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VfGH vom 23.06.1994, B2019/93

VfGH vom 23.06.1994, B2019/93

Sammlungsnummer

13806

Leitsatz

Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit und im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft; kein unverzügliches Inkenntnissetzen des Beschwerdeführers von der weiteren Aufrechterhaltung der Schubhaft; keine umfassende Prüfung der Frage der Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Insoweit sowie hinsichtlich des Spruchpunktes 3. wird der Bescheid aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit S 15.000,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

II. Hinsichtlich des Spruchpunktes 2. des angefochtenen Bescheides wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Abstammung, reiste im April 1991 nach Österreich ein und suchte um Asyl an. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom rechtskräftig abgewiesen.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Krems an der Donau vom wurde über ihn gemäß § 41 Abs 1 des Fremdengesetzes, BGBl. 838/1992 (im folgenden: FrG), die Schubhaft zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Dieser Bescheid wurde sogleich vollzogen. Mit Bescheid der genannten Behörde vom wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 18 iVm.

§21 FrG ein befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, welches die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich mit Berufungsbescheid vom bestätigte.

Unter dem - beim Magistrat der Stadt Krems an der Donau am nächsten Tag eingelangt - stellte der Beschwerdeführer einen Antrag gemäß § 54 FrG auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung in die Türkei. Am wurde er auf Grund eines Ersuchens des Magistrates der Stadt Krems an der Donau vom durch ein Organ der Bundespolizeidirektion Wien niederschriftlich davon in Kenntnis gesetzt, daß die Schubhaft gemäß § 48 Abs 4 FrG spätestens bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung über den Antrag gemäß § 54 FrG, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate, aufrechterhalten wird. Der Antrag gemäß § 54 FrG wurde vom Magistrat der Stadt Krems an der Donau mit Bescheid vom abgewiesen, wogegen der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung erhob.

Unter dem - beim unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich am eingelangt - erhob der Beschwerdeführer gemäß § 51 FrG Beschwerde gegen seine Anhaltung in Schubhaft.

2. Der angerufene unabhängige Verwaltungssenat erledigte diese Beschwerde mit Bescheid vom wie folgt:

"1. Die Beschwerde wird gemäß § 67 c Abs 3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in Verbindung mit § 52 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen.

2. Gemäß § 52 Abs 4 erster Satz FrG wird festgestellt, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

3. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 79 a AVG in Verbindung mit § 52 Abs 2 FrG abgewiesen."

Zur Frage, ob das Inkenntnissetzen des Beschwerdeführers gemäß § 48 Abs 5 FrG unverzüglich erfolgte, führt der unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus:

"Die gemäß § 48 Abs 5 FrG erforderliche niederschriftliche Information über die Aufrechterhaltung der Schubhaft über den Zeitraum von zwei Monaten hinaus (§48 Abs 2 zweiter Satz FrG) erfolgte am . Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob dieser Verfahrensschritt dem gesetzlichen Gebot der Unverzüglichkeit (§48 Abs 5 FrG) entsprochen hat, weil die 2-Monatsfrist bereits am geendet hatte. Hiezu wird grundsätzlich bemerkt, daß die belangte Behörde bereits am (Einbringung eines Antrages gemäß § 54 FrG) damit rechnen mußte, daß - für den Fall der Notwendigkeit einer weiteren Anhaltung - die 2-Monatsfrist nicht ausreichen wird. Da der fremdenpolizeiliche Akt keinerlei Anhaltspunkte dafür bietet, daß ein Hinderungsgrund für eine niederschriftliche Information spätestens am Tag des Ablaufes der 2-Monatsfrist - allenfalls am darauffolgenden Tag, also spätestens am - vorlag, erfolgte diese Maßnahme nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ nicht unverzüglich. Allerdings ist daraus für das Beschwerdevorbringen aus folgenden Gründen nichts zu gewinnen:

