OGH vom 27.11.2014, 9Ob73/14x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers N***** M*****, vertreten durch Dr. Gabriele Schubert, Rechtsanwältin in Baden, gegen die Antragsgegnerin mj A***** D*****, vertreten durch Ehrenhöfer Häusler Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, wegen Abstammung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 16 R 83/14s 19, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung:
1. Die am ***** 7. 2011 geborene Antragsgegnerin ist die eheliche Tochter von A***** und M***** D*****, die seit 2005 verheiratet sind und die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren vertreten. Der Antrag des Antragstellers auf Feststellung seiner Vaterschaft wurde von den Vorinstanzen zurückgewiesen, weil ihm nach dem hier unstrittig anwendbaren rumänischen Recht keine Antragslegitimation zukomme.
Rechtliche Beurteilung
In seinem dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Antragsteller keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG auf.
2. Der Antragsteller bestreitet nicht, dass die Feststellung der Vaterschaft hier noch nach Art 54 des rumänischen Familiengesetzbuchs (FGB) zu beurteilen ist, weil die neuen Bestimmungen des zum in Kraft getretenen rumänischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) nur dann anzuwenden sind, wenn das Kind nach Inkrafttreten des ZGB geboren wurde. Letzteres ist nicht der Fall.
3. Nach Art 54 FGB idF des Gesetzes 288/2007 kann eine Vaterschaftsanfechtungsklage durch jeden der beiden Eheleute sowie durch das Kind erhoben und von den Erben weiterverfolgt werden. Nach klarer Rechtslage kommt dem Antragsteller damit keine Antragslegitimation zu.
4. Entgegen der Ansicht des Antragstellers widerspricht diese Regelung nicht den von der Vorbehaltsklausel (ordre public) des § 6 IPRG geschützten Grundwerten des österreichischen Rechts, denn mit § 147 Abs 2 ABGB idF BGBl I Nr 2013/15 (davor: § 163e ABGB) besteht selbst nach österreichischem Recht ein gesetzgeberischer Schutz gegen ein „Hineindrängen des biologischen Vaters“ in den sozialen Familienverband (s Hopf in KBB 4 § 147 Rz 2 unter Verweis auf RV 471 BlgNR 22. GP). Insofern bestehen auch unter dem Gesichtspunkt des Art 8 EMRK für Fälle, in denen ein Kind in die soziale Familie eingebettet ist, keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 163b (§ 163e) ABGB (1 Ob 98/07d = RIS Justiz RS0122236).
5. Auch nach der Rechtsprechung des EGMR verpflichtet Art 8 EMRK die Mitgliedstaaten zwar zu prüfen, ob es im Kindeswohl geboten ist, dem biologischen Vater eine Beziehung zu seinem Kind zu erlauben, was die Feststellung der biologischen Vaterschaft im Umgangsverfahren einschließen kann. Dies umfasst aber nicht zwingend eine Verpflichtung, dem biologischen Vater zu erlauben, den Status des rechtlichen Vaters anzufechten oder eine eigene Klage zur Feststellung der biologischen Vaterschaft vorzusehen (Erkenntnis vom , Bsw 23338/09, Bsw 45071/09; s RIS Justiz RS0129588). Angesichts der dem EGMR vorliegenden Fälle, in denen sich die rechtliche Vaterschaft des Partners bzw Ehemanns der Mutter mit dessen tatsächlicher Rolle als sozialem Vater des Kindes deckte, erkannte der Gerichtshof in Abgrenzung zu Informations- und Kontaktrechten des biologischen Vaters ausdrücklich, dass die Entscheidung, ob es dem biologischen Vater erlaubt sein soll, die Vaterschaft unter Umständen wie jenen der vorliegenden Fälle anzufechten, in den Ermessensspielraum des Staates fällt.
6. Den gegen die Anwendbarkeit von Art 53 FGB ins Treffen geführten Argumenten des Antragstellers ist damit nicht zu folgen.
7. Das für die sachlichen Voraussetzungen maßgebliche Sachrecht bei Vaterschaftsanerkenntnissen entscheidet auch über die Folgen fehlender Voraussetzungen, gleichviel ob sie die Unwirksamkeit oder bloße Anfechtungsmöglichkeiten nach sich ziehen (RIS Justiz RS0076594).
Ausgehend davon, dass dem Antragsteller nach der hier anzuwendenden rumänischen Rechtslage von vornherein kein Antragsrecht zustand, war das Rekursgericht zutreffend der Ansicht, dass sich Fragen der Wirksamkeit der Vertretung der Antragsgegnerin hier nicht stellen. Damit geht aber auch das Vorbringen des Antragstellers, dass der Antragsgegnerin bei sonstiger Nichtigkeit des Verfahrens ein Kollisionskurator bzw der Kinder- und Jugendhilfeträger (§ 147 Abs 4 ABGB) zu bestellen gewesen wäre, ins Leere.
8. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0090OB00073.14X.1127.000