwälte OG in Oberwart, wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens, über den Revisionsrekurs der Gläubigerin S***** O*****, vertreten durch Rechtsanwälte Steflitsch OG in Oberwart, gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom , GZ 13 R 123/10a 15, mit dem der Rekurs der Gläubigerin gegen den Eröffnungsbeschluss des Bezirksgerichts Oberwart vom , GZ 4 S 20/10p 5, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der als „Vollrekurs“ bzw „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Oberwart vom , GZ 4 S 20/10p 5, wurde über das Vermögen des Schuldners das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Das Erstgericht beließ dem Schuldner die Eigenverwaltung und sprach aus, dass das Insolvenzverfahren als geringfügig anzusehen sei. In der Gläubigerliste (ON 3) scheint die S***** O***** mit einer Forderung von 1.150 EUR auf. Mit Schreiben vom (ON 9) meldete sie an Rückstand für Kommunalsteuer 2009 den Betrag von 2.661,48 EUR an.
Das Rekursgericht wies den gegen den Eröffnungsbeschluss von der S***** O***** als Gläubigerin erhobenen Rekurs als verspätet zurück. Der Eröffnungsbeschluss sei am in die Insolvenzdatei aufgenommen worden. Da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens öffentlich bekannt zu machen sei, seien die Rechtsfolgen gemäß § 255 IO bereits durch Aufnahme in die Insolvenzdatei eingetreten. Die vierzehntägige Rekursfrist gemäß § 260 Abs 1 IO sei daher am abgelaufen, weshalb der am elektronisch übermittelte Rekurs der Gläubigerin verspätet gewesen sei. Das Rekursgericht sprach zudem aus, dass der Revisionsrekurs ausgehend von der Höhe der Forderung der Rekurswerberin gemäß §§ 500 Abs 2 Z 2, 526 Abs 3, 528 Abs 2 Z 1 ZPO iVm § 252 IO jedenfalls unzulässig sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich das als „Vollrekurs“ bzw „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel der Gläubigerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Antrag auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Gläubigerin ist unzulässig.
1. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass nach den Übergangsbestimmungen zum IRÄG 2010 (§ 273 leg cit) auf das vorliegende Insolvenzverfahren die Insolvenzordnung (BGBl I 2010/29) anzuwenden ist, zumal das Verfahren nach dem eröffnet wurde (vgl auch § 260 iVm § 273 Abs 8 IO).
2.1 Die Anfechtbarkeit des angefochtenen Zurückweisungsbeschlusses des Rekursgerichts bestimmt sich zufolge Verweisung in § 252 IO nach den (subsidiär anzuwendenden) Bestimmungen der ZPO. Nach ständiger Rechtsprechung sind Beschlüsse, mit denen das Rekursgericht einen Rekurs gegen eine erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen hat, (nur) unter den Voraussetzungen des § 528 ZPO anfechtbar. Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin ist § 519 Abs 1 Z 1 ZPO hier nicht analog anzuwenden (RIS Justiz RS0044501; 9 Ob 23/10p). Dies gilt auch im Insolvenzverfahren (vgl Deixler-Hübner in Konecny/Schubert § 176 KO Rz 39; Bartsch/Pollak/Buchegger 4 § 71c KO Rz 28).
2.2 Nach § 528 Abs 2 Z 1 ZPO idF des Budget Begleitgesetzes 2009, BGBl I 2009/52, ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert 5.000 EUR nicht übersteigt (vgl Deixler Hübner aaO § 176 KO Rz 43). Gemäß § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 1 ZPO hat das Rekursgericht in jenen Fällen, in denen der Entscheidungsgegenstand nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, einen Bewertungsausspruch zu treffen (vgl RIS Justiz RS0065182; Deixler Hübner aaO § 171 KO Rz 58).
Zur Bestimmung des Werts des Entscheidungsgegenstands ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Parteistellung eines Insolvenzgläubigers sowie dessen Teilnahmerechte am Insolvenzverfahren in erster Linie durch die Forderungsanmeldung bestimmt werden (vgl Konecny in Konecny/Schubert § 102 KO Rz 28 f; Deixler Hübner aaO § 176 KO Rz 7; vgl auch RIS Justiz RS0042401). Außerdem sind die Forderungen der im Insolvenzverfahren auftretenden Insolvenzgläubiger nicht zusammenzurechnen, weil diese keine materiellen Streitgenossen sind und auch keine im rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang stehenden Forderungen verfolgen (vgl 8 Ob 9/90 = RIS Justiz RS0035588 [T6]). Die Frage, ob der Rekurs eines Einzelgläubigers gegen einen nach der Insolvenzordnung anfechtbaren Beschluss, selbst wenn sich dieser auf die Verfahrenseröffnung bezieht, rechtzeitig erhoben wurde, betrifft auch keineswegs die Interessen sämtlicher Gläubiger.
Ungeachtet des Umstands, dass im Insolvenzverfahren die Interessen des einzelnen Gläubigers allgemein hinter jene der Gläubigergesamtheit zurücktreten, richtet sich der Wert des Entscheidungsgegenstands für den vorliegenden Rekurs eines Einzelgläubigers gegen einen Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts nach der Höhe der vom anfechtenden Gläubiger angemeldeten Forderung und nicht nach der (aktenkundigen) Gesamthöhe der Forderungen aller Insolvenzgläubiger. Davon ist auch das Rekursgericht in seinem aus der Begründung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses eindeutig ableitbaren implizit getroffenen Bewertungsausspruch ausgegangen.
Der Entscheidungsgegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, besteht demnach in einem 5.000 EUR nicht übersteigenden Geldbetrag. Der Revisionsrekurs ist daher gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig, weshalb er zurückzuweisen war.