1. Es handelt sich lediglich um einen Vorgang, im Rahmen dessen der Fremde über den Sachverhalt der weiteren Anhaltung in Kenntnis gesetzt wird, es bedarf keiner Bescheiderlassung und es gibt gegen die Information selbst kein Rechtsmittel. Auch bieten weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialien einen Anhaltspunkt dafür, daß die Schubhaft allein deshalb, weil die Niederschrift nicht unverzüglich aufgenommen wurde, automatisch rechtswidrig wird. Der Fremde erfährt hiedurch auch keine prozessuale Beeinträchtigung, weil es ausreicht, wenn er in einer allfälligen Schubhaftbeschwerde die Rechtswidrigkeit seiner weiteren Anhaltung mit dem Hinweis darauf behauptet, es sei keiner der 'Verlängerungstatbestände' des § 48 Abs 4 FrG verwirklicht.

2. Entscheidungsrelevant war für den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ vor allem, daß der Beschwerdeführer am fünften Tag nach Ablauf der 2-Monatsfrist niederschriftlich über die weitere Anhaltung in Kenntnis gesetzt und der Mangel dadurch geheilt wurde.

Da somit zum Zeitpunkt der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ ein vollstreckbarer Schubhaftbescheid vorlag, und auch die Information über die Ausdehnung der Schubhaft - wenngleich etwas verspätet - erfolgte, sind die formellen Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gegeben."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird. Begründend führt der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, der unabhängige Verwaltungssenat hätte die Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei prüfen müssen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich als belangte Behörde dieses verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher er den angefochtenen Bescheid verteidigt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Auf Einladung des Verfassungsgerichtshofes hat die belangte Behörde insbesondere zu der Frage Stellung genommen, auf welche gesetzliche Bestimmung die in der Begründung des angefochtenen Bescheides vertretene Auffassung gestützt werden könnte, ein gesetzwidriges Vorgehen der Behörde (nicht rechtzeitige Information des Beschwerdeführers) werde durch verspätetes Nachholen des Inkenntnissetzens "geheilt":

"Ausgehend vom Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. G346/91 u.a., wonach zwar einerseits der unabhängige Verwaltungssenat jede Rechtswidrigkeit aufzugreifen hat, andererseits aber maßgeblicher Zeitpunkt - im vorliegenden Fall - der Zeitpunkt der Bescheiderlassung ist, ging der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ davon aus, daß der Mangel zum Prüfungszeitpunkt nicht mehr vorlag, weil die niederschriftliche Information bereits erfolgt war und somit alle Voraussetzungen für die weitere Anhaltung vorlagen. Abgesehen davon, daß die im gegenständlichen Fall am fünften Tag nach Ablauf der 2-Monatsfrist erfolgte niederschriftliche Einvernahme vor allem im Hinblick darauf, daß sie nicht am Sitz der belangten Behörde (also in Krems), sondern in Wien stattfand, noch als 'unverzüglich' (§48 Abs 5 FrG) angesehen werden könnte und schon deshalb eher zumindest kein Eingriff in die Verfassungssphäre vorliegen dürfte, stellt sich insbesonders die Frage nach der rechtlichen Bedeutung dieses Aktes.

Gemäß § 48 Abs 4 Z 1 FrG kann die Schubhaft dann, wenn ein Fremder nur deshalb nicht abgeschoben werden darf, weil (wie im anhängigen Verfahren) über einen Antrag gemäß § 54 FrG noch nicht rechtskräftig entschieden ist, länger als zwei Monate aufrechterhalten werden. Der Fremde ist hievon unverzüglich niederschriftlich in Kenntnis zu setzen.

Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ berechtigt bereits § 48 Abs 4 Z 1 FrG die Behörde bei Vorliegen der darin normierten Voraussetzungen die Schubhaft weiter aufrechtzuerhalten. Eine Säumnis im Hinblick auf die in § 48 Abs 5 FrG festgelegte Verpflichtung, an deren Verletzung der Gesetzgeber keinerlei Sanktion knüpft, zieht keine Rechtswidrigkeit der weiteren Anhaltung nach sich (wohl aber wären etwa strafrechtliche Folgen denkbar, z.B. im Falle des Vorliegens eines Mißbrauches der Amtsgewalt).

