OGH vom 04.05.2011, 15Os52/10a (15Os187/10d, 15Os188/10a)
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tomecek als Schriftführerin in der Medienrechtssache des Antragstellers Siegfried K***** gegen die Antragsgegnerin Kl***** GmbH Co KG wegen §§ 6 Abs 1, 8 Abs 6 MedienG, AZ 9 Hv 133/06i des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die von der Generalprokuratur gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom , GZ 9 Hv 133/06i 32, und des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht vom , AZ 9 Bs 385/09z, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sowie über den Antrag der Antragsgegnerin auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, des Vertreters des Antragstellers Dr. Rami sowie der Vertreterin der Antragsgegnerin Mag. Murko zu Recht erkannt:
Spruch
In der Medienrechtssache des Antragstellers Siegfried K***** gegen die Antragsgegnerin Kl***** GmbH Co KG (vormals Kl***** GmbH Co KG), AZ 9 Hv 133/06i des Landesgerichts für Strafsachen Graz, verletzen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom (ON 32) und des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht vom , AZ 9 Bs 385/09z (ON 39 des Hv-Akts), in der Abweisung des (Beschwerde-)Begehrens der Antragsgegnerin auf Bestimmung der Kosten des Erneuerungsverfahrens § 390 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG.
In diesem Umfang werden die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Graz und des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht aufgehoben und es wird dem Landesgericht für Strafsachen Graz die Verfahrenserneuerung aufgetragen.
Mit ihrem Antrag auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO wird die Antragsgegnerin insoweit auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens ist über den Umfang der kassatorischen Entscheidung hinaus unbegründet.
Text
Gründe:
In der Medienrechtssache des Antragstellers Siegfried K***** gegen die Antragsgegnerin Kl***** GmbH Co KG (vormals Kl***** GmbH Co KG) wegen §§ 6 Abs 1, 8a Abs 6 MedienG, AZ 9 Hv 133/06i des Landesgerichts für Strafsachen Graz, wurden mit Urteil dieses Gerichts vom (ON 14) die Anträge des Antragstellers, der Antragsgegnerin wegen der in dem unter der Überschrift „Zwei Teile sind kein Ganzes“ und der Subüberschrift „Protokoll eines seit 15 Monaten währenden Spaltungsprozesses“ auf der Website www.kl*****.at am veröffentlichten (über das Verhältnis der FPÖ zum BZÖ berichtenden) Artikel enthaltenen Behauptung, der „blaue“ Bundesrat Siegfried K***** habe (ebenso wie John G*****) „Nazi-Sager“ von sich gegeben, was Unheil fürs BZÖ bedeutet habe, sodass H***** seinen alten Freund K***** habe disziplinieren müssen, die Zahlung einer Entschädigung nach § 6 Abs 1 MedienG und die Urteilsveröffentlichung nach § 8a Abs 6 MedienG aufzutragen, abgewiesen.
Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Antragstellers wegen Nichtigkeit gab das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht mit Urteil vom , AZ 11 Bs 203/07x (ON 21 des Hv-Akts), Folge, hob das angefochtene Urteil auf und erkannte in der Sache selbst zu Recht, dass durch die inkriminierte Textpassage der Antragsteller Ing. Siegfried K***** der Gesinnungsnähe zum Nationalsozialismus geziehen, somit in einem Medium der objektive Tatbestand der üblen Nachrede hergestellt wurde und daher der Antragsgegnerin gemäß § 6 Abs 1 MedienG die Zahlung einer Entschädigung von 4.000 Euro auferlegt und ihr gemäß § 8a Abs 6 MedienG (iVm § 34 Abs 6 MedienG) die Urteilsveröffentlichung aufgetragen werde.
Mit Urteil vom , AZ 15 Os 15/08g, 148/08s, 149/08p (ON 24 sowie 29 des Hv Akts), erkannte der Oberste Gerichtshof über die von der Generalprokuratur gegen die beiden zuvor genannten Urteile erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sowie über den ebenfalls gegen das oben genannte Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht gerichteten, innerhalb von sechs Monaten nach dessen Zustellung erhobenen und eine Verletzung in den Grundrechten auf ein faires Verfahren nach Art 6 Abs 1 MRK und auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 Abs 1 MRK behauptenden Antrag der Antragsgegnerin auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO dahin zu Recht, dass soweit hier von Interesse das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom § 474 StPO aF iVm § 489 Abs 1 StPO aF, § 258 Abs 2 und § 270 Abs 2 Z 5 StPO verletzt, dieses aufgehoben und dem Oberlandesgericht Graz die neue Verhandlung und Entscheidung aufgetragen sowie die Antragsgegnerin mit ihrem Antrag auf Erneuerung des Verfahrens auf die kassatorische Entscheidung verwiesen wurde.
