OGH vom 20.02.2018, 10Ob70/17t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj M*****, geboren am ***** 2001, vertreten durch das Land Oberösterreich als Kinder- und Jugendhilfeträger (Magistrat der Landeshauptstadt Linz, 4041 Linz, Hauptstraße 1–5), wegen Gewährung von Unterhaltsvorschüssen, über den Revisionsrekurs des Vaters und Unterhaltsschuldners L*****, derzeit unbekannten Aufenthalts, vertreten durch die Zustellkuratorin Dr. Elisabeth Humer-Rieger, Rechtsanwältin in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 357/17a-15, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom , GZ 6 Pu 125/17p-10, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das ***** 2001 in der Republik Tschetschenien geborene Kind ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation. Mit Bescheid des Bundesasylamts vom , 09 04.054-BAG wurde seinem Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattgegeben und ihm gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (§ 8 AsylG). Die Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde zuletzt mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl bis zum verlängert. Das Kind erhält vom Arbeitsmarktservice eine bis befristete Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts sowie eine Beihilfe zu Kursnebenkosten.
Das Erstgericht bewilligte im Hinblick auf den unbekannten Aufenthalt des geldunterhaltspflichtigen Vaters Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 2 UVG in Höhe von 188 EUR monatlich von bis (somit bis Ende des Monats des Erreichens der Volljährigkeit). Unter einem ersuchte das Erstgericht die Präsidentin des Oberlandesgerichts Linz um gänzliche Innehaltung mit der Auszahlung der Unterhaltsvorschüsse mit Ablauf des Monats Juli 2018 unter Hinweis darauf, dass dem Kind die befristete Aufenthaltsberechtigung nur bis erteilt worden sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des durch eine Zustellkuratorin vertretenen Unterhaltsschuldners nicht Folge. Rechtlich ging es davon aus, es sei ungewiss, ob sich die Behauptung des Rekurswerbers als richtig erweisen werde, das Kind werde nach Einstellung der Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts ab Eigeneinkünfte in Richtsatzhöhe erzielen. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen für die Unterhaltsvorschussgewährung typischerweise deshalb wegfallen, weil nahezu gewiss sei, dass die bis befristete Aufenthaltsbewilligung nicht verlängert werde.
Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage fehle, ob bei Vorliegen einer befristeten Aufenthaltsbewilligung die Dauer der Unterhaltsvorschüsse im Sinn des § 8 UVG mit Ablauf der befristeten Aufenthaltsbewilligung zu befristen sei.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts – ist der Revisionsrekurs des Vaters wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung unzulässig.
1.1 Nach § 8 UVG sind Unterhaltsvorschüsse (ganz generell) für die Dauer des voraussichtlichen Vorliegens der Voraussetzungen, jedoch jeweils längstens für fünf Jahre zu gewähren.
1.2 Wie sich aus den Gesetzesmaterialien zur Stammfassung des UVG (ErläutRV 5 BlgNR 14. GP 14 f) ergibt, hat das Gericht im Einzelfall zu bestimmen, für welchen Zeitraum Unterhaltsvorschüsse bewilligt werden sollen. Fallen die Voraussetzungen für die Gewährung voraussichtlich nicht schon früher weg, so soll das Gericht einen Zeitraum in der Dauer der Höchstfrist bestimmen. Die befristete Gewährung der Vorschüsse soll sicherstellen, dass das Gericht von Zeit zu Zeit die Voraussetzungen überprüft (seit dem FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75).
1.3 Auch die nun in § 8 UVG vorgesehene fünfjährige Höchstfrist soll eine Anpassung der Vorschusslaufzeit an die konkreten Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls ermöglichen, sofern typischerweise erwartet werden kann, dass die Voraussetzungen für die Vorschussgewährung wegfallen oder sich ändern. Insofern ist das Ermessen des Gerichts gebunden (Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 8 UVG Rz 5 und 6 mwN).
2. Demnach stellt die Entscheidung über die Dauer der Vorschussgewährung eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Ermessensentscheidung dar, die
– solange der zweiten Instanz kein an die Grenzen des Missbrauchs gehender Fehler unterlaufen ist oder der Ermessensspielraum eklatant überschritten wurde – keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (vgl RIS-Justiz RS0044088)
3.1 Die Ansicht des Rekursgerichts, dem Kind seien Unterhaltsvorschüsse über den Zeitpunkt des Auslaufens nicht nur der befristet gewährten Beihilfe zur Deckung seines Lebensunterhalts (mit ), sondern auch über den Zeitpunkt des Auslaufens seiner befristeten Aufenthalts-bewilligung () hinaus bis zur Volljährigkeit zu gewähren, stellt jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Ermessensüberschreitung dar:
3.2 Subsidiär Schutzberechtigte sind auch im Bereich des UVG Konventionsflüchtlingen rechtlich gleichgestellt und haben daher bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen einen Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse (RIS-Justiz RS0126325). Sie sind aber nur so lange einem inländischen Staatsbürger gleichgestellt, als sie sich im Inland aufhalten (10 Ob 35/12p).
3.3 Die Aufenthaltsberechtigung von subsidiär Schutzberechtigten ist in § 8 Abs 4 AsylG geregelt. Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder vom Bundesverwaltungsgericht vorerst eine für ein Jahr befristete Aufenthaltsbewilligung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen, die im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen auf Antrag für jeweils zwei weitere Jahre verlängert wird. Dies entspricht der Überlegung, dass jene Umstände, die typischerweise subsidiären Schutz rechtfertigen, wie zB eine schlechte Sicherheitslage oder bürgerkriegsähnliche Zustände, jedenfalls in der Tendenz eher vorübergehenden Charakter haben und wiederum beendet sein können ().
4.1 Welche konkreten Umstände oder Tatsachen erwarten lassen, dass das Kind ab Eigeneinkünfte in Richtsatzhöhe erzielen werde und welche Gründe dafür sprechen könnten, dass es (obwohl es seit 2009 in Österreich aufhältig ist) seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich vor aufgeben wird, wird im Revisionsrekurs nicht vorgebracht. Es wird auch nicht dargelegt, welche konkreten Umstände dazu führen könnten, dass die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung des Kindes als subsidiär Schutzberechtigter mangels weiteren Vorliegens der Voraussetzungen – etwa wegen zwischenzeitiger Verbesserung der Sicherheitslage in der Republik Tschetschenien – voraussichtlich abgelehnt werden wird (§ 8 Abs 4 AsylG).
4.2 Die Ansicht, unter diesen Umständen des gegebenen Einzelfalls lägen keine zwingenden Gründe vor, die Unterhaltsvorschüsse nicht bis zum Erreichen der Volljährigkeit des Kindes zu gewähren, wirft daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.
Der Revisionrekurs ist daher zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0100OB00070.17T.0220.000 |
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