Die Maßnahme nach § 48 Abs 5 FrG hat ausschließlich informativen Charakter, es ist keinerlei normativer Akt mit der Möglichkeit, dagegen ein Rechtsmittel einzulegen, damit verbunden. Die durch das Fremdengesetz neu geschaffene Rechtslage unterscheidet sich somit gravierend von der des früheren Fremdenpolizeigesetzes, wo die 'Verlängerung' bescheidmäßig verfügt werden mußte.

Wesentlich erscheint dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ in diesem Zusammenhang auch, daß der Gesetzgeber nunmehr sogar der einzigen der Schubhaft zugrundeliegenden Norm, nämlich dem Schubhaftbescheid, nicht mehr dieselbe Bedeutung wie unter dem Regime des Fremdenpolizeigesetzes zumißt. Nicht nur, daß sich die Behörde zunächst mit einem Festnahmeauftrag begnügen kann, ist für die Bescheiderlassung selbst im Regelfall das Mandatsverfahren vorgesehen. Die Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft hängt nicht mehr davon ab, ob dem Freiheitsentzug ein vollstreckbarer Schubhaftbescheid zugrundeliegt. Selbst wenn kein Bescheid erlassen wurde, kann die Anhaltung rechtmäßig sein; ausschlaggebend ist lediglich, ob die für deren Fortsetzung maßgeblichen materiellen Voraussetzungen vorliegen oder nicht. In diese Richtung deuten jedenfalls die Gesetzesmaterialien (RV 692 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XVIII.GP 54): 'Anders liegen die Dinge, wenn die Anhaltung noch andauert (Anm.: war im anhängigen Verfahren der Fall). In diesen Fällen hat der unabhängige Verwaltungssenat (§52 Abs 4) zunächst und vor allem festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Diese Entscheidung erfolgt grundsätzlich völlig unabhängig davon, ob zu einem früheren Zeitpunkt eine Rechtswidrigkeit vorgelegen ist oder nicht. Im Extremfall legitimiert der unabhängige Verwaltungssenat damit eine Haft, die bis dahin mangels vollstreckbaren Schubhaftbescheides rechtswidrig war.' Aus dieser Sicht erscheint es dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ legitim, der niederschriftlichen Information des Fremden keinen höheren Stellenwert als dem Schubhaftbescheid einzuräumen und die Anhaltung auch bei einer verspäteten Aufnahme der Niederschrift als rechtmäßig anzusehen, wenn die materiellen Voraussetzungen für die weitere Anhaltung vorliegen. Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ führt jedenfalls nicht jede unterlaufene Rechtswidrigkeit automatisch zur Rechtswidrigkeit des Freiheitsentzuges, dies gilt insbesondere für die Zeit ab Erlassung des neuen Titelbescheides durch den unabhängigen Verwaltungssenat.

Doch selbst wenn die vom Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte Meinung verfehlt sein sollte, ist dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ seiner Ansicht nach kein Eingriff in die Verfassungssphäre vorzuwerfen, weil er sich in seinem Bescheid immerhin einer Interpretation angeschlossen hat, welche vom Gesetzgeber selbst vorgenommen wurde und mit dem Wortlaut des Gesetzestextes nicht offenkundig im Widerspruch steht.

Im gegenständlichen Verfahren kommt noch hinzu, daß die niederschriftliche Einvernahme bereits vor der Einbringung der Schubhaftbeschwerde stattgefunden hatte, sodaß der Fremde in seinen Rechtsverfolgungsmöglichkeiten keinesfalls beeinträchtigt war. Überdies haben die unabhängigen Verwaltungssenate ohnedies von sich aus alle materiellen Rechtswidrigkeiten einer Anhaltung in Schubhaft aufzugreifen und gegebenenfalls festzustellen, daß die Voraussetzungen für deren Aufrechterhaltung nicht vorliegen."