Mit Urteil vom , AZ 11 Bs 203/07x (ON 26 des Hv-Akts), gab das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht (auf der Grundlage eines nach teilweiser Beweiswiederholung festgestellten Bedeutungsinhalts der inkriminierten Textpassage dahin, dass mit dem Ausdruck „Nazi-Sager“ ohne Vorwurf einer Gesinnungsnähe zu nationalsozialistischem Gedankengut bloß kontroversielle Äußerungen des Antragstellers plakativ bezeichnet wurden) der Berufung des Antragstellers (wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über die Schuld) nicht Folge und sprach aus, dass gemäß „§ 390a Abs 1 StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG“ dem Antragsteller die Kosten des gesamten Verfahrens zur Last fallen.
Mit einem am (somit binnen sechs Wochen nach dem zuvor genannten Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom ) beim Landesgericht für Strafsachen Graz eingebrachten Antrag (ON 30) begehrte die Antragsgegnerin soweit hier von Bedeutung die Bestimmung der Kosten des Erneuerungsverfahrens (in Höhe von insgesamt 2.202,19 Euro) sowie der Kosten der mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom angeordneten (und in der Zeit von 25. Oktober bis erfolgten) Urteilsveröffentlichung (in Höhe von 154.880,50 Euro auf der Grundlage des Inseratentarifs der Antragsgegnerin).
Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom (ON 32) wurde (soweit hier von Bedeutung) dieses Kostenbegehren abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass durch einen erfolglosen Erneuerungsantrag (§ 363a StPO) keine Kostenersatzpflicht entstehe und zudem ein Erneuerungsverfahren keinen Teil des bereits rechtskräftig beendeten Strafverfahrens darstelle. Ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der nach § 8a Abs 6 MedienG aufgetragenen Urteilsveröffentlichung stehe nach der (von der Antragsgegnerin relevierten) Bestimmung des § 39 Abs 1 MedienG, die einen Kostenersatz explizit nur für Veröffentlichungen einer Mitteilung nach § 8a Abs 5 MedienG oder § 37 MedienG vorsehe und damit weder unmittelbar noch analog anzuwenden sei, nicht zu.
Der dagegen erhobenen Beschwerde der Antragsgegnerin gab das Oberlandesgericht Graz als Beschwerdegericht mit Beschluss vom , AZ 9 Bs 385/09z (ON 39 des Hv-Akts), soweit hier von Relevanz mit der Begründung nicht Folge, dass der Erneuerungsantrag der Antragsgegnerin zwar nicht erfolglos geblieben sei, das Erneuerungsverfahren aber wie das Verfahren aufgrund einer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde keine Kostenersatzpflicht kenne, weil es sich hiebei nicht um ein Rechtsmittelverfahren, sondern um ein Verfahren über einen subsidiären Rechtsbehelf handle. Somit könne ein das Erneuerungsverfahren betreffender Kostenersatzanspruch der Antragsgegnerin auch nicht auf den im Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom enthaltenen Kostenausspruch gestützt werden. Auch einen die mit Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom aufgetragene Urteilsveröffentlichung betreffenden Kostenersatzanspruch der Antragsgegnerin habe das Erstgericht zu Recht verneint. Da nämlich mit der Neuregelung des Ersatzes für Veröffentlichungskosten in § 39 Abs 1 MedienG mit der Mediengesetznovelle 2005 (BGBl I 2005/49) ein über den davon ausdrücklich erfassten Anwendungsbereich (Ersatz der Veröffentlichungskosten einer Mitteilung nach § 8a Abs 5 MedienG oder § 37 MedienG) hinausgehender Ersatzanspruch auch für die Kosten einer nach § 8a Abs 6 MedienG erfolgten Urteilsveröffentlichung nicht vorgesehen worden sei, sei zu schließen, dass der Gesetzgeber einen entsprechenden (im Übrigen auch aus den gemäß § 8a Abs 1 MedienG bzw § 41 Abs 1 MedienG anzuwendenden Kostenbestimmungen der Strafprozessordnung nicht abzuleitenden) Kostenersatz gezielt nicht habe zulassen wollen.