OGH vom 10.07.2001, 10ObS159/01g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Erwin Blazek und Dr. Karlheinz Kux (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. Roland S*****, Geschäftsführer, ***** vertreten durch Dr. Ulf Zmölnig, Rechtsanwalt in Weiz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 21/01x-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 31 Cgs 303/99m-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Die Ausführungen zu dem im § 503 Z 3 ZPO bezeichneten Revisionsgrund zeigen keine Aktenwidrigkeit auf, sondern sind inhaltlich der Rechtsrüge zuzuordnen.
Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen ist zutreffend (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Sie steht auch im Einklang mit den in ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates vertretenen Grundsätzen.
Der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit tritt danach in den einzelnen Systemen der österreichischen Sozialversicherung jeweils unter verschiedenen Bezeichnungen auf, wobei auch der Begriffsinhalt jeweils ein anderer ist. Wenn auch die verschiedenen Sozialversicherungsgesetze im Aufbau einem einheitlichen Schema folgen, schaffen sie doch jeweils eigenständige Regelungssysteme, die an sehr unterschiedliche Sachverhalte anknüpfen. Durch die Bestimmungen über die Wanderversicherung (§ 251a ASVG,§ 129 GSVG,§ 120 BSVG) hat der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen, die eine weitgehende Gleichbehandlung der in verschiedenen Sozialversicherungssystemen erworbenen Versicherungszeiten sicherstellt. Das Wesen der Wanderversicherungsregelung besteht darin, dass alle erworbenen Versicherungszeiten vom zuständigen Träger so behandelt werden, als ob sie bei ihm erworben worden wären (Abs 7 Z 1 der zitierten Gesetzesstellen). Hat ein Versicherter Versicherungsmonate sowohl nach dem ASVG als auch in der Pensionsversicherung nach dem GSVG oder nach dem BSVG erworben, so kommen für ihn gemäß Abs 1 der zitierten Gesetzesstellen die Leistungen aus der Pensionsversicherung in Betracht, der er zugehörig ist. Dies ist nach Abs 3 der zitierten Bestimmungen die Pensionsversicherung, in der die größere oder die größte Zahl von Versicherungsmonaten vorliegt. Die Leistungen bestimmen sich dabei nach den Regelungen, die im Bereich der Pensionsversicherung bestehen, die der zuständige Träger zu administrieren hat. Bei Feststellung der Leistungsansprüche hat dieser nur eigenes Recht anzuwenden. Ist danach ein Wanderversicherter der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft leistungszugehörig, kann für ihn somit nur der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit nach § 133 GSVG, nicht aber jener der Invalidität oder Berufsunfähigkeit nach § 255 bzw § 273 ASVG in Frage kommen, weil die letztgenannten Versicherungsfälle unselbständige Erwerbstätigkeiten in der Pensionsversicherung nach dem ASVG zum Gegenstand haben und daher im Leistungsrecht nach dem GSVG nicht vorgesehen sind (SSV-NF 11/109, 11/143, 9/10, 8/25 uva; RIS-Justiz RS0085021, 0084378, 0107675; Teschner/Widlar, MGA ASVG 74. Erg-Lfg Anm 15 zu § 251a; Teschner in Tomandl, SV-System 9. Erg-Lfg 421 ua).
Da der Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag unbestritten überwiegend Versicherungszeiten nach dem GSVG erworben hat, ist er der beklagten Partei leistungszugehörig. In der Tatsache, dass vom Gesetzgeber für die Frage der Leistungszugehörigkeit die dem Versicherungsfall zeitlich vorangehenden Lebensverhältnisse für maßgeblich erachtet werden, kann keine unsachliche Regelung erblickt werden (vgl - zitiert in Teschner/Widlar aaO 70. Erg-Lfg Anm 1 zur Bestimmung des § 245, welche für die Frage der Leistungszugehörigkeit nach dem ASVG - Pensionsversicherung der Arbeiter oder Angestellte - ebenfalls auf die Versicherungszugehörigkeit in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag abstellt). Für den Kläger kann daher hier nur der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit, nicht aber jener der Invalidität oder Berufsunfähigkeit in Frage kommen, weil die letztgenannten Versicherungsfälle im Leistungsrecht nach dem GSVG nicht vorgesehen sind.