In einem weiteren Schriftsatz verweist die belangte Behörde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 96 Abs 8 StVO 1960, wonach die Nichtanzeige einer Radarmessung keinerlei Einfluß auf die Rechtsposition im Verwaltungsstrafverfahren habe.

5. Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik, in welcher er der Gegenschrift der belangten Behörde entgegentritt und seine Rechtsansicht bekräftigt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige -

Beschwerde erwogen:

A. Zu den Spruchpunkten 1. und 3. des angefochtenen

Bescheides:

Der Beschwerdeführer wurde durch Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt:

1.1. Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde - wie hier des unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich -, mit dem darüber entschieden wird, ob eine Festnahme oder Anhaltung einer Person rechtmäßig war oder ist, verletzt das durch Art 1 ff. des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 684/1988 (im folgenden: BVG persFr.), und durch Art 5 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit), wenn er gegen die verfassungsgesetzlich festgelegten Erfordernisse der Festnahme bzw. Anhaltung verstößt, wenn er in Anwendung eines verfassungswidrigen, insbesondere den genannten Verfassungsvorschriften widersprechenden Gesetzes, wenn er gesetzlos oder in denkunmöglicher Anwendung einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Rechtsgrundlage ergangen ist, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre ().

1.2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985, 11405/1987).

2. § 48 FrG lautet:

"Dauer der Schubhaft

§48. (1) Die Behörde ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

(2) Die Schubhaft darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs 4 insgesamt nicht länger als 2 Monate dauern.

(3) Wird ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(4) Kann oder darf ein Fremder nur deshalb nicht abgeschoben werden,


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1.
weil über einen Antrag gemäß § 54 noch nicht rechtskräftig entschieden ist oder
2.
weil er an der Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht im erforderlichen Ausmaß mitwirkt oder
3.
weil er die für die Einreise erforderliche
Bewilligung eines anderen Staates nicht besitzt,

so kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung (Z1), nach Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit (Z2) oder nach Einlangen der Bewilligung bei der Behörde (Z3), insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden.

(5) Die Behörde hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich niederschriftlich in Kenntnis zu setzen."

3.1. Da sich der angefochtene Bescheid auf die genannte Bestimmung iVm. § 52 FrG und §§67c Abs 3 sowie 79a AVG stützt, ist er nicht gesetzlos ergangen.

Bedenken gegen diese gesetzlichen Grundlagen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen und sind auch aus Anlaß dieses verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens beim Verfassungsgerichtshof auf Grund folgender Erwägungen nicht entstanden:

Gemäß Art 1 Abs 3 BVG persFr. darf der Entzug der persönlichen Freiheit nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. § 48 Abs 1 FrG verpflichtet die Behörde, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauert; sie darf gemäß § 48 Abs 2 leg.cit. außer in den Fällen des Abs 4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern. § 48 Abs 5 FrG ordnet an, daß die Behörde einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich niederschriftlich in Kenntnis zu setzen hat.

Das FrG beschränkt also die höchstzulässige Dauer der Schubhaft für den Regelfall mit höchstens zwei Monaten; nur in den Fällen des Abs 4 (s. dazu den Wortlaut dieser Vorschrift oben II.A.2.) darf die Schubhaft länger, jedoch nicht mehr als sechs Monate aufrechterhalten werden. Ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, hängt vom Einzelfall ab.

Der unabhängige Verwaltungssenat kann mit Beschwerde gemäß § 51 FrG nicht nur mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der Festnahme, sondern auch mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der - weiteren - Anhaltung angerufen werden. In der Schubhaftbeschwerde kann u.a. auch geltend gemacht werden, die Voraussetzungen für die Anhaltung der Schubhaft über zwei Monate hinaus lägen nicht vor.