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, stehen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom und des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht vom , soweit damit ein Anspruch der Antragsgegnerin auf Ersatz der Kosten des Erneuerungsverfahrens (§ 363a StPO per analogiam) verneint wurde, mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Nach der wie auch die Kostenersatzpflicht im Fall eines Schuldspruchs (§ 389 StPO) den Grundsätzen der Erfolgshaftung folgenden ( Lendl , WK-StPO § 389 Rz 1) Bestimmung des § 390 Abs 1 zweiter Satz StPO ist, wenn das Strafverfahren auf Begehren eines Privatanklägers stattgefunden hat und auf andere Weise als durch einen Schuldspruch beendigt wird, diesem der Ersatz aller infolge seines Einschreitens aufgelaufenen Kosten in der das Verfahren für die Instanz erledigenden Entscheidung aufzutragen. Diese Vorschrift ist zufolge der Verweisungen in § 8a Abs 1 MedienG und § 41 Abs 1 MedienG im selbständigen Entschädigungsverfahren (§ 8a MedienG) sinngemäß anzuwenden ( Lendl , WK-StPO § 390 Rz 10). Den Antragsteller im selbständigen Verfahren trifft daher stets dann, wenn das Verfahren auf andere Weise als durch eine Antragstattgebung beendigt wird, die Pflicht zum Ersatz aller infolge seines Einschreitens aufgelaufenen Kosten des Antragsgegners, somit jener, für die sein „Einschreiten“ kausal war ( Lendl , WK-StPO § 390 Rz 11).
Führt daher ein (solcherart „erfolgreicher“) Erneuerungsantrag (§ 363a StPO) des Antragsgegners im fortgesetzten selbständigen Verfahren (§ 8a MedienG) zur Abweisung der Anträge des Antragstellers (oder zur Bestätigung eines Anträge gemäß § 8a MedienG abweisenden erstinstanzlichen Urteils nach Neudurchführung des Berufungsverfahrens), so ist der Antragsteller für die nämlich (lege non distinguente) weitere Kosten des Verfahrens bildenden Kosten des Erneuerungsverfahrens (in welchem ihm als Gegner des dortigen Antragstellers Beteiligtenstellung zukommt; § 357 Abs 2 erster, dritter und letzter Satz StPO per analogiam iVm § 8a Abs 1 MedienG) nach § 390 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG ersatzpflichtig ( Lendl , WK-StPO § 390a Rz 18; vgl auch Reindl Krauskopf , WK-StPO § 363c Rz 16 mwN); dies ungeachtet des Umstands, dass jene nicht Kosten des (ursprünglichen) Rechtsmittelverfahrens iSd § 390a StPO (dazu Lendl , WK StPO § 390a Rz 1) sind.
Nichts anderes gilt aber mit Blick auf die dadurch ebenso verwirklichte Erfolgshaftung auch für die hier vorliegende Fallkonstellation eines im Wege einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes (§ 23 StPO) herbeigeführten, für die Antragsgegnerin günstigen Verfahrensausgangs, im Zuge dessen sie mit ihrem Antrag auf Erneuerung auf die kassatorische (das Verfahren mithin erneuernde) Entscheidung des Obersten Gerichtshofs verwiesen wurde:
Das Verfahren aufgrund einer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde kennt keine Kostenersatzpflicht (RIS-Justiz RS0110754). Dies hindert die Kostenersatzpflicht des Antragstellers für die der Antragsgegnerin aufgelaufenen Kosten des Erneuerungsverfahrens nicht. Denn zum einen ist über den Erneuerungsantrag unbeschadet der vorliegend gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung in ein und demselben Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung in einem eigenen Verfahren zu entscheiden (§§ 363a bis 363c StPO), zum anderen sind Kosten des Erneuerungsverfahrens infolge des Einschreitens des Antragstellers aufgelaufene Kosten (§ 390 Abs 1 StPO).
