VfGH vom 27.09.1994, B2020/93
Sammlungsnummer
13859
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Rechtserwerbs mangels Selbstbewirtschaftung aufgrund der Annahme der beruflichen Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin in anderen Betrieben
Spruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtwidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Kaufvertrag vom 9. bzw. erwarb die Beschwerdeführerin ein Grundstück in Radfeld im Ausmaß von
14.474 m2. Diesem Rechtserwerb erteilte die Grundverkehrsbehörde Radfeld mit Bescheid vom unter Hinweis auf §§3 Abs 1 und 4 Abs 1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 und des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), die grundverkehrsbehördliche Zustimmung.
2. Der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom Folge gegeben und dem Rechtserwerb nunmehr gemäß §§4 Abs 1 und 6 Abs 1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983 die grundverkehrsbehördliche Zustimmung versagt. Begründet wurde diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß auf Grund der - im Ergebnis nicht bestrittenen - Ermittlungen davon auszugehen sei, daß die Beschwerdeführerin den schon bisher in ihrem Eigentum stehenden landwirtschaftlichen Betrieb (im Ausmaß von rund 6 ha) nicht selbst bewirtschaftet habe und es auch künftig nicht tun werde. Die Beschwerdeführerin verkenne offensichtlich, daß vom Gesetzgeber unter dem Begriff der "Selbstbewirtschaftung" die persönliche Bewirtschaftung eines land- bzw. forstwirtschaftlichen Anwesens durch den Betriebsinhaber verlangt werde. Dieser habe also die für die Bewirtschaftung des Hofes notwendigen Arbeiten in aller Regel unter Einsatz seiner eigenen Arbeitskraft zu bewerkstelligen, die notwendigen Anordnungen persönlich zu treffen und ihre Einhaltung regelmäßig auch selbst zu überwachen, wofür ein nahezu täglicher Aufenthalt am Hof erforderlich sei. Dem werde jedoch die Beschwerdeführerin nach ihren im Verwaltungsverfahren gemachten Ausführungen nicht gerecht, wenn sie die Bewirtschaftung von ihrem - etwa 20 km entfernten - Wohnort Pertisau aus vornehmen und die täglich anfallenden Arbeiten von einem Landarbeiter verrichten lassen wolle.
3. Dagegen wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes und auf Erwerbsausübung geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof
hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Es ist unbestritten, daß das den Gegenstand des vorliegenden Kaufvertrages bildende Grundstück als ein landwirtschaftliches im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 GVG 1983 zu qualifizieren ist und demnach den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt. Der durch den Kaufvertrag bewirkte Eigentumserwerb bedarf deshalb zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde gemäß § 3 Abs 1 lita leg.cit. Eine solche Zustimmung darf gemäß § 4 Abs 1 GVG 1983 nur erteilt werden, wenn der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht. Der nur allgemein formulierte Inhalt des § 4 Abs 1 GVG 1983 wird durch § 6 Abs 1 GVG 1983 näher konkretisiert, in dem einzelne Tatbestände angeführt werden, bei deren Vorliegen einem Rechtserwerb im Sinne des § 3 Abs 1 leg.cit. insbesondere nicht zuzustimmen ist. Liegt einer der in § 6 Abs 1 GVG 1983 - demonstrativ - genannten Fälle vor, bedarf es im einzelnen Fall keiner näheren Prüfung der Interessenlage, weil ein Widerspruch zu den durch § 4 Abs 1 leg.cit. geschützten Interessen von Gesetzes wegen angenommen wird und zur Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung führen muß (vgl. VfSlg. 13101/1992, ).
2.1. Der angefochtene Bescheid stützt sich vor allem auf § 4 Abs 1 und § 6 Abs 1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983, wonach einem Rechtserwerb im Sinne des § 3 Abs 1 leg.cit. insbesondere nicht zustimmen ist, wenn zu besorgen ist, daß Grundstücke jemandem zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden, der sie nicht selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften wird. Gegen diese Bestimmungen bringt die Beschwerde keine verfassungsrechtlichen Bedenken vor; auch beim Verfassungsgerichtshof sind solche aus Anlaß dieser Beschwerde nicht entstanden (vgl. zuletzt etwa VfSlg. 12901/1991, 12984/1992).
2.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften ist es ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführerin wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde.
3.1. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur dann verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellenden Fehler begangen hätte (vgl. etwa VfSlg. 10370/1985, 10482/1985, 11470/1987, 11635/1988). Auch eine denkunmögliche Würdigung des Sachverhaltes ist einer derartigen Gesetzlosigkeit gleichzuhalten (s. VfSlg. 12901/1991).
3.2. Das ist hier nicht der Fall:
3.2.1. Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof - wie schon im vorangegangenen Verwaltungsverfahren - vor, daß sie und ihr Ehemann in den Betrieben ihres Schwiegervaters mitarbeiteten. Dieser sei Eigentümer zweier Hotelbetriebe, eines Appartementhauses sowie eines Landwirtschaftsbetriebes; die Beschwerdeführerin wohne mit ihrer Familie in Pertisau und beabsichtige, von ihrem Wohnort aus ihren landwirtschaftlichen Betrieb in Radfeld mit Hilfe ihres Ehemannes "selbst" zu bewirtschaften. Das vorliegende landwirtschaftliche Grundstück sei gerade zur Aufstockung ihres Betriebes gekauft worden und es sei beabsichtigt, weitere landwirtschaftliche Grundstücke in dessen Nahbereich zuzukaufen, um eine entsprechende Existenzbasis zu schaffen. Eine Selbstbewirtschaftung könne umso weniger in Zweifel gezogen werden, als ihre Familie seit Generationen mit bestem wirtschaftlichen Erfolg landwirtschaftliche Betriebe führe und für ihre Sachkunde bekannt sei.