Damit ist dem Rechtsschutzsystem der Bundesverfassung, wie es in den Art 129 ff. B-VG generell institutionalisiert und in Art 6 BVG persFr. für den hier maßgeblichen Bereich speziell ausgeprägt ist, entsprochen.

3.2. Der Beschwerdeführer hat weiters nicht vorgebracht, daß der angefochtene Bescheid gegen die verfassungsgesetzlich festgelegten Erfordernisse der Festnahme bzw. Anhaltung verstoße. Solches ist auch im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht hervorgekommen.

3.3. Die belangte Behörde hat aber einen so schweren Fehler begangen, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf ein Stufe zu stellen ist:

3.3.1. Der Beschwerdeführer wurde am in Schubhaft genommen. Die Schubhaft darf gemäß § 48 Abs 2 FrG außer in den Fällen des Abs 4 nicht länger als zwei Monate dauern und konnte daher längstens bis aufrechterhalten werden. Der Beschwerdeführer stellte am einen Antrag gemäß § 54 FrG auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in die Türkei. Er wurde jedoch erst am , also fünf Tage nach Ablauf der Frist von zwei Monaten, gemäß § 48 Abs 5 FrG darüber in Kenntnis gesetzt, daß er aus dem Grunde des § 48 Abs 4 Z 1 FrG weiter angehalten wird.

3.3.2. Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, daß dieser Mangel zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht mehr vorlag, weil die niederschriftliche Information des Beschwerdeführers bereits erfolgt war und somit alle Voraussetzungen für die weitere Anhaltung vorlagen. Nicht jede unterlaufene Rechtswidrigkeit führe automatisch zur Rechtswidrigkeit des Freiheitsentzuges. Das Inkenntnissetzen nach § 48 Abs 5 FrG sei kein normativer Akt und habe ausschließlich informativen Charakter.

3.3.3. Der Verfassungsgerichtshof vermag sich dieser Auffassung der belangten Behörde im Ergebnis nicht anzuschließen:

Die belangte Behörde führt in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend und mit der Aktenlage übereinstimmend aus, daß im vorliegenden Fall das Inkenntnissetzen des Beschwerdeführers gemäß § 48 Abs 5 FrG nicht unverzüglich erfolgte. Darin liegt auch nach Ansicht der belangten Behörde eine Rechtswidrigkeit.

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem zum Fremdenpolizeigesetz, BGBl. 75/1954, ergangenen Erkenntnis VfSlg. 13039/1992 dargetan hat, hat der unabhängige Verwaltungssenat die Frage der (formellen wie materiellen) Rechtmäßigkeit der Anhaltung (im Zeitpunkt seiner Entscheidung, gegebenenfalls im Zeitpunkt unmittelbar vor der Freilassung) nach jeder Richtung hin selbständig zu untersuchen und jedwede unterlaufene Gesetzwidrigkeit, also nicht etwa nur qualifiziert rechtswidriges behördliches Handeln, festzustellen und aufzugreifen. Diese Erwägungen gelten grundsätzlich auch für das FrG. Die belangte Behörde hätte die oben dargelegte Rechtswidrigkeit daher aufgreifen müssen.

Sie hat dies indes mit der Begründung nicht getan, daß der Mangel durch das verspätete Inkenntnissetzen "geheilt" sei. Diese Auffassung der belangten Behörde vermag sich aber auf keine gesetzliche Grundlage zu stützen, weil das FrG - insbesondere dessen § 48 Abs 5 - eine solche "Heilung" nicht vorsieht. Die Schubhaft wird auch nicht dadurch rechtmäßig, daß die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als neuer Titelbescheid wirkt (VfSlg. 13039/1992), weil dadurch nur die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates, nicht aber die Schubhaft vor diesem Zeitpunkt legitimiert wird.