Die strikte Verknüpfung der Kostenersatzpflicht mit dem Verfahrensausgang in § 390 Abs 1 StPO hätte zur Folge, dass dem demnach kostenersatzpflichtigen Privatankläger (Antragsteller im selbständigen Verfahren, § 8a Abs 1 MedienG) auch die Kosten eines erfolglosen Rechtsmittels des Angeklagten (Antragsgegners) zur Last fielen. Zur Vermeidung eines derart unbilligen Ergebnisses werden mit der mit BGBl 1925/233 eingefügten (vgl die wesentliche Teile des Motivenberichts wiedergebende Entscheidung AZ 14 Os 61/97) Bestimmung des § 390a Abs 1 erster Satz zweiter Halbsatz StPO von der Kostenersatzpflicht des nach §§ 389 und 390 StPO zum Kostenersatz Verpflichteten jene Kosten ausgenommen, die durch ein „ganz erfolglos gebliebenes“ Rechtsmittel des Gegners (der nach dem Ergebnis des Verfahrens zum Kostenersatz verpflichteten Partei) verursacht worden sind. Bei aufgrund derselben Interessenlage hier gebotener analoger Anwendung dieser Vorschrift scheidet demnach eine die Kosten des Erneuerungsverfahrens betreffende Ersatzpflicht des Privatanklägers (Antragstellers im selbständigen Verfahren) nur dann aus, wenn der infolge Verweisung auf die aufgrund der - grundsätzlich vorrangig zu behandelnden (vgl 13 Os 130/10g) - Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes herbeigeführte Kassation nicht meritorisch erledigte Erneuerungsantrag bei hypothetischer Prüfung gänzlich erfolglos geblieben wäre, mithin in materieller Hinsicht nicht gesagt werden könnte, dass der Erneuerungswerber mit seinem Antrag der Sache nach durchgedrungen ist (vgl Ratz , Überprüfung von Entscheidungen durch den Obersten Gerichtshof in Strafsachen, ÖJZ 2010/104 [986]).
Davon kann im vorliegenden Fall aber umso weniger die Rede sein, als der auch inhaltlich berechtigte Erneuerungsantrag der Antragsgegnerin für die (den für sie günstigen endgültigen Verfahrensausgang ermöglichende) Kassation des Urteils des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom schon deshalb notwendige Bedingung war, weil die unter anderem gegen diese Entscheidung gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erst im September 2008 erhoben wurde. Denn die Aufhebung der Entscheidung eines untergeordneten Strafgerichts über zivilrechtliche Ansprüche (§§ 6 ff, 9 f MedienG) ist in Stattgebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes (soweit hier von Bedeutung, vgl aber auch RIS-Justiz RS0124838 [T1] und RS0124798 [T2]) unter dem Gesichtspunkt des Grundrechts auf Schutz des Eigentums nach Art 1 des 1. ZPMRK nach Ablauf der 6 Monatsfrist des Art 35 Abs 1 MRK nur dann möglich, wenn der Antragsgegner als zuvor am Verfahren Beteiligter eine Individualbeschwerde beim EGMR erhoben oder einen Erneuerungsantrag (§ 363a StPO per analogiam) jeweils unter den in Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK angeführten strikten Voraussetzungen gestellt hat (RIS-Justiz RS0124740). Dies trifft vorliegend im Hinblick auf den innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung des zuvor bezeichneten Urteils des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht gestellten Erneuerungsantrag zu.
Da somit der Antragsgegnerin nach § 390 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG ein Anspruch auf Ersatz der Kosten des Erneuerungsverfahrens zusteht und mit dem Kostenausspruch des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom mit bloß unvollständiger Bezeichnung der gesetzlichen Anspruchsgrundlage („gemäß dem § 390a Abs 1 StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG“) dem Antragsteller der Ersatz der „Kosten des gesamten Verfahrens“ auferlegt wurde (RIS Justiz RS0101304), war die Abweisung des auf Ersatz der Kosten des Erneuerungsverfahrens gerichteten Kostenbegehrens der Antragsgegnerin mit den eingangs genannten Beschlüssen rechtlich verfehlt. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass von der Antragsgegnerin für deren „Äußerung an den Obersten Gerichtshof“ vom zur Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes verzeichnete Kosten (S 383 in ON 30) indes nicht zustehen, weil wie bereits dargelegt im Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden zur Wahrung des Gesetzes keine Kostenersatzpflicht besteht.
Mit Blick auf den zugleich fristgerecht (Art 35 Abs 1 MRK) gestellten Erneuerungsantrag (neuerlich RIS Justiz RS0124740) der Antragsgegnerin sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die beiden Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom und des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht vom im bezeichneten Umfang aufzuheben (§ 292 letzter Satz StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG) und dem Landesgericht für Strafsachen Graz in diesem Umfang die Verfahrenserneuerung aufzutragen.