Wie der Kläger in seiner Klage selbst ausgeführt hat, war er von April 1982 bis Juni 1995 als zum Geschäftsführer bestellter Gesellschafter mit 80 % an der Gesellschaft kapitalbeteiligt und unterlag daher mangels Dienstnehmereigenschaft der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG (§ 2 Abs 1 Z 3 GSVG). Ab Juli 1995 war der Kläger als geschäftsführender Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil von 25 % als Dienstnehmer nach § 4 Abs 2 ASVG pflichtversichert. Diese unterschiedliche arbeits- und gesellschaftsrechtliche Stellung des Klägers (selbständige und unselbständige Erwerbstätigkeit) bewirkte auch dessen unterschiedliche sozialversicherungsrechtliche Einstufung. Folgte man dem Standpunkt des auf Grund seiner im maßgebenden Zeitraum überwiegend ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft leistungszugehörigen Klägers, wonach seine Erwerbsunfähigkeit im Hinblick auf seine im Beobachtungszeitraum auch ausgeübte unselbständige Erwerbstätigkeit inhaltlich analog der Bestimmung des § 273 Abs 1 ASVG zu prüfen sei, würde dem Kläger eine Leistung auf Grund von Anspruchsvoraussetzungen gewährt werden, die im GSVG nicht vorgesehen sind. Dem Kläger würde von der beklagten Partei auf Grund der nach dem GSVG erworbenen Zeiten eine Leistung gewährt werden, die Personen, die weiterhin nach dem GSVG versichert bleiben, nicht erreichen können. Abgesehen davon, dass dieses Ergebnis im Gesetz keine Deckung findet, wäre es unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes bedenklich, weil damit gleiche Sachverhalte unterschiedlich behandelt würden (vgl 10 ObS 257/97k). Hingegen begegnet es, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, keinen Bedenken, dass der Berufsschutz nach dem GSVG in anderer Weise geregelt ist als nach dem ASVG und die Voraussetzungen hiefür allenfalls strenger sind. Bei den Versicherungen nach dem ASVG, dem GSVG und den anderen Sozialversicherungsgesetzen handelt es sich jeweils um geschlossene Systeme, die Regelungen für die in den einzelnen Gesetzen eingezogenen Risikogemeinschaften treffen; auch die Finanzierung des Aufwandes ist unterschiedlich. Ein Vergleich der Lage der nach dem GSVG Versicherten mit den nach dem ASVG Versicherten in Bezug auf einzelne Rechtsfolgen ist nur unter besonderen Umständen zulässig. Solche Umstände treten bei der Statuierung der Voraussetzungen für den Berufsschutz im § 133 GSVG nicht zu Tage (SSV-NF 12/124, 10 ObS 10/98p, SSV-NF 7/31, 6/51, 5/55 ua; RIS-Justiz RS0108283). Auch die Revisionsausführungen erwecken keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der hier zur Anwendung kommenden Bestimmung des § 133 Abs 1 GSVG. Eine Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof hinsichtlich § 133 Abs 2 GSVG kommt schon mangels Präjudizialität nicht in Betracht.
Das Verweisungsfeld des § 133 Abs 1 GSVG ist mit dem gesamten Arbeitsmarkt identisch. Eine Einschränkung, dass die Verweisungstätigkeiten im Hinblick auf die bisher ausgeübten Tätigkeiten zumutbar sein müssen, besteht nicht (SSV-NF 4/81 ua). Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass der Kläger zu einem regelmäßigen Erwerb noch nicht gänzlich unfähig ist, sodass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitspension nach § 133 Abs 1 GSVG nicht vorliegen.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den unterlegenen Kläger nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind im Hinblick auf die bereits vorliegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in vergleichbaren Fällen auch nicht ersichtlich.