OGH vom 30.10.2018, 9Ob73/18b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** s.r.o., *****, vertreten durch Advokatska kancelaria Jakubcova a partneri s.r.o., Rechtsanwälte in 85101 Bratislava, Slowakei, und Mag. Andreas Hämmerle, Rechtsanwalt in Schladming, gegen die beklagte Partei St***** GmbH *****, vertreten durch die Stolz Rechtsanwalts- GmbH in Radstadt, wegen 5.984 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 69/18s-24, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Schladming vom , GZ 2 C 83/15g-21, als nichtig aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin beantragte beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien die Erlassung eines Europäischen Zahlungsbefehls gegen die S***** GmbH. Gegen den Zahlungsbefehl wurde sowohl mittels Schriftsatzes als auch mittels angeschlossenen Formblatts Einspruch erhoben, wobei im Formblatt die St***** GmbH und im Rubrum des Schriftsatzes die S***** GmbH genannt wurde. Laut dem Vermerk am Ende des Schriftsatzes wurde dieser jedoch namens der St***** GmbH eingebracht. Geltend gemacht wurde mangelnde Passivlegitimation.
In der Folge beantragte die Klägerin die Durchführung des ordentlichen Verfahrens beim Bezirksgericht Schladming. Zugleich führte sie aus, „da sich die angeführte Beklagte für nicht passiv legitimiert halte, sei es notwendig, dass sie vom Verfahren zurücktrete und an ihrer Stelle die St***** GmbH eintrete“.
Anlässlich der Tagsatzung beim Bezirksgericht Schladming wurde die Frage der Passivlegitimation erörtert. Die Klägerin brachte dazu vor, dass der Klagsbetrag aus einem Vertrag vom mit der S***** GmbH resultiere, weshalb die richtige Partei geklagt worden sei. Die Parteien vereinbarten in dieser Tagsatzung einfaches Ruhen des Verfahrens.
Am stellte die St***** GmbH einen Fortsetzungsantrag, in dem sie sich als Beklagte bezeichnete. Bei der Tagsatzung am erklärte der Beklagtenvertreter jedoch, dass sich die S***** GmbH als Beklagte betrachte.
Mit Entscheidung vom berichtigte das Erstgericht unter Punkt I. die Bezeichnung der Beklagten auf St***** GmbH. Zu Punkt II. sprach es aus, dass die Klagsforderung mit 5.984 EUR zu Recht, die Gegenforderung nicht zu Recht besteht, und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 5.984 EUR sA.
Wenn aus dem gesamten Inhalt der Klage in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar sei, wen der Kläger in Anspruch nehmen wolle, könne eine Berichtigung der Parteienbezeichnung auch dann erfolgen, wenn es zu einem Parteienwechsel komme. Im vorliegenden Fall habe die S***** GmbH aufgrund der Gesamtumstände ihre Nennung im Antrag auf Erlassung eines Zahlungsbefehls als offenbar irrig erkennen müssen, weshalb eine Berichtigung möglich sei.
Der geltend gemachte Anspruch bestehe gegen die Beklagte zu Recht und sei nicht verjährt. Hinsichtlich der Gegenforderung fehle es schon an der Sachlegitimation der Klägerin.
Aus Anlass der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der (nunmehrigen) Beklagten St***** GmbH hob das Berufungsgericht das Urteil als nichtig auf, erklärte das gegen die S***** GmbH geführte Verfahren für nichtig und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung zurück an das Erstgericht. Die Kosten des für nichtig erklärten Verfahrens wurden gegeneinander aufgehoben sowie ausgesprochen, dass die Kosten des Berufungsverfahrens weitere Verfahrenskosten bilden.
Das Berufungsgericht ging davon aus, dass die Berichtigung der Parteienbezeichnung durch das Erstgericht nicht bekämpft worden sei. Da aber durch den Antrag auf Erlassung eines Europäischen Zahlungsbefehls die S***** GmbH in das Verfahren als Quasipartei einbezogen worden sei, seien die ihr gegenüber gesetzten Prozesshandlungen aufgrund der rechtskräftigen Berichtigung auf die St***** GmbH nichtig. Die nunmehr einbezogene Partei sei aber bisher am Verfahren nicht beteiligt gewesen und müsse das unter Verletzung ihres rechtlichen Gehörs geführte Verfahren nicht gegen sich gelten lassen. Dieses sei daher für nichtig zu erklären.
Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil nach älterer Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Erhebung der Berufung noch anfechtbare Beschlüsse von Amts wegen zu überprüfen seien.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten St***** GmbH mit dem Antrag, den Beschluss dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zur Klarstellung zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1. Nach § 462 Abs 2 ZPO hat das Berufungsgericht nicht nur das angefochtene Urteil, sondern auch alle Beschlüsse des Erstgerichts zu überprüfen, die in dem dem Urteil vorangegangen Verfahren ergangen sind, sofern nicht deren Anfechtung nach dem Gesetze ausgeschlossen ist oder dieselben infolge Unterlassung der rechtzeitigen Rüge (§ 196 ZPO), des Rekurses oder durch die über den eingebrachten Rekurs ergangene Entscheidung unabänderlich geworden sind.
2. Richtig weist die Beklagte darauf hin, dass sie sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts in ihrer Berufung auch gegen die Berichtigung der Parteienbezeichnung gewendet hat. Dass sie nicht formal einen als solchen bezeichneten Rekurs erhoben hat, ist dabei nicht von Relevanz. Die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels oder seiner Gründe ist unbeachtlich, solange nur das Begehren deutlich erkennbar ist (RIS-Justiz RS0036258).
In ihrem Punkt 2.2. wendet sich die Berufung ausdrücklich gegen die Berichtigung der Parteienbezeichnung und legt dar, warum ihrer Ansicht nach die Entscheidung des Erstgerichts darüber unrichtig ist. Diese Ausführungen enden damit, dass das Erstgericht „nicht davon ausgehen könnte, dass die eingebrachte Klage auf die St***** GmbH umzustellen gewesen wäre“.
Die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach der Beschluss über die Änderung der Parteienbezeichnung unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, ist daher nicht überzeugend. Vielmehr ist nach den inhaltlichen Ausführungen und dem Hinweis auf die Unrichtigkeit des „Umstellens“ der Parteienbezeichnung von der Erhebung eines Rekurses im Rahmen der Berufung auszugehen. Auf die vom Berufungsgericht in seinem Zulassungsausspruch aufgeworfene Frage einer amtswegigen Prüfung kommt es im vorliegenden Fall nicht an.
3. Die Erledigung dieses Rekurses wäre aber notwendige Voraussetzung für die Erledigung der Berufung gewesen. Die Nichtbehandlung des Rekurses zieht somit einen relevanten Mangel des Berufungsverfahrens nach sich.
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungs- und Rekursgericht zurückzuverweisen.
4. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00073.18B.1030.000 |
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