Insoweit war die Antragsgegnerin auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Weiters führt die Generalprokuratur aus:
§ 39 Abs 1 MedienG (in der seit geltenden Fassung der Mediengesetznovelle 2005, BGBl I 2005/49) gewährt unter der Überschrift „Ersatz für Veröffentlichungskosten“ für den Fall, dass eine Mitteilung nach § 8a Abs 5 MedienG oder nach § 37 MedienG veröffentlicht, das Verfahren aber beendet wird, ohne dass ein Schuldspruch ergeht, auf Einziehung oder Urteilsveröffentlichung im selbständigen Verfahren erkannt oder dem Antragsteller eine Entschädigung zuerkannt wird, dem Medieninhaber gegen den Privatankläger oder Antragsteller neben dem Recht, eine kurze Mitteilung darüber zu veröffentlichen und den Ersatz dieser Veröffentlichungskosten zu begehren, einen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Veröffentlichung der Mitteilung nach § 8a Abs 5 MedienG oder nach § 37 MedienG. Die vor der Mediengesetznovelle 1992 als Beschlagnahmesurrogat angesehene Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung über das Verfahren nach § 37 MedienG (sowie das entsprechende Rechtsinstitut im selbständigen Entschädigungsverfahren, § 8a Abs 5 MedienG) ist eine auf einer Verdachtslage beruhende vorläufige Sicherungsmaßnahme (vgl 12 Os 96, 97/89; Polley in: Berka/Höhne/Noll/Polley , MedienG² §§ 37 und 39, jeweils Rz 2). Für den Fall, dass sich der „Verdacht“, dass der objektive Tatbestand eines Medieninhaltsdelikts hergestellt worden ist (§ 37 MedienG) oder die Anspruchsvoraussetzungen nach den §§ 6 bis 7c MedienG vorliegen (§ 8a Abs 5 MedienG), nach Verfahrensdurchführung als unbegründet erweist, sieht § 39 Abs 1 MedienG als Ausgleich der Folgen jener somit als ex nunc unberechtigt erkannten Provisorialmaßnahme entsprechende „Entschädigungs“- Ansprüche des Medieninhabers gegen den Privatankläger oder Antragsteller vor ( Polley aaO § 39 Rz 2).
Mit der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO) auf Erneuerungsanträge ohne ein in der Sache des Erneuerungswerbers vorausgegangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte seit der Grundsatzentscheidung AZ 13 Os 135/06m vom (RIS-Justiz RS0122228; dazu eingehend Reindl-Krauskopf , WK-StPO Vor §§ 363a bis c Rz 11 ff, § 363a Rz 30 ff) ist die Aufhebung von (auch rechtskräftigen) Entscheidungen untergeordneter Strafgerichte über zivilrechtliche Ansprüche nach dem Mediengesetz (§§ 6 ff, 9 f MedienG) gleichviel ob in Stattgebung eines Erneuerungsantrags (§ 363a StPO per analogiam) oder einer aus dessen Anlass erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes (§§ 23, 292 letzter Satz StPO) auch ohne ein vorangegangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte durch den Obersten Gerichtshof (jedenfalls dann) möglich, wenn der Antragsgegner als zuvor am Verfahren Beteiligter (unter den strikten Voraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK) einen Erneuerungsantrag gestellt hat (neuerlich RIS Justiz RS0124740, RS0124838). Die solcherart erstmals ermöglichte Verfahrenskonstellation einer derartigen nachträglichen Aufhebung einer als (ex tunc) gesetzwidrig erkannten gerichtlichen Anordnung einer Urteilsveröffentlichung (§ 8a Abs 6 MedienG) wurde vom Gesetzgeber weder vorhergesehen noch geregelt. Mit Blick auf den auch hier (wie noch darzulegen ist, sogar verfassungsrechtlich) gebotenen Ausgleich zu Gunsten des Medieninhabers, mithin dieselbe Interessenlage, liegt eine durch analoge Anwendung des § 39 Abs 1 MedienG zu schließende planwidrige Gesetzeslücke vor.