Mag zwar auch die Auffassung der belangten Behörde zutreffen, daß die "niederschriftliche Information" des Fremden darüber, daß die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft über zwei Monate hinaus vorliegen, als solche nicht rechtsförmlich bekämpfbar sei, ist doch, wie dargetan (II.A.3.1.), die Aufrechterhaltung der Schubhaft vor dem unabhängigen Verwaltungssenat bekämpfbar, und zwar auch mit der Behauptung, daß die Fremdenpolizeibehörde ihrer Informationspflicht nicht bzw. nicht rechtzeitig nachgekommen ist.

Erst durch die "niederschriftliche Information" gelangt der Fremde in Kenntnis des Umstandes, daß eine Ausdehnung der Schubhaft über zwei Monate hinaus droht und erst auf Grund dessen kann er vernünftigerweise dagegen Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat erheben. Die Entscheidung des Gesetzgebers, daß der Fremde von der Verlängerung der Schubhaft über zwei Monate hinaus unverzüglich "niederschriftlich in Kenntnis zu setzen" ist, führt also entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht dazu, daß dieses Inkenntnissetzen verzichtbar ist. Vielmehr handelt es sich um ein wesentliches Element im Rahmen des hier gegebenen spezifischen Rechtsschutzsystems.

(Unter diesem Blickwinkel geht auch der Hinweis der belangten Behörde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 96 Abs 8 StVO 1960 (Nichtanzeige einer Radarmessung) an der Sache völlig vorbei.)

In einem geordneten Fremdenpolizeiwesen ergibt sich daraus zwingend, daß unter "unverzüglich" in § 48 Abs 5 FrG nur ein Inkenntnissetzen des Fremden vor Ablauf der zweimonatigen Schubhaft in Betracht kommt; ob dies unverzüglich erfolgte oder nicht, ist im Einzelfall zu prüfen. Eine Information des Fremden nach Ablauf dieser Frist erweist sich immer als gesetzlos.

3.3.4. Indem die belangte Behörde dies verkannte und die Rechtmäßigkeit der Schubhaft insgesamt für die Zeit vor dem feststellte, hat sie einen so schweren Fehler begangen, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen ist.

4.1. Der Beschwerdeführer wurde durch Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt.

4.2. Ungeachtet der Formulierung des Spruchpunktes 1. des angefochtenen Bescheides verweigerte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer aber auch die ihr aufgetragene (umfassende) Prüfung der Frage der Rechtmäßigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft (so schon VfSlg. 10037/1992). Sie verweigerte insoweit dem Beschwerdeführer gesetzwidrig eine Sachentscheidung und verletzte ihn dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (VfSlg. 10037/1992, , , B364/93, , B515/93, u.a.).

4.3. Der Bescheid war daher insoweit aufzuheben.

5. Aufzuheben war aber auch der mit Spruchpunkt 1. in untrennbarem Zusammenhang stehende Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz insgesamt abgewiesen wurde.

6. Der Kostenausspruch stützt sich auf § 88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Betrag sind S 2.500,-- an Umsatzsteuer enthalten.

Die vom Beschwerdeführer für die Erstattung der Replik begehrten Kosten waren nicht zuzusprechen, da es sich um keinen abverlangten Schriftsatz handelt und die Erstattung der Gegenäußerung, die bloß Rechtsausführungen enthält, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht geboten war (VfSlg. 11491/1987).

B. Zu Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs 2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Nach den Beschwerdebehauptungen wären die gerügten Rechtsverletzungen (s. oben Pkt. I.3.) zum erheblichen Teil nur die Folge einer unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

Soweit die Beschwerde aber verfassungsrechtliche Fragen berührt, läßt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. zur Prüfungskompetenz des unabhängigen Verwaltungssenates im Verfahren gemäß §§51 f. FrG , und vom selben Tage, B671/93; s. auch , u.a.) die behaupteten Rechtsverletzungen, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, insoweit von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen (§19 Abs 3 Z 1 VerfGG).

III. Diese Entscheidung konnte

gemäß § 19 Abs 3 Z 1 und Abs 4, erster Satz, VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.