3.2.2. Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist es in den durch das GVG 1983 zu schützenden öffentlichen Interessen gelegen, daß die im Rahmen des Grundverkehrs erworbenen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke vom Erwerber selbst bewirtschaftet werden (VfSlg. 7927/1976, 8245/1978, 8518/1979, 10814/1986). Verfassungsrechtlich unbedenklich ist in diesem Zusammenhang die Ansicht der belangten Behörde, zur Selbstbewirtschaftung sei grundsätzlich die persönliche Anwesenheit des Erwerbers erforderlich, weil nur so die für die Bewirtschaftung eines Hofes notwendigen Arbeiten verrichtet und die Anordnungen vom Hofbetreiber persönlich getroffen werden können und er nur so deren Einhaltung auch selbst überwachen kann, wofür ein nahezu täglicher Aufenthalt am Hof erforderlich ist (vgl. zB VfSlg. 12348/1990, 12984/1992).
3.3. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde dem § 6 Abs 1 litc GVG 1983 keinen denkunmöglichen Inhalt unterstellt, wenn sie aus der beruflichen Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin in den Betrieben ihres Schwiegervaters in Pertisau und aus dem Umstand, daß sie den schon ihr gehörenden landwirtschaftlichen Betrieb nicht selbst bewirtschaftet, ableitete, daß eine Selbstbewirtschaftung des Betriebes in Radfeld durch sie nicht gesichert sei. Sie konnte diese ihre Prognoseentscheidung in nicht zu beanstandender Weise auf das bisherige Verhalten und die Aussagen der Beschwerdeführerin stützen.
3.4. Die Beschwerdeführerin wurde somit nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
4.1. Dem Beschwerdevorwurf der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs ist entgegenzuhalten, daß sich das durch Art 6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht, Liegenschaften zu erwerben und über diese frei zu verfügen, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl. zuletzt etwa VfSlg. 10896/1986, 12984/1992, 12985/1992), nur gegen jene historischen Beschränkungen richtet, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Kreise bestanden haben. Art 6 StGG verbietet es, eine bevorrechtete Klasse der Landwirte dadurch zu schaffen, daß ihnen ohne Rücksicht darauf, ob es die nach dem Gesetz zu schützenden Grundverkehrsinteressen erfordern, nur deswegen, weil sie bereits Landwirte sind, gegenüber Personen, auf die dieses Kriterium nicht zutrifft, das vorzugsweise oder gar ausschließliche Recht eingeräumt wird, landwirtschaftlichen Grundbesitz zu erwerben (vgl. VfSlg. 11411/1987, 11516/1987, 12984/1992).
Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie die Grundverkehrsgesetze enthalten, werden dadurch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa VfSlg. 10744/1986, 10902/1986, 12985/1992).
4.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Entscheidung, daß der Rechtserwerb § 6 Abs 1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983 widerspreche, nicht getroffen, um den Erwerb des in Rede stehenden landwirtschaftlichen Grundstückes durch die Beschwerdeführerin zugunsten eines Landwirtes, der dieses Grundstück zu erwerben beabsichtigt, zu verhindern. Vielmehr erfolgte diese Entscheidung unter dem Gesichtspunkt grundverkehrsbehördlicher Interessen deshalb, weil nach Ansicht der belangten Behörde die in den genannten Regelungen des GVG 1983 umschriebenen Voraussetzungen nicht vorlagen.
4.3. Die Beschwerdeführerin wurde deshalb nicht im bezogenen Grundrecht verletzt.
5.1. Was schließlich den Beschwerdevorwurf der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsausübung betrifft, ist diesem zu erwidern, daß dieses nur verletzt werden kann, wenn die Behörde den Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit gesetzlos (in denkunmöglicher Anwendung eines Gesetzes) oder auf Grund eines verfassungswidrigen Gesetzes untersagt. Art 6 StGG gewährt jedoch keinen Schutz gegen Amtshandlungen, die die Erwerbstätigkeit nicht unmittelbar betreffen, mögen auch die Nebenwirkungen mittelbar die Erwerbstätigkeit verhindern; die Erwerbsfreiheit wird sohin nicht verletzt, wenn der Verwaltungsakt die Realisierung einer bestimmten Erwerbsbetätigung lediglich faktisch verhindert (vgl. VfSlg. 11516/1987, 11705/1988, ).
5.2. Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zum Rechtsgeschäft war - was die Beschwerde auch gar nicht behauptet - offenkundig nicht unmittelbar gegen die Erwerbsbetätigung der Beschwerdeführerin gerichtet.
5.3. Die Beschwerdeführerin ist daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Erwerbsausübung nicht verletzt worden.
6. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in einem von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.
7. Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.
III. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4, erster Satz, und Z 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.