Dies umso mehr als mit der als (bezogen auf Vorschriften der Strafprozessordnung) gesetzwidrig erkannten Anordnung der Urteilsveröffentlichung durch das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht zugleich auch (vgl zum Verhältnis der Prüfungsmaßstäbe bei einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes und einem auf dieselbe gerichtliche Entscheidung bezogenen Erneuerungsantrag neuerlich Ratz , Überprüfung von Entscheidungen durch den Obersten Gerichtshof in Strafsachen, ÖJZ 2010/104 [986]) in das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK eingegriffen (vgl RIS-Justiz RS0123458) und es weil Feststellungen zum Nachteil der Antragsgegnerin mit im Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom unterbliebener mängelfreier Begründung auch im fortgesetzten Verfahren nicht zu treffen waren mangels Rechtfertigung des Eingriffs (Art 10 Abs 2 MRK) verletzt wurde. Folge dieser Konventionsverletzung sind in materieller Hinsicht aus dem abwehrrechtlichen Charakter des Grundrechts auf Freiheit der Meinungsäußerung resultierende auf den Grundrechtseingriff bezogene Beseitigungsansprüche (vgl Krieger sowie Grote/Wenzel in: Grote/Marauhn , EMRK/GG Kapitel 6 Rz 14, Kapitel 18 Rz 16; zur Verpflichtung eines Mitgliedstaates zur restitutio in integrum sowie Beseitigung jedes einer Wiedergutmachung der Situation des Beschwerdeführers entgegenstehenden Hindernisses im nationalen Recht als Rechtswirkungen der eine Konventionsverletzung feststellenden Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach Art 46 MRK: Grabenwarter EMRK 4 § 16 Rz 3 ff, Meyer-Ladewig EMRK² Art 46 Rz 2, 23), welche in prozeduraler Hinsicht die Verpflichtung des Staates (als Eingriffssubjekt) zur Folge haben, wirkungsvolle Verfahren zur Verfügung zu stellen, um den Eingriff zu beenden oder seine Folge rückgängig zu machen ( Grabenwarter EMRK 4 § 19 Rz 6).
Im Hinblick auf den daher unter dem Gesichtspunkt einer schon ex tunc vorgelegenen Verletzung des Grundrechts auf Freiheit der Meinungsäußerung zu ziehenden Größenschluss (argumentum a minori ad maius) als Sonderfall der Gesetzesanalogie (RIS-Justiz RS0008931; Egger in Schwimann , ABGB-Taschenkommentar § 7 Rz 8) ist § 39 Abs 1 MedienG somit dahin analog anzuwenden, dass die darin vorgesehenen Ersatz- bzw Ausgleichsansprüche gegen den Antragsteller (oder Privatankläger) hier: Ein Anspruch auf Ersatz der Kosten einer gemäß § 8a Abs 6 MedienG aufgetragenen Urteilsveröffentlichung dem Medieninhaber auch im Fall einer Abweisung der Anträge des Antragstellers (§ 8a MedienG) im fortgesetzten Verfahren nach Aufhebung der gerichtlichen Anordnung der Urteilsveröffentlichung durch Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs (im Wege des § 363a StPO bzw der §§ 23, 292 letzter Satz StPO) zustehen. Demnach gebührende in Abkehr von der früheren Gewährung eines „üblichen Einschaltungsentgeltes“ (§ 39 Abs 2 MedienG aF) nach den Gesetzesmaterialien „erheblich darunter liegende“ (MatRV 784 BlgNR 22. GP 24; vgl dazu auch 15 Os 45/10x, 46/10v, 47/10s und 48/10p) „Kosten der Veröffentlichung“ werden sich an dem in einer Kostenrechnung aufzuschlüsselnden konkreten Personal- und Sachaufwand samt anteiligen Fixkosten der Medieninhaberin (vgl Polley aaO § 39 Rz 11) zu orientieren haben.
Somit war auch dem Grunde nach die Abweisung des auf Ersatz der Kosten der mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom aufgetragenen Urteilsveröffentlichung gerichteten Kostenbegehrens der Antragsgegnerin rechtlich verfehlt.
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Wichtigste Neuerung bei der Ersatzpflicht für Veröffentlichungen nach §§ 8a Abs 5, 37 und 39 Abs 1 erster Satz MedienG, aber auch nach ungerechtfertigter Beschlagnahme (§ 38a MedienG) durch die Mediengesetznovelle 2005 war, dass der obsiegende Medieninhaber die Veröffentlichungskosten nicht mehr vom Bund ersetzt erhält, sondern dass der Ersatzanspruch gegenüber dem unterlegenen Privatankläger oder privaten Antragsteller besteht ( Polley in Berka/Höhne/Noll/Polley , MedienG² § 39 Rz 1, 10).
Ziel der Novelle war es somit, die Haftung des Privatanklägers oder Antragstellers für taxativ angeführte vor oder anlässlich der rechtskräftigen Beendigung eines medienrechtlichen Verfahrens anfallende Kosten gegenüber dem Medieninhaber zu statuieren, keineswegs jedoch den Ersatz der dort nicht angeführten Kosten der rechtskräftig angeordneten, von seiner Antragstellung abhängigen Urteilsveröffentlichung unter anderem nach § 8a Abs 6 MedienG bei nachträglicher Aufhebung der ihr zu Grunde liegenden Entscheidung infolge eines außerordentlichen Rechtsbehelfs.
Gegen eine planwidrige Gesetzeslücke spricht, dass eine Aufhebung einer die Urteilsveröffentlichung anordnenden rechtskräftigen Entscheidung schon zum damaligen Zeitpunkt infolge eines auf ein Urteil des EGMR gestützten Antrags auf Erneuerung des Verfahrens nach § 363a StPO oder der Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes - jedenfalls bei Anhängigkeit einer Individualbeschwerde des Antragsgegners vor dem EGMR auch unter dem Gesichtspunkt des Prinzips der Rechtssicherheit unbedenklich (vgl neuerlich RIS-Justiz RS0124838) - möglich war und nicht erst durch die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO) auf Erneuerungsanträge ohne ein in der Sache des Erneuerungswerbers vorausgegangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte seit der Grundsatzentscheidung AZ 13 Os 135/06m vom (RIS-Justiz RS0122228) denkbar wurde.
Überdies hat es der Gesetzgeber unterlassen, auch nach der erwähnten Entscheidung vom die mit BGBl I 2009/8 erfolgte Änderung des Mediengesetzes zum Anlass für eine entsprechende Anpassung des § 39 MedienG an die damals bereits herrschende neue Rechtsprechung zu § 363a StPO zu nehmen.
Es liegt daher - ungeachtet der von der Generalprokuratur zutreffend aufgezeigten Verpflichtung des Staates, die als Folge einer Konventionsverletzung, hier des Art 10 MRK, eingetretenen Folgen rückgängig zu machen - keine planwidrige zum Nachteil der Vermögenslage des Privatanklägers oder Antragstellers nach rechtskräftiger Verfahrensbeendigung zu schließende Gesetzeslücke vor, sodass Antragsgegner in einem solchen Fall ihre Ansprüche gegebenenfalls im Wege des Amtshaftungsverfahrens durchzusetzen haben.
Auch eine an den Normen der MRK orientierte verfassungskonforme Interpretation erfordert kein anderes Ergebnis, denn das durch Art 13 MRK garantierte Recht auf eine wirksame Beschwerde verlangt - wie auch Art 46 Abs 1 MRK - nicht zwingend die Aufhebung der durch eine Konventionsverletzung bedingten innerstaatlichen Entscheidung, sondern lässt den Ausgleich einer Grundrechtsverletzung durch anderweitige effektive Maßnahmen, etwa schadenersatzrechtliche Genugtuung im Wege der Amtshaftung, zu (RIS-Justiz RS0123644).
Aber selbst unter dem Gesichtspunkt der von der Generalprokuratur vertretenen Rechtsansicht erscheint eine auf die neue Judikatur nach 13 Os 135/06m gegründete analoge Anwendung des § 39 Abs 1 MedienG im vorliegenden Fall schon unter dem Aspekt einer iSd Art 1 des 1. ZPMRK geschützten Position des Antragstellers, der im erstinstanzlichen, durch Urteil des Oberlandesgerichts Graz am rechtskräftig beendeten Verfahren für den Fall seines Obsiegens auf die Unabänderlichkeit des Ausspruchs über die Urteilsveröffentlichung vertrauen durfte und danach seine Prozessführung, insbesondere einen Urteilsveröffentlichungsantrag zu stellen und aufrecht zu erhalten, ausrichten konnte, nicht möglich.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in diesem Umfang zu verwerfen.
Der Begehren der Antragsgegnerin auf Erneuerung des Strafverfahrens, das ebenfalls eine analoge Anwendung des § 39 Abs 1 MedienG infolge planwidriger Gesetzeslücke aufgrund der neuen Judikatur zu § 363a StPO reklamiert, ist hingegen insoweit unbegründet (§ 363c Abs 2 StPO.